• Drucken

Die Rückkehr von Absinth
Die Gefahr der „grünen Fee“

von Harald Frohnwieser

Obwohl schon in der Antike als Magenheilmittel bekannt, gelangte Absinth, wegen seiner Farbe auch grüne Fee genannt, erst im 19. Jahrhundert zu großer Popularität. Nicht nur Künstler wie Oscar Wilde oder Henri Toulouse-Lautrec verfielen dem hochprozentigen, mit Wermut zersetzten Kräuterschnaps, in ganz Mitteleuropa wurde Absinth zu einem heiß begehrten Modegetränk. Doch nach vielen TodesfällenEingeschenktes Glas Absinth (typische Grüne Färbung) von Pernod mit Zuckerwürfel und körperlichen Schäden, die das Getränk verursachte, wurde es ab den 1920er Jahren in den meisten europäischen Ländern für lange Zeit verboten. Aber seit 1998 ist Absinth in abgeschwächter Form wieder legal zu kriegen, doch die Gefahr ist noch immer nicht gebannt.

Oscar Wilde trank es, ebenso sein Kollege, der Schriftsteller Edgar Allan Poe (siehe auch „Düsteres Schicksal, düstere Werke“). Auch Maler wie Paul Gauguin, Henri Toulouse-Lautrec oder Picasso verfielen wie so viele „Normalbürger“ auch, dem Modegetränk. Und über Vincent van Gogh hieß es, dass er sich entweder aufgrund einer schizophrenen Erkrankung oder im Absinth-Rausch sein Ohr abschnitt (siehe auch „So heftig war der Schub noch nie…“). Die „grüne Fee“, wie Absinth auch genannt wird, war zur damaligen Zeit ein hochprozentiges alkoholisches Getränk, um das sich viele Mythen rankten. Absinth gebe „dem Leben eine feierliche Färbung“ hieß es. Der Dichter Charles Baudelaire schrieb, dass das Getränk seine „dunklen Tiefen aufhelle“. Baudelaire trank den grüngefärbten Schnaps auch gegen seine Schreibhemmung. „Die toten Wörter stehen auf und sind aus Stein und Bein“, schrieb der Dichter ganz begeistert. Doch der Branntwein wurde auch von vielen armen Leuten getrunken, denen er als billiges Rauschmittel diente.
Vincent van Gogh, hat sich vermutlich im ersten Schub seiner Schizophrenie, einen Teil seines linken Ohres abschnitt um seinen akustischen Symptomen her zu werden (Selbstbildnis, 1889)Um 1920 führte ein spektakulärer Mordfall – ein Mann hatte im Absinthrausch seine ganze Familie ausgerottet - dazu, dass Absinth in den meisten europäischen Ländern und in den USA verboten wurde. Nur in Gr0ßbritannien konnte man weiterhin legal Absinth trinken.
Hochprozentiger Kräuterschnaps
Was aber macht den Kräuterschnaps so gefährlich? Absinth enthält das Nervengift Thujon, die u.a. in den ätherischen Ölen von Wermut, Beifuß, Rosmarin und echtem Salbei vorkommen. Aber wie das Gift tatsächlich auf den menschlichen Körper wirkt, ist bis heute noch nicht restlos erforscht. Sicher hingegen ist, dass neben Fenchel, Anis und anderen Kräutern auch Wermut dem grünen Getränk beigesetzt wird. Die grüne Farbe kommt aber nicht von einer der Pflanzen sondern von einem Farbstoff. In der Fachliteratur steht, dass es bei der „grünen Fee“ nicht nur um ein hochprozentiges Getränk mit einem bis zu 80-prozentigen Alkoholvolumen handelt. Vielmehr mache das Zusammentreffen von Alkohol und Thujon Absinth so gefährlich, heißt es. Dem Nervengift wird nachgesagt, dass es – ähnlich wie im Drogenrausch – nicht nur Halluzinationen hervorrufen sondern dieAlbert Maignan´s Bild die „Green Muse“ von 1895, zeigt einen Dichter der gerade der grünen Fee erliegt. Wirkung des Alkohols auch gehörig verstärken kann. Dass Absinth von einem Spirituosen-Erzeuger nach der Aufhebung des Verbots im Jahr 1998 mit dem Satz „Ich bin die Inspiration“ beworben wird, halten Fachleute daher für umso bedenklicher.
