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ALKOHOLPRÄVENTION?
NEIN DANKE!

Dass Alkoholismus ein Thema ist, das die Menschen interessiert, zeigt die Statistik von „Alk-Info“: In den vergangenen acht Monaten (ab Juni 2012) wurden unsere Seiten bisher etwa 300.000 Mal aufgerufen. Ein schöner Erfolg für uns, der uns freilich dazu anspornt, unsere Leser über alles, was mit einer Alkoholerkrankung zusammen hängt, weiterhin zu informieren. In Form von Interviews und Reportagen. Und mit viel Engagement, so wie bisher auch.
Engagement könnte man aber auch von allen öffentlichen Stellen, die sich mit dieser Krankheit befassen, verlangen. Doch leider, bei uns in Österreich (Vorarlberg ist hier zum Glück eine Ausnahme) tut sich auf diesem Gebiet kaum etwas. Da ist uns die Schweiz um Längen überlegen. Nicht nur was die Therapieeinrichtungen betreffen - fast jeder Kanton hat mehr davon als ganz Österreich zusammen - auch die Prävention hat bei den Eidgenossen einen hohen Stellenwert. Hier geht man vor allen in Schulen, um die Kinder und Jugendlichen darüber aufzuklären, welche Folgen ausufernder Alkoholmissbrauch haben können. Und zwar nicht nur hin und wieder und in ein paar wenigen ausgewählten Bildungsstätten, sondern flächendeckend und regelmäßig. Das ganze Jahr über.
Das sind Maßnahmen, von denen man bei uns nur träumen kann. Zwar befassen sich die offiziellen Stellen mit dem Thema Jugendalkoholismus, drücken sich gegenseitig Hand- und Jahrbücher in die Hand und veröffentlichen fleißig die neuesten Statistiken zum Thema Alkoholmissbrauch von Jugendlichen, aber mit der Zielgruppe selbst, den zehn bis 14-jährigen, spricht kaum jemand.
Aufmerksame Kids
Dabei lohnt es sich. Der Autor dieser Zeilen hat vor einigen Jahren selbst – immer auf Einladung engagierter Schul-Direktoren – in ein paar Klassenzimmern über seine Krankheit gesprochen. Und wenn im Vorfeld der Satz fiel: „Oh je, jetzt werden Sie aber mit der schlimmsten Klasse der Schule konfrontiert“, so war nach wenigen Minuten klar, dass die sicher nett gemeinte Warnung vom Klassenvorstand oder vom Direktor nicht nötig gewesen wäre. Denn die 12-, 13- oder 14-jährigen Buben und Mädels waren durch die Bank dem Thema gegenüber aufgeschlossen, haben Fragen gestellt und so aufmerksam zugehört, dass man die sprichwörtliche Nadel hätte fallen hören. Und wenn die Stunde aus war, wurde noch die eine oder andere persönliche Frage gestellt. Ein Nachbar, ein Onkel (oder doch der Vater? trinkt zu viel, wie soll ich mich verhalten, war zum Beispiel öfter darunter.
Warum geschieht hier so wenig? Warum machen Unterrichts- und/oder Gesundheitsministerium so gut wie nichts auf diesem Gebiet? Es wäre dringend notwendig, aber Prävention zum Thema Sucht findet fast durchwegs in puncto Drogen statt. Wenn überhaupt. Alkoholismus gilt offenbar auch hier als Tabu. Dabei sind die Zahlen, die regelmäßig veröffentlicht werden, alarmierend genug. Das Einstiegsalter liegt mittlerweile bei elf Jahren, der jüngste Patient, der im Anton-Proksch-Institut in Kalksburg in Wien einen Entzug machte, war erst 16 (siehe auch „Die Individualität des Einzelnen ist uns sehr wichtig!“) und als sich „Alk-Info“ im Suchtkrankenhaus in Ybbs an der Donau umsah, wurde vom Fachpersonal erzählt, dass viele Therapieanfragen von Jugendlichen (oder deren Eltern) kommen. Also von Menschen, die unter 18 Jahre alt sind (siehe auch „Wollen nicht, dass sich unsere Patienten einsperren“). Und ihren Körper, ihre Seele und ihren Geist mit Hochprozentigem bereits derart geschädigt hatten, dass sie dringend einen Therapieplatz benötigen. Aber leider nicht aufgenommen werden, da zu jung.
Erschreckende Pressemeldungen
Sicher, Aufklärung alleine bringt im ersten Moment oft nicht sehr viel. Aber es ist wichtig, dass den Kindern und Jugendlichen bewusst gemacht wird, dass Saufen nicht nur chic ist, sondern auch sehr krank machen kann, wenn man es regelmäßig tut. Und: Viele junge Menschen haben einen Elternteil, der trinkt. Der sie vernachlässigt, der sie mitunter ins soziale Elend stürzt und für den sie sich schämen. Und mit niemandem darüber reden können.
Dabei sind es nicht wenige Erwachsene, die bei uns regelmäßig zu tief ins Glas schauen. Hier der – erschreckende - Auszug aus einer österreichischen Tageszeitung: Ein Alko-Lenker baute in Oberösterreich einen Unfall mit 4,1 Promille, ein österreichischer Obdachloser wurde in Bayern betrunken aufgegriffen, und zwar so stark, dass er die darauffolgende Nacht nicht überlebte, in Salzburg randalierten mehrere betrunkene Jugendliche in einer Moschee, in Tirol nahm ein besoffener Skifahrer eine Abkürzung und blieb im Tiefschnee stecken und in Wien-Floridsdorf endete eine Sauftour zweier Männer mit einem Bauchstich. Diese Vorfälle sind alle an einen einzigen Tag passiert! Und wie viel passiert aufgrund von Alkoholmissbrauch, das es nicht zu einer Meldung in die Presse schafft? Leider genug.
Deshalb wäre es mehr als dringend notwendig, dass man das Thema Alkoholismus in den Schulen thematisiert. Oder in den Jugendzentren. Aber bei uns wird man leider immer erst dann aktiv, wenn schon etwas passiert ist. Dabei ist Prävention, und darin sind sich alle Fachleute einig, billiger als die Behandlung der Krankheit. Von wirtschaftlichen Folgen wie Arbeitslosigkeit und Frühpension ganz zu schweigen.
Freilich sollte die beste Prävention noch immer im Elternhaus stattfinden: in Form von Liebe, Zuhören, Achtung, Aufmerksamkeit und Verständnis. Und genügend Zeit für den Nachwuchs. Aber das ist eine andere Geschichte…

Ihr Harald Frohnwieser