Schwerpunktwoche Alkohol in Deutschland und Österreich
„Weniger ist besser!“ oder „Wie viel ist zu viel?“

von Harald Frohnwieser

Mitglieder von Selbsthilfegruppen, Vertreter von Suchtkliniken und Beratungsstellen, Ärzte, Apotheker und Menschen, die in Vereinen oder Kirchen tätig sind: Tausende Engagierte waren auch diesmal wieder mit dabei, als in Deutschland zum sechsten Mal die „Aktionswoche Alkohol“ vom 13. bis 21. Mai 2017 über das ganze Bundesgebiet verteilt unter dem Motto „Alkohol? Weniger ist besser“ über die Bühne ging. Die Aktionswoche findet alle zwei Jahre statt. Egal ob in Betrieben, Arztpraxen, Apotheken, Sportplätzen, Einkaufszentren, Fußgängerzonen oder in Schulen und Universitäten, das Suchtmittel Nummer eins, der Alkohol, wurde wieder einmal zum Thema gemacht. Dabei ging es nicht darum, den Alkohol zu verteufeln, sondern für einen verantwortungsvollen Umgang damit zu plädieren. Auch in der Schweiz und in Luxemburg gab es zum selben Zeitpunkt diese Schwerpunktwoche. Zum ersten Mal mit dabei war diesmal auch Österreich, wo die „Dialogwoche Alkohol“, wie sie hier hieß, unter dem Motto „Wie viel ist zu viel?“ steht.

