Auch bei den Tieren gibt es sehr viele Alkoholiker
Randalierende Elche, besoffene Igel und Vögel im Vollrausch
von Harald Frohnwieser
Alkoholismus gibt es nicht nur bei Menschen, auch Tiere sind nicht davor gefeit, sich regelmäßig zu betrinken. Egal, ob es sich dabei um Elefanten handelt, die in Häuser einbrechen um die Wein- und Biervorräte zu plündern, um Affen, die im betrunkenen Zustand lautstarke Partys feiern oder um Dachse, die spätnachts am Straßenrand ihren Rausch ausschlafen.
Für die Walt-Disney-Naturdoku „Die lustige Welt der Tiere“ aus dem Jahr 1974 hat Regisseur Jamie Uys ein wenig nachgeholfen, als er torkelnde Elefanten zeigte, die sich mittels gärendem Obst des Marula-Baumes angeblich betrunken machten. Doch das war getürkt, die Dickhäuter müssten pro Kopf und Rüssel mehr als 700 dieser Früchte naschen, damit sie in einen Rauschzustand versetzt werden. Dazu der Physiologe Steve Morris von der University of Bristol: „Solche Mengen können selbst Elefanten nicht verdrücken.“ Was sie jedoch oft machen, und was man im Film nicht sieht: Elefanten brechen gerne in Häuser ein, um sich dann hemmungslos über die Wein- und Biervorräte der Hausbesitzer herzumachen.
Ebenso hemmungslos können Affen werden. Paviane in Südafrika sind bekannt dafür, dass sie gerne Weingüter plündern und dann im betrunkenen Zustand lautstarke Partys feiern. Schimpansen wiederum haben eine große Vorliebe für Bananen-Bier. Und zeigen, wie gefährlich Alkohol sein kann. Die Tiere werden so aggressiv dass sie sogar die Kinder ihrer Horde umbringen. Wie Wissenschaftler einer Universität in North Caroliner, USA, herausgefunden haben, sind es meist die Schwachen der Gruppe, die sich mit Vorliebe berauschen. Bei Schimpansen wiederum hat sich herausgestellt, sind sie erst mal süchtig nach Alkohol, werden sie zu Spiegeltrinker, die ihren Stoff regelmäßig brauchen. Und auf der Karibikinsel St. Kitts stürmen Meerkatzen liebend gerne die Touristenstrände, um sich an den Cocktails der Touristen zu laben. Mit dem Ergebnis, dass die Affen schon nach wenigen Minuten sturzbetrunken sind.
Hofbräuhaus im Regenwald
Forscher in Malaysia staunten nicht schlecht, als sie regelrechte Trinkhallen fanden, die regelmäßig von den Bewohnern des Regenwaldes aufgesucht wurden. Ein Hofbräuhaus für die Tiere, nur gibt es hier keine Maß zu überhöhten Preisen, sondern Blüten von der Beertram-Palme Eugeissona tristis, die eine Art Bier herstellen. Die Knospen der Palmen produzieren einen Nektar, der von verschiedenen Hefearten vergoren wird und etwa 3,8 Prozent Alkohol enthält. Um diese Blüten weht ein derart starker Alkoholgeruch, dass er viele Säugetiere regelrecht anzieht, und die sich dann mit allen Regeln der Kunst volllaufen lassen. So wurden in den Haaren der Federschwanz-Spitzhörnchen eine horrend hohe Menge Ethylglucuronid, dass beim Alkoholabbau im Körper entsteht, festgestellt, dass man ohne Weiteres von einer lebensgefährlichen Alkoholvergiftung sprechen kann. Aber am nächsten Tag zeigten diese Tiere keine Anzeichen einer Alkoholvergiftung. Tierphysiologe Frank Wiens aus Bayreuth, Deutschland, vermutet, dass der Stoffwechsel des Federschwanz-Spitzhörnchens um vieles effektiver ist als beim Menschen: „Diese Tiere können den Alkohol viel schneller abbauen als wir Menschen es vermögen.“
Trinkfeste Fledermäuse
Als besonders trinkfest erwiesen sich die Fledermäuse. In Kanada haben Biologen sechs verschiedene Fledermausarten gefangen, um ihr Trinkverhalten zu untersuchen. Während ein Teil der Tiere nur Zuckerwasser verabreicht bekam, wurden den anderen alkoholische Drinks serviert. Was diese freilich nicht ablehnten, im Gegenteil: Sie soffen gierig so viel davon, dass ihr Blutalkoholgehalt auf 1,1 Promille anstieg. Doch was die Forscher in Erstaunen versetzte war die Tatsache, dass die betrunkenen Fledermäuse keine äußerlichen Anzeichen ihrer Alkoholisierung zeigten: Die Ultraschall-Laute, mit denen Beute oder Hindernisse geortet werden, klangen genauso wie die der nüchternen Artgenossen. Forscherin Dara Orbach stellte in einem Fachmagazin fest: „Der Alkohol beeinflusste weder ihre Manövrierfähigkeit noch ihre Bereitschaft zu fliegen oder die Zeit, die sie für die Parcours brauchen.“ Ein Autofahrer mit diesem Promillegehalt wäre seinen Führerschein sofort los.
