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Der Schauspieler Curd Jürgens als öffentlicher Trinker
„Ich glaube, es ist nur eine Flasche Whisky pro Tag“

von Werner Schneider

Er wurde als „normannischer Kleiderschrank“ bezeichnet, Kritiker lobten ihn als den wahrscheinlich besten „Jedermann“, den Salzburg je gesehen hatte. In Carl Zuckmayers Dramaverfilmung „Des Teufels General“ spielte er sich an die Spitze im deutschen Filmbusiness und mit dem Bösewicht in der James Bond Verfilmung „Der Spion, der mich liebte“ erwarb er Weltruhm. Man lobte seine „Whisky-Stimme“, man berichtete süffisant über seine Alkoholexzesse und ließ sich doch gerne zu seinen opulenten Festen laden, bei denen sich die TischeCurd Jürgens in „Gefangene der Liebe“ (1954) unter Speisen und Flaschen bogen – aber niemand bezeichnete ihn Zeit seines Lebens als Alkoholiker. Curd Jürgens lebte lieber als „stadtbekannter Säufer als ein Anonymer Alkoholiker“ (um diesen dummen Spruch zu strapazieren).

Geboren wurde er als Curd Gustav Andreas Gottlieb Franz Jürgens am 13. Dezember 1915 in München-Solln. Und er wuchs als Sohn eines begüterten Import-Export-Kaufmanns und einer südfranzösischen Lehrerin mit zwei älteren Schwestern wohlbehütet auf. Aber den jungen Curd zog es nach seinem Schulabschluss weder in die kaufmännischen Fußstapfen seines Vaters noch zu höheren Studien. Er arbeitete zunächst als Journalist und nahm nebenher Schauspielunterricht. 1935 stellte er sich bei der UFA vor. Bis 1944 arbeitete er von den Nazis unbehelligt, dann legte er sich aber mit dem Bruder des Gestapo-Chefs Ernst Kaltenbrunner an und kam in ein Arbeitslager, aus dem er aber fliehen konnte.
Ab 1946 lebte Jürgens in Wien, war mit Judith Holzmeister verlobt und nahm die österreichische Staatsbürgerschaft an. Man berichtete über unzählige Affären – unter anderem von einer kurzen Romanze mit Romy Schneider. Fünf Mal war er verheiratet: Mit Lulu Basler (1938), Judith Holzmeister (1947), Eva Bartok (1955), Simone Bicheron (1958) und zuletzt von 1978 bis zu seinem Tod mit Margie Schmitz.
Aus seiner Liebe zum Alkohol machte der Mime nie ein Hehl. So berichtete der „Spiegel“ im Juni 1961: „Curd Jürgens, 45, renommierter Alkoholkonsument der deutschen Filmindustrie, ließ mit Frau Simone, 25, den ehelichen Alkoholspiegel für eine Reportage der Münchner ‚Abendzeitung‘ polizeilich testen.“ Dabei schluckte Ehemann Jürgens zwei Gin Tonics, ein Helles, eine Flasche Bier, und einen doppelten Wodka. Die Polizei maß 1,6 bis 1,7 Promille. Ehegesponsin Simone kippte vier doppelte Wodkas, ein Helles, zwei Flaschen Bier und ein Achtel Wein und kam auf einen Wert von 1,7 bis 1,8 Promille. Dieses Paar blieb sich demnach in Sachen Trinkfestigkeit nichts schuldig.
Brillant als „Jedermann“
Curd Jürgens zählte zu den bestverdienenden Schauspielern und leistete sich dementsprechend einiges. Er zitierte Oscar Wilde mit den Worten: „Ich kann im Leben auf alles verzichten – nur nicht auf Luxus.“ Und so leistete er sich mehrere Wohnsitze: In Wien, in Südfrankreich, in Zürich und in Gstaad. Ansehnlich auch sein Fuhrpark: Ein Puch Haflinger als Spielzeug, ein Bentley zum Angeben, ein Austin als Einkaufskorb, ein Porsche für sportliche Ausfahrten, zwei Mercedes als Reisewagen, ein Land Rover für Gäste und einen Rolls Royce Silver Cloud III, ein Cabrio mit dem er selbst herumkutschierte.
Für diesen Lebensstil braucht es Geld und Jürgens nahm – neben vielen anspruchsvollen – auch einige Filmrollen an, die nur der Gütererhaltung dienten, er kam auf mehr als 160. Legendär auf der Bühne war sein Salzburger „Jedermann“ (1973 bis 1977) in Hugo von Hofmannsthals Drama unter der Regie von Ernst Haeussermann. Jürgens brillierte unter anderem am Wiener Burgtheater, in Berlin usw. – doch sein „Jedermann“ geisterte auch durch alle Gesellschaftsspalten.
Unvergessliche Feste mit viel Spirituosen
Roman Schliesser, wohl bekanntester Society Kolumnist Österreichs (er schrieb von 1957 bis 1993 den „Adabei“ – das steht im Österreichischen für „dabei sein“, aber nicht „dazu gehören“ – im Boulevardblatt „Kronen Zeitung“) erinnert sich noch an die unvergesslichen Feste, die Jürgens gab und selbst mit seinem Besuch beehrte (etwa beim Mercedes Importeur Dimitri Pappas): „In einer Saison war durchgehend Prachtwetter, so dass alle sechs Jedermann-Vorstellungen am Salzburger Domplatz gezeigt werden konnten. Danach lud er (Curd Jürgens, Anm.) zu seiner letzten Tafelrunde, die sich vor gutem Essen und Spirituosen gebogen hat, in den Kavalierstrakt von Schloss Kleßheim ein. Wenn 120 Gäste eingeladen waren und es kamen 220 warf er trotzdem niemanden hinaus. So verabschiedete Curd sich von seinen Kollegen, das war dann schon Tradition bei ihm.“
Das ausschweifende Leben zehrte am Körper des „normannischen Kleiderschranks“, ab 1967 musste er sich mehreren Herzoperationen unterziehen, hielt aber an gutem Essen, seinen Trinkgewohnheiten und seiner Zigarette fest.
Preise, Auszeichnungen und eine Herzerkrankung
Man darf nicht vergessen, dass der ernst zu nehmende Schauspieler neben seinen öffentlichen Eskapaden immer wieder Kritiker zu Lobeshymnen verleitete. So erhielt er bereits 1955 für „Des Teufels General“ und „Die Helden sind müde“ den Coppa Volpi. 1966 die im deutschsprachigen Raum begehrte Kainz Medaille, 1973 den Premio Sorrento bei der Filmwoche von Neapel, 1976 wurde er Professor der Österreichischen Akademie der Künste, 1981 bekam er das Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, 1981 das Filmband in Gold für langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film und 1982 die Goldene Kamera.
Im Dezember 1981 hatte Jürgens noch eine große Fernsehrolle: Er spielte als Herzkranker in der Verfilmung von Stefan Heyms Roman „Collins“ einen DDR-Schriftsteller, der am Herzen erkrankt, weil er nie die Wahrheit schrieb.
Eines Tages wurde Curd Jürgens von einem Reporter unverblümt auf seinen Spirituosen-Konsum angesprochen: Wie viele Flaschen Whisky er täglich zu sich nehme. Der Mime nahm’s mit Gelassenheit und antwortete: „Ich glaube, das ist höchstens eine am Tag…“
Curd Jürgens starb erst 66-jährig in der Wiener Krankenanstalt Rudolfstiftung am 18. Juni 1982 an Multiorganversagen.

Foto: Herzog-Filmverleih (1)