• Drucken

Steiermark lässt sich Aktion 2,3 Millionen Euro kosten
Ein Bundesland steuert gegen unmäßigen Alkoholkonsum

von Werner Schneider

Das Bundesland Steiermark, im Südosten Österreichs gelegen, gefällt sich international als Region mit hoher Weinkultur und als größter Bierproduzent. In diese heile Welt hinein titelte Beate Pichler von der auflagenstarken Kleinen Zeitung: „170.000 Steirer haben ein Problem mit Alkohol“. Um die gute Nachricht nachzuschießen: „Land Steiermark startet Info-Kampagne gegen übermäßigen Alkoholkonsum.“

Logo der Kampagne „Weniger Alkohol – Mehr vom Leben“Mit einer aufwändig und professionell gestalteten Homepage (www.mehr-vom-leben.jetzt) hält ÖVP-Gesundheitslandesrat Mag. Christopher Drexler seinen Landsleuten einerseits einen Spiegel vor (es gibt einen Selbsttest wie alkoholabhängig man schon ist) und spricht mit griffigen Slogans vor allem auch junges Publikum an. „Muskelkater statt Katerfrühstück“ oder „Aufriss statt Filmriss“ und „Ausblick statt Tunnelblick“ heißen die Slogans. Zusammengefasst lautet der Wahlspruch: „Weniger Alkohol – Mehr vom Leben“.
52.000 SteirerInnen sind alkoholabhängig, 125.000 gelten als gefährdet. Bundesweit weist jeder sechste Erwachsene ein Alkoholverhalten auf, das über der Harmlosigkeitsgrenze liegt. Wer noch häufiger zum Glas greift (und das sind zehn Prozent der Bevölkerung) verringert seine Lebenserwartung um etwa zehn bis 30 Jahre. Alkoholismus ist eine absolut tödliche Krankheit. Und der Weg bis zum traurigen Ende ist volkswirtschaftlich teuer: Durch Arbeitsunfähigkeit, Frühpensionen oder Akutbehandlungen, etwa durch Verletzungen, muss die Steiermark 60 Millionen Euro ausgeben.
Dagegen nimmt sich die ansehnliche Summe von 2,3 Millionen Euro, die Drexler in die Hand nimmt, fast schon bescheiden aus.
Auflistung aller relevanten Adressen
Dabei kommt diese Homepage nicht mit dem erhobenen Zeigefinger daher. Die Liste der Stellen, die Hilfe anbieten, ist lang. Von den steirischen Sucht- und Beratungseinrichtungen (b.a.s. für „betrifft abhängigkeit und sucht“) über Kliniken bis zu Selbsthilfegruppe wie die Anonymen Alkoholiker und dem Grünen Kreis sind alle relevanten Telefonnummern, Adressen und Öffnungszeiten vertreten.
Steiermark ist Vorreiter in Österreich
Die Steiermark ist mit dieser Offenheit, mit der das Thema Alkoholismus angesprochen wird, Vorreiter in Österreich. Zwar gibt es in allen Bundesländern Homepages mit Hinweisen auf Beratungsstellen, doch eine so kompakte Zusammenstellung der Problematik ist Pionierarbeit. Es wird auch mit aller Klarheit eingestanden, dass die grüne Mark, wie sie liebevoll genannt wird, beim Alkoholkonsum überdurchschnittlich betroffen ist. Landesrat Drexler zu seiner Entscheidung: „Es ist vorbildhaft von den Steirerinnen und Steirern dieses ThemaÖVP-Gesundheitslandesrat Mag. Christopher Drexler offen zu thematisieren und damit als Vorreiter offensiv anzugehen. Nur so können wir Betroffene bestmöglich unterstützen.“
Eine Skizze zeigt zudem deutlich, welche Organe vom Alkohol besonders in Mitleidenschaft gezogen werden.
Der Selbsttest zeigt mit zehn Fragen, ob man „clean“ ist oder dringend eine Bratungsstelle aufsuchen sollte. Mit allen Facetten dazwischen.
Positives Image einer kultivierten Gesellschaft
Beim Bauernbund (ÖVP) sieht man das Engagement von Parteifreund Christopher Drexler nicht als Querschuss. Alexander Macek, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit, glaubt nicht, dass die Weinbauern negativ reagieren werden. „Wein ist in der Steiermark ein Kulturgut. Da baut man auf das positive Image der kultivierten Gesellschaft, die in Maßen und mit Sachverstand den Wein genießt. Der Betrunkene, der aus der Buschenschenke fällt ist das negative Beispiel“ sagt er im „Alk-Info“-Gespräch.
Ganz so sehen das einzelne Winzer oder Mini-Brauer nicht – diese wollen aber nicht mit Namen genannt werden. Ein Südsteirer, der anonym bleiben möchte, nennt „Alk-Info“ gegenüber die „Mehr-vom-Leben“-Kampagne eine „glatte Fehlinvestition“. Denn, so seine Meinung, „einen Alkoholiker kannst nicht mit eine Homepage verhindern. Aber der Ruf, dass alle Weintrinker Tschecheranten (Trinker, Anm.) sind, ist schnell bei der Hand“.
Bierbrauer: „Unsere Produkte sind für Genießer“
Die Großbrauereien Gösser, Puntigamer und Reininghaus, sowie Murauer, fürchten nicht um den guten Ruf, den steirisches Bier genießt. „Dass man gegen den Alkoholmissbrauch ankämpfen muss, ist eine Frage des logischen Denkens. Unsere Produkte sind für Genießer gemacht, die verantwortungsvoll damit umgehen“, heißt es aus der Pressestelle.
Ein großes Problem stellt immer noch die beschränkte Anzahl an stationäre Entzugseinrichtungen dar. Leute, die dringend Hilfe benötigten, müssen oft wochenlang warten. Bei den Anonymen Alkoholikern hört man immer wieder die Klage: „Ich will einen Entzug machen, das geht derzeit aber nur ambulant.“ Diese Version der Behandlung wirkt bei manchen Patienten überhaupt nicht. Heinrich*, ein hochgebildeter und zugleich sportlicher Mann Anfang 40, hat zwei solcher Entzüge hinter sich, kam danach betrunken ins Meeting und redete offen über seine Unfähigkeit dem Alkohol zu widerstehen. Erst als er im Rausch gestürzt ist und zum Nähen in ein Krankenhaus gebracht werden musste, wurde er in die Sigmund-Freud-Klinik überstellt und bekam ein Bett.
Diesem Mangel kann man nicht von heute auf morgen begegnen. Darum setzt der Gesundheitsfonds Steiermark mit der Aktion auch verstärkt auf Prävention.