90 Prozent der Bevölkerung trinkt Alkohol. In Deutschland ebenso wie in Österreich. Was für viele Menschen Genuss und Entspannung bedeutet, heißt für andere wiederum ein Abgleiten in die Sucht und ins Elend. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), die die „Aktionswoche Alkohol“ ins Leben gerufen hat und alle zwei Jahre veranstaltet, unterstützt alle, die hier mitmachen, mit Infomaterial und Plakate. „Es freut uns ganz besonders, dass immer mehr Betriebe bei der Aktionswoche mitmachen“, zeigt sich DHS-Mitarbeiterin Christina Rummel vom Referat für Grundsatzfragen im Gespräch mit „Alk-Info“ erfreut, „wobei das alles sehr unbürokratisch über die Bühne geht. Man braucht sich über unsere Homepage nur anmelden und das Infomaterial bestellen.“ 2015 haben, so Rummel, besonders viele Veranstalter mitgemacht. „Es waren mehr als 1.200, wir haben so viele Materialien wie noch nie ausgegeben“, sagt die Referentin, die im Gespräch auch betont, dass bei der aktuellen Woche dafür plädiert wurde, dass am Arbeitsplatz und im Straßenverkehr zur Gänze auf Alkohol verzichtet werden soll: „Bei der Arbeit und auf der Straße sind wir ganz klar für Null Promille.“
Nicht nur Süchtige sollen angesprochen werden
Dr. Raphael Gaßmann, Geschäftsführer der DHS, wollte selbstverständlich mit der „Aktionswoche Alkohol“ möglichst viele Menschen erreichen: „Wir wollen damit all jene erreichen, die für das Thema ein Interesse haben,sei es grundsätzlicher Art, sei es als Betroffener oder als Angehöriger.“ Hieß die Aktionswoche zu Beginn noch „Suchtwoche“, hat man sich jedoch bald entschlossen, sie umzubenennen. „Wir haben rasch das Konzept und den Namen geändert, weil wir nicht nur Süchtige ansprechen wollen. Der Alkohol soll dadurch ein realistisches Image erhalten und wir wollen auch jene erreichen, die keinen oder nur wenig Alkohol trinken“, sagt Gaßmann.
Aktiv auf die Menschen zugehen
Die Idee zu der Aktionswoche kam ursprünglich aus den USA. „Dort heißt die Aktion ,Alcohol Screening Days', wurde vor mehr als zehn Jahren erstmals durchgeführt. Es gab vor allem Alkoholtests in der Öffentlichkeit. Nun sind die USA ein Land mit einem anderen Verhältnis zu Drogen und Suchtmittel und es gibt dort eine ziemlich andere soziale Einstellung zu diesen Dingen. Wir haben diese Aktion daher nicht einfach übernommen sondern es war ein Anlass für uns zu überlegen, was wir in Deutschland machen können jenseits von Plakataktionen und Kinospots“, erzählt der Geschäftsführer über die Hintergründe. Von Anfang an war es der DHS wichtig, persönlichen Kontakt zu den Bürgern aufzubauen. Raphael Gaßmann: „Wir wollten das von Mensch zu Mensch machen wo man aktiv auf die Bevölkerung zugeht und über das Thema Alkohol ins Gespräch kommt. Das war unser Ausgangspunkt.“
Die Aktionswoche wird es auch weiterhin geben
Was wünschte er sich für das Gelingen vor der Aktionswoche? Dazu der Suchtexperte: „Was wir uns wünschen ist eine große Bereitschaft und ein Interesse für das Thema Alkohol und für die Botschaft ,Alkohol – weniger ist besser'. Und wir wünschen uns, dass die vielen ehrenamtlichen Aktiven von uns einen guten Rahmen bekommen in dem sie gut arbeiten können. Und wir wünschen uns eine unvoreingenommene Herangehensweise an das Thema in der Politik und in den Medien.“ Dass es die Aktionswoche auch weiterhin alle zwei Jahre geben wird, davon ist Gaßmann überzeugt, denn: „Das Thema schlägt international seine Kreise und so wird die Aktionswoche mit einem immer weiter entwickelten Konzept in den nächsten Jahre auch weiterhin für Aufregung sorgen.“
Dialogwoche Alkohol in Österreich
Eine Aufregung, die man sich auch in Österreich wünschte. Veranstaltet von der „Österreichischen ARGEÖsterreichische Dialogwoche Alkohol mit dem Motto „Wie viel ist zu viel?“ Suchtvorbeugung“ in Linz, fand in der Alpenrepublik die „Dialogwoche Alkohol“, wie sie hier heißt, vom 13. bis 21. Mai 2017 zum ersten Mal statt. Im „Alk-Info“-Gespräch umriss Obmann Christoph Lagemann, wer bei der Aktionswoche dabei sein kann: „Es können alle Einrichtungen mitmachen, die sich mit dem Thema Alkohol auseinandersetzen, vorausgesetzt, sie unterstützen unsere Ziele und treten für einen verantwortungsbewussten Umgang mit dem Alkohol ein und sind nicht moralisierend.“ Dass es in allen Bundesländern Veranstaltungen zu diesem Thema gibt, freut Lagemann: „Wir können erstmals eine breitere Gesellschaftsschicht ansprechen und haben, auch wenn unsere finanziellen Mittel doch etwas bescheiden sind, mit wenig Geld viel erreicht.“
In Österreich keine flächendeckende Prävention
Im Zentrum der Dialogwoche Alkohol, die unter dem Motto „Wie viel ist zu viel – Reden wir darüber!“ stand, gab es zahlreiche Veranstaltungen: Podiumsdiskussionen ebenso wie Informationsveranstaltungen, Vorträge, Workshops mit Rauschbrillen, Sprechstunden und Tage der offenen Tür in Beratungseinrichtungen. „Ein Verantwortungsvoller Umgang mit Alkohol will gelernt sein. Die erwachsene Gesellschaft hat hier eine große Verantwortung – ihre Vorbildwirkung und Haltung spielen eine wichtige Rolle in der Prävention“, ist Lagemann überzeugt. Und weiter: „Das Problem beim Alkohol ist ja, solange man ,normal' trinkt, ist man ein fescher Kerl, aber wenn einer ein Problem bekommt, dann tut man so, als ob diesChristoph Lagemann, Obmann des Österreichischen ARGE Suchtvorbeugung vom heiteren Himmel kommen würde.“ Und weiter: „Insgesamt wird der Alkohol in den Medien viel zu positiv dargestellt.“ Deshalb ist dem Obmann wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass Alkohol auch süchtig machen kann, ohne ihn zu verteufeln oder gar verbieten zu wollen. „Wir sind in Österreich leider weit weg von einer flächendeckenden Prävention. Auch wird der Alkohol in den Medien leider immer noch viel zu positiv dargestellt“, bedauert Lagemann die Tatsache, dass seitens der Sozial- und Gesundheitspolitik viel zu wenig unternommen wird, damit weniger Menschen an einer Alkoholabhängigkeit erkranken.
„Ein erster Schritt: Reden wir darüber“
Anregung hatte sich die Österreichische ARGE Suchtvorbeugung von den Nachbarn geholt: „Wir haben natürlich mitbekommen, dass es in Deutschland und in der Schweiz so eine Woche schon länger mit großem Erfolg gibt und haben uns gedacht, dass wir so etwas auch bei uns in Österreich haben wollen.“

Was die Dialogwoche Alkohol erreichen will, ist klar definiert:

* Der Informationsstand in der Bevölkerung soll erhöht werden

* Aufklärung über Mythen rund um das Thema Alkohol

* Vermittlung von Tipps für einen weniger schädlichen Konsum und zur Senkung des problematischen und risikoreichen Alkoholkonsums

* Menschen, die wenig oder gar keinen Alkohol trinken, bestärken und unterstützen

* Angebote der Beratung, Behandlung und Betreuung vorstellen

* Bereitschaft zu einer sachlichen Diskussion über Alkohol initiieren

Die ehemalige Österreichs Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner fasste den Hintergrund der Dialogwoche klar zusammen: „Laut Erhebungen sind in Österreich etwa 370.000 Menschen alkoholkrank und dadurch einem erheblichen Gesundheitsrisiko ausgesetzt – auch für ihr Umfeld kann das belastend sein. Ein erster Schritt: Reden wir darüber.“

Deutsche Aktionswoche Alkohol
Web-Adresse: www.aktionswoche-alkohol.de

Österreichische Dialogwoche Alkohol
Web-Adresse: www.dialogwoche-alkohol.at

Foto: Institut Suchtprävention / Johannes Hloch (1) Logos: Institut Suchtprävention (1)