Ludwig van Beethoven war Alkoholiker:
Eine Ode an den Wein

von Harald Frohnwieser

Neben Wolfgang Amadeus Mozart gilt er als das Musikgenie schlechthin. Er verdiente schon zu Lebzeiten mehr als jeder andere Künstler seiner Zeit, war oft ein unbequemer Zeitgenosse, entzog Napoleon, als sich dieser selbst zum Kaiser krönte, die Widmung für die 3. Sinfonie („Eroica“) und seine 9. Sinfonie („Ode an die Freude“) komponierte er in völliger Taubheit. Doch Ludwig van Beethoven, 1770 in Bonn, Deutschland, geboren, war auch ein Alkoholiker, der 1827 im Alter von nur 56 Jahren in Wien an Leberzirrhose und Bleivergiftung verstarb.

Ein Porträt Beethovens mit der Partitur zur Missa Solemnis aus dem Jahr 1820 von Joseph Karl StielerZwei Tage vor seinem Tod klopfte es an der Tür seiner Wohnung im 9. Wiener Gemeindebezirk. Ein Weinhändler brachte Ludwig van Beethoven, der aufgrund einer schweren Lungenentzündung mit hohem Fieber im Bett lag, mehrere Flaschen Wein. „Schade, schade, zu spät“, kommentierte der Komponist noch, dann fiel er wieder in einen tiefen Schlaf, aus dem er nie mehr erwachen sollte. Beethovens letzte Worte gehörten somit dem Alkohol, der ihn schließlich mit nur 56 Jahren das Leben kostete. Bei der Obduktion des Leichnams stellte sich heraus, dass eines der größten Musikgenies, das die Welt je hervorbrachte, an Leberzirrhose und Bleivergiftung starb. Der Assistenzarzt Johann Wagner hielt später schriftlich fest: „Die Leber erscheint auf die Hälfte ihres Volumens zusammengeschrumpft, lederartig fest, grünlichblau gefärbt und an ihrer höckerigen Oberfläche, sowie an ihrer Substanz mit bohnengroßen Knoten durchwebt.“ Was kein Wunder war, Beethoven trank täglich mehrere Flaschen Wein, alleine zum Essen konsumierte er eine Flasche. Das Alkoholverbot, das ihm seine Ärzte auferlegten, ignorierte er beharrlich.
Ludwig van Beethoven musste schon früh unliebsame Erfahrungen mit dem Alkohol machen. Er wurde in eine Musikerfamilie hineingeboren. Der Großvater war Musiker so wie Beethovens Vater Johann auch. Doch dessen Karriere kam nicht voran, da er mehr und mehr dem Alkohol zusprach. Schon als Junge mit elf Jahren flüchtete Ludwig nicht selten vor seinem betrunkenen Vater, der oft gewalttätig wurde, wenn er trank, in ein nahegelegenes Wirtshaus. Der Vater war es auch, der das musikalische Talent seines Sohnes früh erkannte. Schon mit vier Jahren musste der kleine Ludwig auf einem Stuhl stehend Klavier spielen. Nicht selten wurde der Bub von seinem betrunkenen Vater nachts aus dem Bett gezerrt, um zu üben. Als Ludwig zwölf Jahre alt war, hatte der Vater die Familie finanziell ruiniert, Ludwig musste dazuverdienen, damit sich alle über Wasser halten konnten. Zunächst als Gehilfe seines Lehrers, dann bekam er als kurfürstlicher Hilfsorganist ein Monatsgehalt von 150 Gulden.
Von Joseph Haydn nach Wien geholt
Mit 17 ging Beethoven nach Wien, um bei Wolfgang Amadeus Mozart zu studieren, doch er musste schnell wieder zurück nach Bonn, da seine Mutter todkrank war und kurz nach seiner Rückkehr verstarb. Zuvor hatte Mozart dem Jugendlichen eine große Musikkarriere vorausgesagt. Wieder musste Beethoven die Familie versorgen, auf seinen Vater konnte er nicht mehr zählen, da dieser dem Alkohol endgültig verfallen war.
Es war der österreichische Komponist Joseph Haydn, der vom außergewöhnlichen musikalischen Talent des jungen Deutschen erfuhr und ihn 1792 nach Wien einlud. Beethoven nahm das Angebot an und kehrte seiner Heimatstadt Bonn für immer den Rücken. In Wien des beginnenden 18. Jahrhunderts wartete man nur auf ein neues Musikgenie, das nach Mozarts Tod im Jahre 1791 dessen Platz einnehmen konnte. Beethoven machte schnell Karriere und bekam für seine Kompositionen und seinen Unterricht das, was er verlangte. So kam er schnell zu Reichtum und verdiente mehr, als jeder andere Künstler seiner Zeit.
Schicksalssinfonie