Die sieben Schwerpunkte sind:

1. Investitionen in Suchtprävention bei Kindern, Jugendlichen und Familien. In Österreich lebt ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen in einem Haushalt mit einem alkoholabhängigen oder -missbrauchenden Familienmitglied. Kinder und Jugendliche brauchen daher glaubwürdige, erwachsene Vorbilder.

2. Investitionen in betrieblicher Alkoholprävention. Wer alkoholisiert arbeitet gefährdet nicht nur sich selbst, sondern belastet auch die Kolleginnen und Kollegen. Ziel des Aktionsplans ist, den steirischen Betrieben Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, die Information und Sensibilisierung möglich machen und Hilfsangebote klar aufzeigen.

3. Selbstverpflichtung, Anreize und Schulungen in Gastronomie, Handel und Tankstellen. Der Umgang mit Jugendschutz, mit berauschten KundInnen und die Schwierigkeit, die dieser beinhaltet, erfordern ein spezielles Maßnahmenpaket.

4. Aktivierende Maßnahmen in Bezug auf Feste und Feiern. Ein funktionierendes Vereinsleben basiert auf Vorbildfunktion und einem wertschätzenden Miteinander. Im Sinne des Aktionsplanes Alkoholprävention sollen VeranstalterInnen und Vereine sensibilisiert werden, einen Beitrag zum verantwortungsvollen, genussvollen Umgang mit Alkohol zu leisten und soziale Verantwortung zu übernehmen.

5. Sicherstellen von Kapazitäten für steigenden Beratungs- und Therapiebedarf. Siehe oben – hier mangelt es noch.

6. Kommunikationskonzept des Steirischen Aktionsplanes Alkoholprävention. Am Stammtisch, beim Wirten des Vertrauens, im familiären Umfeld und Bekanntenkreis wird debattiert. Jetzt ist es Zeit, über Alkohol an sich zu reden. Mittels der Kampagne „Weniger-Alkohol-mehr-vom-Leben“ wird der steirischen Bevölkerung Information und Wissen rund ums Thema Alkohol zur Verfügung gestellt.

7. Politische Gesundheitsarbeit. Die Gesundheit der Bevölkerung kann nur durch gebündelte Anstrengung in allen Politikfeldern wirksam und nachhaltig gefördert werden.

Das Programm ist umfangreich, die aufgewendete Summe angemessen. Über mögliche Wirkungen wird man freilich erst in ein paar Jahren urteilen können.

* Name von der Redaktion geändert

Foto: Steiermärkischen Landesregierung / Teresa Rothwangl (1) Logo: Gesundheitsfonds Steiermark (1)