Alk-Kabarett für Jugendliche
„Ich spreche in ihrer Sprache“
von Harald Frohnwieser
Josef Burger ist Kabarettist. Schon seit etlichen Jahren. Und hat ein Programm erarbeitet, mit dem er in österreichischen Schulen, Lehrlingsheimen und anderen Einrichtungen für Jugendliche auftritt: „100 Prozent Rauschfrei“ - so der Titel – will unterhalten, will die Kids zum Lachen bringen. Aber nur vorerst. Denn Josef Burger kennt aus eigenen Erfahrungen, wie brutal es ist, wenn man an der Flasche hängt: Der gebürtige Wiener ist ein seit Jahren trockener Alkoholiker und will die Schüler und Lehrlinge aufrütteln. Mit Erfolg. Tausende Jugendliche sahen bisher sein Programm. Fazit: Die meisten waren mehr als betroffen.
Der Turnsaal ist gerammelt voll. An die 100 Schüler rücken ihre Sessel zurecht, tuscheln miteinander. Die Erwartungen sind nicht gerade hochgesteckt. „Das wird wieder einmal ein Blödsinn werden“, raunen die Burschen und Mädchen einander zu. Aber besser als Mathe oder Englisch, immerhin. Als Josef Burger mit seinem Programm beginnt, ändert sich die Stimmung schnell. Der Kabarettist schafft es in nur wenigen Minuten, die Kids zu unterhalten. „Da ich sehr lustig beginne, breche ich gleich mit den oft negativen Erwartungshaltungen“, sagt der Vater eines Sohnes im „Alk-Info“-Gespräch. Burger erzählt Schnurren aus dem Alltagsleben eines Säufers, die die Lachmuskeln seiner Zuhörer gehörig massieren. Doch als Burger, der mittlerweile mit seiner Familie im Burgenland lebt, beginnt über die Alkoholwerbung zu sprechen und wie sie die Konsumenten manipuliert („Die Werbung mit lachenden Trinkern will uns weismachen, dass wir im Vollrausch besonders attraktiv sind“) kippt die Stimmung. „Ich bringe meine eigenen Erfahrungen mit dem Alkohol hinein und dadurch wird es ziemlich ernst“, berichtet er.
Erfahrungen, die alles andere als zum Schenkelklopfen sind. Im Alter von 15 Jahren ging Josef Burger auf die Praktikantenschule der Polizei, die es damals für so junge Bewerber noch gab. Mit 18 war er fertiger Polizist. Und wurde gleich am Wiener Karlsplatz, als Treffpunkt der Junkies berüchtigt, eingesetzt. „Das war ein hartes Pflaster für einen so jungen Menschen“, blickt er zurück. Und erzählt, dass er sich damals angewöhnt hatte, mit den Kollegen nach dem Dienst noch wegzugehen. „Da haben wir nur gejammert, wie arm wir sind. Supervision hat es damals noch nicht gegeben.“ Freilich blieb es nicht beim Jammern. Der Frust wurde mit viel Bier und Wein bekämpft. Sieben Jahre war er dort, eine für ihn prägende Zeit: „Damals hat sich der Alkohol bei mir als Problemlöser eingeschleust, und im Laufe der Jahre ist es halt immer mehr geworden.“
Zittern, schwitzen, Kurzschlafphasen
Den Dienst bei der Wiener Polizei dann quittiert, weil „ich es nicht mehr ausgehalten habe“. Burger besuchte daraufhin eine Filmschule, wollte Drehbuchautor werden, aber die Schule ging nach eineinhalb Jahren pleite. Um sich finanziell über Wasser zu halten wurde der Ex-Polizist Detektiv, Versicherungsmakler und schließlich Personalmanager bei einer Bewachungsfirma. Doch der Alkohol war immer mit dabei. Josef Burger: „Das morgendliche Zittern war extrem. Ich hatte nur noch Kurzschlafphasen, bin jede Nacht mehrmals schweißgebadet aufgewacht. Ich war aber auch ein sogenannter Rauschtrinker. Die letzten zwei Jahre war ich keinen Tag nüchtern.“
Seinen Manager-Job war er irgendwann los, seine Alkoholabhängigkeit ließ sich einfach nicht mehr verbergen. Seine Frau trennt sich von ihm, seine Wohnung war weg – aus Burger war ein Obdachloser geworden, der mehrere Selbstmordversuche hinter sich hatte. „Die waren aber eher Hilfeschreie als ernstgemeint“, analysiert er seinen damaligen Zustand. Zwischendurch gab es ein paar trockene Tage, doch die Rückfälle waren meist vorprogrammiert.
Spiegelbild als Auslöser
Wie hat er es dennoch geschafft, mit dem Saufen aufzuhören? „Auslöser dafür war, als ich mich eines Tages in den Spiegel eines U-Bahn-Klos sah“, blickt er an jenen Tag im Jahr 2002 zurück, der sein Leben verändern sollte, „da habe ich gesehen, wie ich ausschaue. Dann bin ich zum Anton-Proksch-Institut (Anm. Suchtklinik am Stadtrand von Wien) gefahren und habe zum Glück gleich einen ambulanten Therapieplatz bekommen.“ Vor der Klinik stand Burger schon öfter, hinein getraut hatte er sich jedoch nie. Diesmal klappte es. Und man bot ihm sogar einen stationären Therapieplatz an, aber: „Ich halte es nicht aus, wenn ich irgendwo eingesperrt bin. Da wäre ich sicher abgehauen.“ Den körperlichen Entzug brachte er in der Wohnung seiner Mutter hinter sich. Die hat ihn zwar auch eingesperrt, aber das war okay für ihn. „Ich habe tagelang gezittert und geschwitzt“, erinnert er sich.
