Oktober 2020

Schweiz: Jugendliche trinken in Pandemie mehr Alkohol

„Die Coronavirus-Pandemie schlägt aufs Gemüt, besonders bei jungen Menschen“, stellt die Chefärztin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Unispitals Zürich, Dagmar Pauli, fest. Die Medizinerin berichtet, dass sich viele junge Menschen viel zu spät Hilfe holen, wenn es ihnen psychisch schlecht geht, oft erst nach vielen Monaten. Die Zeit bis dahin überbrücken viele mit einer Flucht in Alkohol, Drogen oder in die sozialen Netzwerke. Auch Selbstverletzungen haben zugenommen.
An erster Stelle steht freilich der Griff zur Flasche. Pauli: „Riskanter Alkoholkonsum ist gerade unter denen, die eigentlich Hilfe benötigen, stark verbreitet.“ Und weiter: „Gerade bei Angststörungen oder depressiven Verstimmungen können Alkohol und Drogen kurzfristig Gefühle betäuben und Ängste reduzieren. Doch wer konsumiert, braucht bald eine immer höhere Dosis, um sich zu betäuben, was gerade bei Jugendlichen mit psychischen Störungen bald zu einer Sucht führt.“
Ein Grund dieser Ängste ist eine mögliche Aussicht, nicht mehr arbeiten zu können und eine IV, also Invalidenrente, beziehen zu müssen. Nicht ohne Grund: Die Anzahl der IV-Bezieher ist in den letzten zehn Jahren um 20 Prozent gestiegen, größtenteils wegen psychischer Krankheiten. Eine frühe Behandlung könnte hier Abhilfe schaffen.
Da immer mehr Kinder und Jugendliche im Unispital Hilfe suchen, hat Chefärztin Pauli ihr Team aufgestockt. Bis Ende des Jahres, so rechnet sie vor, werden sie und ihre Mitarbeiter 2300 telefonische Notfälle und mehr als 900 Notfälle vor Ort betreut haben, was natürlich Auswirkungen hat: „Für nicht akute Fälle haben wir leider eine bis zu sechs Monate lange Wartezeit“, zeigt sich Dagmar Pauli betroffen.