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Alkohol- und Histaminintoleranz
Wenn schon das erste Glas zum Kater führt

von Werner Schneider

Jeder, der schon zu viel Alkohol zu sich genommen hat, kennt den Kater. Es gibt aber Menschen, die bereits nach einem Glas diese Symptome verspüren – sie leiden unter einer Alkoholintoleranz. Andere wieder vertragen bestimmte Getränke gut, etwa Weißwein oder Sekt und Spirituosen, bekommen aber bei Rotwein, Bier und Champagner rote Flecken bis hin zur Nesselsucht und leiden unter Atemnot. Sie vertragen das Histamin nicht. Diese Personengruppe muss sogar gesunden Lebensmitteln wie Spinat und Sauerkraut aus dem Weg gehen.

Bei einem Meeting der Anonymen Alkoholiker berichtete eine der Teilnehmerinnen, dass sie nach dem regelmäßigen Genuss von fast zwei Flaschen Gin pro Tag – und der Erkenntnis, dass an ein Aufhören nicht zu denken war, weil der Körper schon am frühen Morgen nach dem Gift verlangte – nur noch den einen Wunsch hatte: Sie möge doch eine Alkoholallergie entwickeln um so nie wieder zur Flasche zu greifen.
Der fromme Wunsch ging natürlich nicht in Erfüllung, sie musste durch zwei Entzüge und psychotherapeutische Behandlungen, um trocken zu werden.

Vorsicht Allergie – AlkoholintoleranzAber es gibt diese Alkoholallergie (Alkoholintoleranz bzw. -unverträglichkeit) tatsächlich. Sie äußert sich in

* Gesichtsröte, Schwellungen

* Kopfschmerzen

* Steigerung der Herzfrequenz (Herzrasen)

* Magenprobleme

* Wärmeabstrahlung (langfristiges anhalten der gefäßerweiternden, durchblutungssteigernden Wirkung des Ethanols im Alkohol

* Tagelanges „Entkatern“ nach dem letzten Konsum gepaart mit Muskel- und Gliederschmerzen

In Europa und anderen westlichen Staaten ist die Alkoholintoleranz relativ selten (es liegen keine gesicherten Daten vor), in asiatischen Gefilden, etwa China und Japan, bewegt sie sich im zweistelligen Prozentbereich.
Mutiertes Gen
Was ist nun die Ursache? Meist liegt ein mutiertes Gen vor. Solche Menschen verfügen nicht über ausreichend Enzyme der Alkoholdehydrogenase (ADH) oder Aldehyd-Dehydrogenase 2 (ALDH) oder, dass diese Enzyme nur sehr ineffizient arbeiten. Die Auswirkungen sind: Da ADH und ALDH unbedingt wichtig für den Abbau von Alkoholen und deren Abbauprodukten, den Aldehyden, sind, kommt es durch das mutierte Gen nach Ethanolgenuss zu einem erhöhten und nur langsam sinkenden Acetaldehydspiegel (wenn ALDH vom Genfehler betroffen ist) oder einem nur langsam sinkenden Alkoholspielgel (falls ADH oder ALDH vom Gendefekt betroffen sind).
Soweit die wissenschaftliche Seite.
Warum nun Europäer oder Amerikaner weniger unter diesem Gendefekt leiden als etwa Chinesen, Japaner, Koreaner etc. darüber streiten die Gelehrten noch. Es kann aber die Ursache im Mittelalter oder früher zu suchen sein, wo in unseren Breiten Alkohol bereits eine wesentliche Rolle spielte, im asiatischen Raum aber nicht. Die Alkoholresistenten genossen in unseren Breiten Ansehen, sie seien also bei der Fortpflanzung bevorzugt gewesen – so eine gewagte Theorie.
Starke Nebenwirkungen
Lebensgefährlich ist diese Allergie nicht. Denn die Reaktionen des Körpers kennt man auch vom ordinären Kater, nur treten sie bei den Allergikern wesentlich verstärkt auf, somit besteht kaum die Gefahr, dass diese sich dem ständigen Missbrauch hingeben. Feststellbar durch Allergietests ist dieser Gendefekt übrigens nicht, man muss es schon am eigenen Körper erlebt haben und dann diagnostizieren lassen. Man kann dieser Alkoholintoleranz auch nicht vorbeugen, auch hier kann nur im „Selbstversuch“ festgestellt werden, wie heftig die Reaktionen auf wie viel Ethanolkonsum ausfallen. Es spräche jedoch nicht für die Intelligenz, wenn man trotz übelster Katersymptome immer wieder zum Alkohol greift.
Es gibt jedoch auch die Meinung, dass es nicht nachgewiesen sei, dass der Alkohol Allergene beinhalte (was bei der Diagnose der Alkoholintoleranz auch gar nicht behauptet wird). Wohl wird aber auch in diesen StudienStrukturformel von Histamin eingeräumt, dass die Nebenwirkungen bis zu Neurodermitis, Fieber und sogar Atemnot und asthmaähnlichen Anfällen führen können.
Histamine in Schampus, Bier, Rotwein
Tatsächlich ist nicht jede Überreaktion des Körpers auf die Alkoholintoleranz zurückzuführen. FreundInnen von Rotwein und Champagner können bisweilen plötzlich feststellen, dass auch bei ihnen schon bei geringsten Mengen erhöhtes Wärmeempfinden und rote Flecken auf der Haut auftreten. Hier ist aber das Histamin schuld. Auch in diesem Fall ist der Mangel eines bestimmten Enzymes (Diaminoxidase) verantwortlich. Dieser Defekt kann bisweilen auch erst im fortgeschrittenen Alter auftreten. Nur tun sich die Allergiker in diesem Fall nicht so leicht wie die Patienten mit Alkoholintoleranz, die lediglich auf Alkohol verzichten müssen.
Histamine verstecken sich nicht nur in Schampus, Bier und Rotwein (je höher der Reifegrad, desto intensiver) sondern auch in einer Unzahl an Lebensmitteln – auch scheinbar sehr gesunden. Hier eine kleine Sammlung der “gefährlichen“ Nahrungs- und Genussmittel.