Josef Burger war bereits eine Zeitlang trocken, seine Frau kehrte zu ihm zurück, und er war viereinhalb Jahre als Jugendbetreuer in einem Lehrlingsheim tätig, als er seine ersten Gehversuche als Kabarettist versuchte. Ein Beruf, der ihm Spaß machte. Eines Tages bekam er eine Auftragsarbeit, für die „Seitenstettener Gesundheitstage“ irgendetwas Lustiges zu machen. „Da habe ich mir gedacht, das einzige, das ich darüber weiß ist, wie man sie zerstört. Deshalb habe ich etwas über den Alkohol geschrieben“, sagt er. Das Programm hätte nur ein Mal aufgeführt werden sollen, aber im Publikum saßen mehrere Ärzte sowie der Drogenbeauftragte des Landes Niederösterreich, der nach der Aufführung zu ihm sagte, dass das Programm auch an Schulen gespielt werden müsste. Anfangs wehrte sich Burger gegen diesen Gedanken, aber es kamen immer mehr Anfragen, denen er schließlich nicht auskam. „Meine Frau, die für die Technik zuständig ist, und ich haben dann gesagt, okay, probieren wir es.“
Altersbeschränkung ab 13
Arbeitsmediziner, Psychologen und Schulinspektoren mussten zunächst überzeugt werden, dass „100 Prozent rauschfrei“ - so der Titel seines Programms – in den Schulen aufgeführt werden darf. „Man hat sich dann auf eine Altersbeschränkung ab 13 Jahren festgelegt. Unter diesem Alter wäre das Programm vielleicht etwas zu derb, wären die Beispiele, die ich bringe, zu krass, aber wenn man die wegließe, wäre der Effekt, den ich erzielen will, wohl weg.“ 45 Minuten dauert das Programm, mit dem er seit 2008 durch Österreich zieht, danach steht Josef Burger für Fragen zur Verfügung. „Da wird zunächst einmal viel persönliches abgefragt“, erzählt er, „die Jugendlichen wollen wissen, wie es meiner Frau und meinem Sohn damit ging, als ich noch getrunken hatte. Und ob ich nie wieder Alkohol trinken darf. Außerdem wollen die Kids wissen, wie man trinkenden Freunden helfen kann. Ob man sich einmischen oder doch besser wegschauen soll. Auch illegale Drogen sind meist ein Thema. Eine Frage kommt immer wieder: Warum ist Marihuana bei uns verboten, Alkohol aber erlaubt“, erzählt Burger aus der Praxis. Die Schüler oder Lehrlinge haben aber auch die Möglichkeit, ihre Fragen per e-Mail an ihn zu richten. Da werden dann Fragen gestellt, die man vor den Mitschülern nicht stellen wird: „Zum Beispiel oft gefragt was man tun kann, wenn ein Elternteil trinkt.“
Vermittler, kein Therapeut
Josef Burger beantwortet jede Frage. Und löscht danach alle Daten. Als Therapeut sieht er sich allerdings nicht: „Das dürfte ich auch gar nicht, weil ich keine diesbezügliche Ausbildung habe. Ich geben den jungen Fragestellern einfach meine Erfahrungen weiter und bestärke sie darin, eine Beratungsstelle aufzusuchen. Was in den meisten Fällen auch angenommen wird.“ Und weiter: „Ich sehe mich als ein Vermittler.“
Mit seinem Programm tritt er im Jahr etwa 70 Mal auf. In Haupt- und Mittelschulen, in Gymnasien, in berufsbildenden Schulen (HAK, HTL etc.), in Betrieben oder in Lehrlingsheimen. Es sind meist Eltern, Direktoren oder engagierte Lehrer, die ihn zu einem Auftritt in ihrer Schule, in ein Lehrlingsheim oder in eine Lehrwerkstätte einladen. Burger tritt aber auch in Caritas-Heimen vor Obdachlosen auf: „Hier geht es aber nicht mehr, so wie bei den Jugendlichen, um Prävention, sondern um Motivation.“ Die Reaktion der Gestrandeten ist großteils positiv: „Die sind ganz gerührt und freuen sich enorm, dass sich jemand um sie bemüht.“
Wie geht es ihm dabei, wenn er beruflich immer wieder über die Gefahren jenes Stoffes aufklärt, der ihn an den Rand des Ruin brachte? „Ich habe natürlich auch abgetestet wie ich mich dabei fühle, weil es doch eine sehr starke Konfrontation mit meiner alkoholbedingten Vergangenheit ist. Aber es passt schon, ich kann ganz gut das Berufliche vom Privaten trennen.“
Worin sieht er seinen Erfolg begründet? „Die jugendlichen Zuhörern nehmen mir ab, was ich ihnen erzähle. Sie wissen, dass ich weiß, wovon ich spreche“, sagt er. Nachsatz: „Und ich spreche in ihrer Sprache und nicht in einem künstlichen Theaterdeutsch.“
Creative Adventure – Josef Burger
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Foto: Josef Burger (1)