Alkoholvergiftung – was tun?
Erst Hypnose, dann Narkose
von Harald Frohnwieser
Angehörige oder Freunde von Alkoholisierten sind oft ratlos, wenn es darum geht, eine Alkoholvergiftung richtig zu erkennen. Hat der Betrunken lediglich etwas zu viel erwischt und schläft nun seinen Rausch aus oder steht er bereits an der Schwelle des Todes? Fließt der Alkohol in Strömen, so ist der Übergang zu einer lebensgefährlichen Vergiftung meist fließend. Dr. Wolfgang Schreiber, Chefarzt vom Österreichischen Roten Kreuz, sagt, wie man erkennt, wenn jemand seinen Körper hochgradig mit Alkohol vergiftet hat. Und was man unbedingt tun soll.
Die Folgen sind wohl jedem, der einmal zu tief ins Glas geschaut hat, bekannt: Kopfschmerzen, großer Durst, gerötete Augen und Erinnerungslücken geben Zeugnis davon, dass am Abend davor der Alkohol in Strömen floss. Den Wenigsten ist freilich bewusst, dass diese Anzeichen Folgen einer Alkoholvergiftung sind, wenn auch in abgeschwächter Form. Dabei ist eine Alkoholintoxikation, also eine Alkoholvergiftung, eine der häufigsten Vergiftungsarten überhaupt. Die mitunter tödlich enden kann. Fachärzte wissen aus Erfahrung, dass ein Blutspiegel von 2,7 Promille Alkohol für den Patienten fatal enden kann. Dann ist es aus mit Party und Feiern, und zwar für immer.
Wie aber erkennt man, ob jemand nur etwas zu viel erwischt hat oder ob er bereits an der Schwelle des Todes steht? „Der Übergang ist fließend“, sagt Dr. Wolfgang Schreiber, Chefarzt vom Österreichischen Roten Kreuz, „und es hängt davon ab, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt, wie stark oder schwach man ist, wie viel man gegessen hat und wie sehr man bereits an den Alkohol gewöhnt ist.“
Im Klartext: Ein chronische Alkoholiker steckt 2,7 Promille locker weg, jemand, der den Alkohol kaum gewöhnt ist, kann leichter daran sterben. „Ich kenne Menschen, die werden mit sagenhaften sieben Promille in eine Klinik eingeliefert und gehen ein paar Stunden später mit fünf Promille wieder nach Hause. Und sind sehr gut beisammen. Ein Anderer hätte das höchstwahrscheinlich nicht überlebt“, berichtet der Arzt aus seiner Erfahrung. Besonders gefährlich kann eine hochgradige Alkoholvergiftung für Kinder und Jugendliche werden, da ihr Körper erstens weniger Alkohol verträgt und zweitens sie an den Alkohol noch nicht so gewöhnt sind. Deshalb schlagen Ärzte Alarm: In Deutschland hat sich die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die mit einer Alkoholvergiftung in ein Krankenhaus eingeliefert werden musst, seit dem Jahr 2000 verdoppelt. In Österreich dürfte es leider ähnlich sein.
Vier Stadien
Fachärzte unterscheiden vier Stadien einer Alkoholvergiftung:
1.) Exzitation (bis zwei Promille Blutalkohol). Die Anzeichen dafür sind Redseligkeit, leichtes Lallen, eine verlängerte Reaktionszeit – was besonders beim Autofahren gefährlich sein kann – gerötete Augen und ein leicht schwankender Gang.
2.) Hypnose (2 bis 2,5 Promille). Im zweiten Stadium verstärken sich die Wirkungen. Es kommt zu schweren Sprach- und Koordinationsstörungen, die Muskeln sind schlaff, der Betrunkene ist müde, schläft immer wieder ein, ist jedoch leicht aufweckbar. Die Stimmung, die anfangs heiter war, kann nun in Aggression umschlagen, das Erinnerungsvermögen ist beeinträchtigt.
3.) Narkose (2,5 bis 4 Promille. In diesem Zustand tritt meist eine Bewusstlosigkeit ein, der Patient reagiert nicht mehr auf Schmerzreize, er spürt also nicht mehr, ob er sich zum Beispiel bei einem Sturz verletzt hat. Es kann auch zu unkontrollierten Harn- oder Stuhlabgang kommen. Sehr oft befindet sich der Patient in einem Schockzustand.
4.) Asphyxie (mehr als 4 Promille). Anzeichen dafür sind weite, lichtstarre Pupillen. Die Schutzreflexe sind nicht mehr vorhanden, die Atmung ist so beeinträchtigt, dass es zu einem Atemstillstand kommen kann. Der Tod kann aber auch durch eine extreme Abkühlung des Körpers eintreten. Ein exzessiv hoher Alkoholkonsum kann auch zu einer lebensgefährlichen Nierenvergiftung führen, was aber eher selten vorkommt.
Erste Hilfe
Was also ist zu tun, wenn jemand eine Alkoholvergiftung hat? Dazu Wolfgang Schreiber: „Ist der Alkoholisierte nicht mehr ansprechbar, reagiert auf Körperberührungen nicht mehr, so sollte man ihn sofort in eine stabile Seitenlage bringen. Denn in diesem Stadium kann der Betreffende sehr leicht am Erbrochenen ersticken. Und dann sollte man nicht zögern, sofort die Rettung (Notruf 144) anrufen.“ Außerdem, so Experten, sollte der Patient mit einer Decke zugedeckt werden. Dies gilt vor allem im Freien. Denn der Alkohol erweitert die Blutgefäße, was zu einer starken Abkühlung des Körpers führt. Wichtig ist, dass man dem Alkoholisierten nichts zu essen und zu trinken verabreicht! Ist der Patient bewusstlos, so kann es auch zu einer Unterzuckerung führen, denn beim körpereigenen Abbau vom Alkohol kommt es zu einer unzureichenden Bereitstellung von Zucker.
Was passiert nun, wenn der Patient in der Klinik ist? Meist kommt der Patient in eine Intensivstation, wo ihm Flüssigkeit über die Venen zugeführt wird. „Das geschieht, um das Blut zu verdünnen. Und da der Alkohol das Vitamin B dem Körper entzieht, wird dies meist gemeinsam mit anderen Aufbaustoffen zugeführt“, sagt Wolfgang Schreiber. Ein stationärer Krankenhausaufenthalt dauert in der Regel je nach der Schwere der Alkoholvergiftung zwölf bis 24 Stunden.
Bei Rockfestivals kommt es mitunter vor, dass Alkoholisierte von selber den bereitgestellten Arzt aufsuchen. „Sie verlangen nach einer Infusion, damit sie dann unbesorgt weiter trinken können“, so der Chefarzt vom Roten Kreuz.
Fotos: ÖRK / Anna Stöcher (1), ÖRK / Markus Hechenberger (2)