* Geräuchertes Fleisch, Salami, Schinken, Innereien

* viele Fischprodukte, insbesondere Fischkonserven

* Meeresfrüchte

* gereifte Käsesorten („Hartkäse“), je höher der Reifegrad, desto höher der Histamingehalt

* Sauerkraut

* Spinat

* Essig, essighaltige Produkte wie Senf sowie in Essig eingelegte Lebensmittel (z. B. eingelegtes Gemüse)

* Schokolade: Schokolade enthält zwar kein Histamin, aber die anderen biogenen Amine Tyramin und Phenylethylamin. Diese Amine stammen aus dem Kakao. Bei der Minimierung der Histaminaufnahme durch die Nahrung sind auch Kakaogetränke und Schokolade (in diversen Süßspeisen) zu meiden.

* Pilze, auch Schimmelpilze (z. B. Edelschimmel auf verschiedenen Käsesorten)

* Tomaten, Ketchup und Pizza

* Andererseits soll es Nahrungsmittel (wie z. B. Ananas, Papayas, Nuss- und Kakaoprodukte) und Medikamente geben, die den Abbau von Histamin verzögern oder sogenannte Histaminliberatoren (z. B. gehören dazu bestimmte Lebensmittelzusatzstoffe), die verstärkt Histamin im Körper freisetzen.

* Bier

* Rotwein, (trockene Weißweine und Sekt enthalten praktisch kein Histamin) gewarnt wird hingegen vor französischem Champagner mit seinen 670 µg/l Histamin (Champagner wird teilweise aus roten Trauben hergestellt).

* Alkoholkonsum steigert die Durchlässigkeit der Zellwände und senkt damit die Histamintoleranzgrenze, weshalb insbesondere beim Mischen von Alkohol und histaminreicher Nahrung (z. B. Rotwein und Käse) überaus starke Reaktionen auftreten können.

Auch bei der Histamin-Intoleranz können die Symptome verschieden heftig auftreten – bis hin zu Nesselausschlägen, geschwollenen Schleimhäuten etc.. Hier gibt es aber Medikamente, die, prophylaktisch eingenommen, eine Linderung herbeiführen. Zielführend ist aber nur eine Histamin meidende Diät.
Vorsicht ist auch bei gewissen Medikamenten geboten (Morphinen).

Grafik: Thomas Frohnwieser (1), commons.wikimedia.org (1)