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29 Millionen Euro für neues Suchtzentrum
Steirer setzen auf modernste Alkoholikerbetreuung

von Werner Schneider

Das Land Steiermark setzt mit rund € 150 Millionen ein ehrgeiziges Spitalsumbau- und -neubauprogramm um. Nicht weniger als € 28,9 Millionen fließen in Sanierung und Neubau des sogenannten A-Gebäudes der Landesnervenklinik Sigmund Freud (LSF) in Graz, wo Suchtkranke allgemein, in erster Linie aber Alkoholkranke betreut werden. Der denkmalgeschützte Altbau wurde aufwendig saniert und soll 2020 seiner Bestimmung übergeben werden. Der Rechnungshof hat das Großprojekt abgesegnet. „Alk-Info“ interviewte die damals noch zuständige Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder (ÖVP) - seit 2014 aus der Landesregierung ausgeschieden - was sie veranlasst hat, in das in der Öffentlichkeit ungeliebte Kind „Sucht“ derartig großzügig zu investieren.

Die Antwort liegt in dem Motto: „Neue Steirische Suchtpolitik“. Und diese, so Edlinger-Ploner, „zielt darauf ab, die Anzahl jener Menschen zu senken, die in einer problematischen Art und Weise konsumieren oder bereits abhängig sind.“ Das Thema Alkoholismus ist Kristina Edlinger-Ploner ein Thema, mit dem sie sich stark auseinandergesetzt hat: „Sucht ist nicht nur eine chronische Erkrankung, sondern belastet vor allem auch Angehörige und das Umfeld der betroffenen Personen. Diese Personen haben wie alle anderen Patientinnen und Patienten ein Recht auf qualitative Behandlung, Begleitung, Beratung, Betreuung und Rehabilitation, die dem gegenwärtigem Wissen entsprechen.“ Die damalige Landesrätin weiter: „Zur Unterstützung dieser umfangreichen Bemühungen ist es notwendig, eine zeitgemäße Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. In der Landesnervenklinik Sigmund Freud entsteht daher das Zentrum für Suchtmedizin, das in der Endausbaustufe mit 120 Behandlungsplätzen, einer Akutaufnahme und Spezialambulanzen einen wichtigen Beitrag zu den steirischen Bemühungen rund um dieses Thema leisten wird.“
Mit der allgemeinen Erkenntnis, dass Alkoholsucht zu den anerkannten Krankheiten zählt (laut Weltgesundheitsorganisation WHO) und nichts mit „Willensschwäche“ zu tun hat, wird die Politikerin kaum die Lufthoheit über den Stammtischen gewinnen. Denn genau dort wo (bisweilen problematisch) Gerstensaft und Bacchustrunk konsumiert werden, herrscht die landläufige Meinung, dass man für Alkoholiker und „Süchtler“ (Synonym: G’sindel) keinesfalls so viel Geld ausgeben müsse.
Steiermark bei Alkoholkonsum an der Spitze
Edlinger-Ploder sieht das nach einem Blick in die Alkohol-Statistik nüchtern: „Die Steiermark steht im Bundesländervergleich leider an der Spitze. Gegenwärtig kann man von 55.000 Abhängigkeitserkrankten ausgehen. Darüber hinaus zeigen 125.000 Personen ein problematisches Konsumverhalten. Aus diesem Grund wird im Rahmen der ‚Neuen Steirischen Suchtpolitik‘ auch ein besonderes Augenmerk auf diesen Bereich gelegt. Aus diesem Strategiebereich wurde unter Beteiligung von Experten und Interessenvertretungen ein Aktionsplan zur Alkoholprävention erarbeitet, der demnächst den politischen Gremien vorgelegt wird.“
Leicht wird das alles nicht, denn die Steiermark gilt als traditionelles Weinland und da hört man nicht so gerne, dass Alkohol ein beachtliches gesellschaftliches Problem darstellt. Zumindest wollen – verständlicher Weise – die Winzer das so weit wie möglich von sich fern halten. Kleines Detail am Rande: In den großen Weinbezirken Leibnitz und Radkersburg haben die Anonymen Alkoholiker keinen einzigen Meeting-Raum…
Alko-Unfälle bereits rückläufig
Die damalige Spitalslandesrätin ist daher zu einem Spagat gezwungen: „Den Wein kann man sich aus der Steiermark ebenso wenig wegdenken wie das Kernöl. Es geht bei unseren Bemühungen auch nicht darum, am Kulturgut an sich zu rütteln. Auch eine Verfolgung von alkoholabhängigen Personen oder ein generelles Verbot werden uns in diesem Bereich nicht weiter bringen. Unser aller Ziel muss es sein, nicht nur die Risikokompetenz der Menschen zu stärken, sondern sie zu sensibilisieren, ab wann der Genuss- zum Suchtmittel wird, da die Übergänge zwischen den Konsumformen fließend sind. Mit der entsprechenden Aufklärung und Sensibilisierung gelingt es, etwaige Kritiker von der Notwendigkeit solcher Einrichtungen zu überzeugen.“ Edlinger-Ploder glaubt auch bereits Anzeichen eines Umdenkens zu erkennen: Der Spruch „Wenn du trinkst dann fahre nicht – wenn du fährst, dann trinke nicht“ setze sich schön langsam in den Köpfen der Menschen fest, die Zahl der Alko-Unfälle ist rückläufig, die häufigen Kontrollen zeigen Wirkung.
Gefährdete Personen sensibilisieren
Im benachbarten Niederösterreich, ebenfalls einem Bundesland mit großflächigen Weinbaugebieten (weit größere als in der Steiermark), hat man sogar schon eine positiver Entwicklung beim Konsum von Alkohol festgestellt. In den vergangenen 15 Jahren wurde im größten Bundesland um ein Viertel weniger reinen Alkohols getrunken. Eine beeindruckende Zahl. Trotzdem warnt die Arbeiterkammer Niederösterreich (AK NÖ) vor vorzeitigem Frohlocken: In den Betrieben und den Familien stünde man dem Alkoholproblem immer noch zu hilflos gegenüber. Niederösterreich verfügt mit dem Landesklinikum Mauer ebenfalls über ein modernes Suchtzentrum und partizipiert am Anton-Proksch-Institut an der Wiener Stadtgrenze mit. Im Griff hat man die Sucht deshalb noch lange nicht. Jene, die mit dem Alkohol umgehen können, trinken deutlich weniger (siehe AutofahrerInnen). Die Suchtgefährdeten und Suchtkranken sind nicht weniger geworden. Hier rät die AK NÖ vor allem ArbeitskollegInnen und Vorgesetzte solcher gefährdeter Personen zu sensibilisieren.
Mit der Neuen Steirischen Suchtpolitik und dem engagierten Ausbauprogramm dürfte aber das Land hinterm Semmering, wie es von Nichtsteirern oft abschätzig genannt wird, um die berühmte Nasenspitze vorne liegen.

Zum Thema:Ambitionierte Alkoholprävention in der Steiermark