Trinkritual
Zwar ist der Alkoholgehalt jetzt nicht mehr so hoch wie er es noch im 19. Jahrhundert war, aber im einem Volumen mit bis zu 70 Prozent liegt er immer noch weit über dem von Gin, Whisky oder Wodka. Die heutigen Absinth-Jünger – und davon soll es gar nicht so wenige geben – machen aus dem Trinken des Schnapses ein regelrechtes Ritual. Das Getränk, das pur oder mit Wasser verdünnt getrunken wird, wird aufgrund des bitteren Geschmacks gezuckert. Dabei wird ein spezieller mit Löchern versehener Absinth-Löffel mit Zucker in die Lösung getaucht und dann entzündet. Wenn der Alkohol verbrannt und der Zucker verkocht ist, wird die Zuckerlösung in den Absinth getropft und verrührt. Erst dann wird das Getränk konsumiert.
Nervengift mit starken Nebenwirkung
Aus medizinischer Sicht sind die Gefahren, die vom häufigen Absinth-Konsum ausgehen, noch nicht richtig erforscht, aber so viel steht fest: Das Nervengift Thujon kann Krampfanfälle hervorrufen und schädigt die Nerven, die Nieren und den Magen. Zudem können die Muskelpartien schwer geschädigt werden, Thujon kann aber auch, wie schon erwähnt, Halluzinationen auslösen und zu schweren psychischen Schäden führen. Und letztlich machen Fachleute das Gift auch für den Tod einzelner Absinth-Konsumenten verantwortlich. Des Weiteren warnen Mediziner vor allzu häufigem Absinth-Konsum, weil das Getränk starke Depressionen, Schlaflosigkeit, Angstzustände, Aggressionen, morgendliche Übelkeit und Erbrechen, Schwindelgefühle, Schädigung des Sehnervs und sogar Taubheit auslösen kann. Auch den frühzeitigen Ausbruch einer Demenz hält man für möglich.
Doch nur der Alkohol alleine?
Doch nicht alle sind überzeugt, dass das Absinth-Trinken aufgrund des Thujon-Gehalts so gefährlich ist. Vor allem ein Forscherteam rund um Dr. Dirk W. Lachenmeier von Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt inDr. Dirk W. Lachenmeier Karlsruhe, Deutschland, glaubt nicht daran sondern macht vor allem den hohen Alkoholgehalt für die körperlichen und psychischen Schäden verantwortlich. Die Wissenschaftler hatten 13 Absinthflaschen untersucht, die vor dem Absinth-Verbot im vorigen Jahrhundert eingelagert und noch gut erhalten waren. Dabei machten Lachermeier und seine Kollegen eine interessante Entdeckung: die Thujon-Konzentration in den alten Flaschen war überraschenderweise sehr niedrig. Hieß es bis dahin, dass der Thujongehalt damals bis zu 260 Milligramm pro Liter betragen hatte, so stellten die Forscher nun fest, dass der Gehalt lediglich 35 Milligramm pro Liter betrug. Das kommt des heutigen erlaubten Thujongehalts gleich. Dass sich die stimulierende Substanz im Laufe der Jahrzehnte zersetzt haben könnte, glaubt Lachenmeier nicht: „Wir haben auch nach Abbauprodukten gesucht und keine gefunden.“
Da auch die anderen Bestandteile toxikologisch unbedenklich waren, ist der Wissenschaftler überzeugt, dass einzig das Ethanol (Alkohol)den sogenannten „Abinthismus“ ausmache. „Die historische Dämonisierung des Künstlertrunks basiert auf der falschen Voraussetzung, dass Absinth ein thujonreiches Getränk sei. Das ist es aber nicht“, raubt Dirk Lachenmeier allen Absinth-Anbetern die Illusion, ihr Getränk sei etwas ganz Besonderes.

Fotos: Pernod (1), Bridgeman Art Library, London (1), Dr. Dirk W. Lachenmeier (1), commons.wikimedia.org (1)