Ex – und weg damit…
Doch es gibt auch Fledermäuse, die nicht so viel vertragen. Sie können im Vollsuff weder besonders lange fliegen noch gut orientieren und klatschen so immer wieder gegen Hindernisse. Oder rasen mit überhöhter Geschwindigkeit senkrecht zu Boden.
Natürlich gibt es auch auf dem amerikanischen Kontinent Tiere, denen man getrost zu einer Alkohol-Therapie raten könnte. Die schwarze Bergziege aus Texas etwa knackt mit den bloßen Zähnen liebend gerne alkoholische Getränkedosen und leert das Zeug in einem Zug. Ex – und weg damit!
In Europa kennt man ebenfalls auffällig werdende Tiere, die zu viel getankt haben. In Skandinavien etwa randalieren jeden Herbst betrunkene Elche, weil sie sich kiloweise mit nachgärenden Äpfeln vollgestopft haben. Die Huftiere suchen dann völlig ungehemmt Altersheime und Krankenhäuser auf, weil sie wissen, dass die tierliebenden Bewohner immer etwas zu Essen für sie bereit haben. Aber Gnade Gott, es gibt nichts – da kann dann im Vollrausch sogar der friedlichste Elch zum Berserker werden. Auch ihren Rausch ausschlafende Dachse, die am Straßenrand schnarchen, sind keine Seltenheit. Ihre Lieblingsspeise sind überreife Kirschen, die sie betrunken machen, und das Nacht für Nacht.
Braunbären in der Slowakei wiederum zeigen, dass zu viel Alkoholgenuss die Hemmschwelle sinken lässt. Sind sie im nüchternen Zustand eher menschenscheu und zurückhaltend, plündern sie nach dem Genuss von überreifem Fallobst Abfallcontainer von Wohnhausanlagen und betätigen sich sogar als Autoknacker.
Besoffene Vögel
Doch während schwergewichtigen Tieren wie den Elefanten oder den Bären ein kleiner Rausch ab und zu nicht ernsthaft schadet, können kleinere Tiere sehr wohl ein Suchtproblem mit verheerenden Folgen entwickeln, haben sie erst mal Gefallen an der berauschenden Wirkung von gärendem Obst gefunden. Man denke nur an den Spätherbst des Jahres 2006, als in der österreichischen Bundeshauptstadt Wien zahlreiche Vögel, und zwar Seidenschwänze, vom Himmel fielen. Glaubte man zuerst an eine Vogelgrippe, so stand bald fest, dass diese Tiere im Vollrausch einfach zu Boden gestürzt sind und sich dabei das Genick brachen. Wie konnte das geschehen? Die Flugreisenden, die aus der russischen Taiga in Richtung Mitteleuropa aufbrachen, fraßen sich mit überreifen Weintrauben und Ebereschenbeeren voll. In den Mägen der Tiere gor das Obst nach und Alkohol entstand. Die Vögel, die es, bevor der Winter kommt, regelmäßig in den Westen zieht, konnten mittlerweile ihre Absturzquote etwas reduzieren, weil sie in der Zwischenzeit festgestellt haben, dass man besoffen lieber nicht starten soll, aber Gefallen an ihrem Zustand haben sie dennoch gefunden. Mittlerweile trinken sie zwar etwas weniger, aber „nüchtern“ sind sie nicht.
Biersüchtige Fliegen
So klein kann ein Tier gar nicht sein, dass es nicht vor einer Alkoholsucht gefeit ist. Biertrinker im Freien ärgern sich regelmäßig über die Fruchtfliegen der Gattung Drosophila, die vom Biergeruch magisch angezogen werden. Aber es ist nicht nur der Geruch, der die Insekten fasziniert. Sind sie erst einmal am Glas gelandet, entwickeln sie einen wohlwollenden Geschmackssinn für den Gerstensaft. Und kommen, so oft man sie auch verscheucht, immer wieder. Bis sie es nicht mehr schaffen, einen erneuten Anflug auf das Bier zu nehmen sondern betrunken am Boden liegen. Wie so manch menschlicher Biergartenbesucher zu später Stunde wohl auch.
Erschreckende Alkohol-Studie
Kehren wir nochmals zu den Affen zurück: Forscher haben 600 Meerkatzen auf ihr Trinkverhalten untersucht und herausgefunden, dass nur 15 Prozent der Tiere völlig abstinent sind, 65 Prozent sind Gelegenheitstrinker und mögen Alkohol nur in einer niedrigen Konzentration und in geringen Mengen, 15 Prozent kann man getrost als schwere Trinker einstufen und die restlichen fünf Prozent sind so gefährdet, dass ihr exzessives Trinkverhalten an Selbstmord grenzt. Sie werden aggressiv, fallen oft in ein Delirium und verhalten sich unsozial. Was ja auch beim Homo Sapiens vorkommen soll…
Fotos: Partytiere/3sat (2), ZDF/Sylvain Garassus (1), Bären und Elche im Vorgarten / Doku (1), Die lustige Welt der Tiere (1)