Das Glück sollte freilich nicht lange anhalten. Schon im Alter von 26 Jahren merkte der Komponist, dass sein Gehör schwächer wurde. 1802 verfiel Beethoven in eine tiefe Depression aufgrund seiner immer stärker werdenden Taubheit. In seinem nach seinem Tod veröffentlichten „Heiligenstädter Testament“ (Heiligenstadt ist ein Stadtteil von Wien. Beethoven lebte für einige Zeit hier. Anm.) beschrieb er ergreifend seine Krankheit, seine dadurch erzwungene Isolation und seine Selbstmordgedanken. „Nur die Kunst, die hält mich zurück“, erklärte er, warum er nicht freiwillig aus dem Leben schied. Beethoven wurde immer mehr zu einem Misanthropen, der als launisch und zänkisch galt. Aber auch als Rebell. Immerhin entzog er wütend Napoleon, den er anfangs bewunderte, die Widmung zu seiner 3. Sinfonie („Eroica“), nachdem sich dieser selbst zum Kaiser gekrönt hatte.
In dieser Zeit lernte Ludwig van Beethoven neben zahlreichen anderen berühmten Persönlichkeiten auch den deutschen Dichterfürsten Wolfgang von Goethe kennen, der später an einen Freund schrieb: „Beethoven habe ich in Teplitz kennengelernt. Sein Talent hat mich in Erstaunen gesetzt; allein er ist leider eine ganz ungebändigte Persönlichkeit, die zwar gar nicht unrecht hat, wenn sie die Welt detestabel findet, aber sie freilich dadurch weder für sich noch für andre genußreicher macht. Sehr zu entschuldigen ist er hingegen und sehr zu bedauern, da ihn sein Gehör verläßt, was vielleicht dem musikalischen Teil seines Wesens weniger als dem geselligen schadet. Er, der ohnehin lakonischer Natur ist, wird es nun doppelt durch diesen Mangel.“
„Schenk ein, mein guter Junge!“
Vier Sinfonien hatte Beethoven bereits komponiert, als er 1808 seine 5. Sinfonie uraufführte. Über die berühmten wuchtigen Anfangstöne soll er gesagt haben: „So pocht das Schicksal an die Pforte“. Doch der geniale Komponist komponierte nicht nur Sinfonien, er schrieb auch, neben der wuchtigen Messe „Missa solemnis“ und einer Oper („Fidelio“) auch scherzhafte Tänze und Lieder. Eines davon war das „Trinklied“ in dem es u. a. heißt „Schenk' ein, mein guter Junge, schenk hoch, hoch guter Junge! Nun singt mit fröhlicher Zunge, und leeret noch ein Fläschchen mehr“. Eine Ode an den Wein, sozusagen.
Apropos Ode. Das Musikgenie Beethoven schrieb in völliger Taubheit seine berühmte 9. Sinfonie, in der er auch Passagen von Friedrich von Schillers Ode „An die Freude“ einbaute und die heute als „Europahymne“ bei allen öffentlichen Anlässen der Europäischen Union zu hören ist. Bei der Uraufführung, die Beethoven selbst dirigierte, musste man ihn umdrehen, damit er das applaudierende Publikum sehen konnte. Hören konnte er es nicht mehr.
Ehrengrab am Zentralfriedhof
Kurz vor seinem Tod erkrankte der Meister an einer schweren Lungenentzündung, seine letzten beiden Tage verbrachte er im Koma. Ludwig van Beethoven verstarb am 26. März 1827 in Wien an einer Bleivergiftung, wie bei der Obduktion festgestellt wurde. Schuld daran war der Wein, den er so gerne trank. Oder trinken musste. Wein wurde zur damaligen Zeit gerne mit Bleiverbindungen versetzt, um ihn zu „schönen“, wie es damals hieß. Der gebürtige Deutsche, den die Österreicher so gerne zu einem der ihren machen, wurde drei Tage nach seinem Tod am Währinger Friedhof im heutigen 18. Wiener Gemeindebezirk bestattet. 20.000 Menschen folgten dem Trauerzug, die Schulen waren geschlossen. Beethoven Leichnam wurde zwei Mal exhumiert: 1863, um die Gebeine zu vermessen und 1888, um sein Skelett auf den Ehrenhain des berühmten Wiener Zentralfriedhofes umzubetten. Auch dieser Zeremonie wohnten Tausende bei.
Ludwig van Beethoven komponierte nicht annähernd so viel wie Mozart, von ihm gibt es keine Puppen oder mit Marzipan gefüllten Schokoladekugeln, aber von ihm weiß man wenigstens wo genau er bestattet ist. Mozart hingegen wurde auf dem St. Marxer Friedhof in Wien-Erdberg irgendwo in einem Massengrab still und heimlich verscharrt.

Foto: commons.wikimedia.org / Beethoven-Haus Bonn (1)