Alkoholentzug ohne Glamour:
Suchtklinik der Hollywoodstars

von Harald Frohnwieser

Als Gattin des ehemaligen US-Präsidenten Gerald Ford führte sie ein Leben in der Öffentlichkeit. Doch die Leere, die sie an der Seite ihres Mannes umgab, war zu groß: Betty Ford wurde zur Alkoholikerin. Als sie mit dem Trinken aufgehört hatte, gründete die 2011 Verstorbene in Kalifornien eine Klinik, die bekannt dafür ist, dass sich hier Hollywoodstars von ihrer Sucht befreien wollen. Mit mehr oder weniger großem Erfolg.

Sie leben normalerweise in Luxusvillen am Strand von Malibu, haben Bedienstete, die ihnen jeden Wunsch von den Augen ablesen und wenn sie am Set sind, genießen sie ohnehin einen Sonderstatus. Doch wenn nach einem Leben voll von Partys und Drinks die Entzugserscheinungen zu groß geworden sind, wenn sie ihrer Arbeit nicht mehr nachkommen können und Dreharbeiten oder Tourneen schmeißen, suchen sie zwecks Therapie eine Klinik auf. Und hier erinnert die Hausordnung eher an ein Straflager als an eine Klinik. Fernsehen ist in den Doppel- und Vierbettzimmern ebenso tabu wie telefonieren. Und: Die Zimmer werden nicht von Putzfrauen gereinigt sondern von den Patienten selbst. Auch in der Kantine gibt es niemanden, der einen bedient, das müssen all jene, die sich hier zur Therapie einstellen, schon selber tun, Besuche dürfen nur an Sonntagen empfangen werden.
Betty Ford im Oktober 1974Dennoch liest sich die Patientenliste der Betty-Ford-Klinik in Kalifornien wie das „Who is Who“ von Hollywood. David Hasselhoff war hier so wie Lindsay Lohan, Johnny Cash, Ozzy Osbourne, Tony Curtis oder Liza Minnelli: Sie alle haben mehr oder weniger erfolgreich versucht, von ihrer Alkohol-, Drogen- oder Tablettensucht loszukommen. Die am 8. Juli 2011 im Alter von 93 Jahren verstorbene Gründerin und Namensgeberin der Klinik war die Gattin von Gerald Ford, der 1974 das Präsidentenamt von Richard Nixon erbte und bis 1977 im Weißen Haus in Washington residierte.
Einsam, verloren, minderwertig
Fords Gattin Betty wusste, was es heißt, süchtig zu sein. „Ich wurde als Alkoholikerin geboren“, sagte die Tochter eines alkoholabhängigen Handelsvertreter über sich selbst. Und gab auch bereitwillig Auskunft darüber, wie es mit ihrer Alkoholabhängigkeit anfing. „Je wichtiger mein Mann wurde, desto unwichtiger fühlte ich mich. Ich kam mir oft einsam, verloren und minderwertig vor“, bekannte sie in ihrer 1978 veröffentlichten Biografie „The Times of My Life“. Eine innere Leere, die sie immer öfter zur Flasche greifen ließ. Dazu kam, dass sie aufgrund ihrer Nervenschmerzen starke Medikamente bekam, von denen sie schnell abhängig wurde. „Ein Teil meines Leidens, das ich auszulöschen versuchte, war aber emotional“, war ihr später bewusst. Und: „Ich bereitete meinen langsamen Selbstmord vor.“
Ihr seid alle Monster
Als sie von Freunden auf ihren Alkoholkonsum angesprochen wurde, reagierte Betty Ford so, wie fast alle Alkoholiker auch – sie spielte ihr Problem hinunter. „Ich trinke in Maßen und sehr kontrolliert“, sagte die ehemalige Tänzerin und Tochter eines Alkoholikers. Auch einer ihrer Brüder griff regelmäßig zur Flasche. Doch ihr Mann und ihre Familie ließen nicht locker und zwangen sie zu einer Ausnüchterungskur. „Ihr seid alle Monster“, soll sie angeblich geschrien haben. Erst als sie nach 896 Tagen nach Gerald Fords verlorener Wahl ausBetty und Gerald Ford dem Weißen Haus ausziehen musste, bekam sie ihre Alkohol- und Tablettensucht in den Griff. Damals sagte ihr Mann die unmissverständlichen Worte zu ihr: „Du bist nicht mehr die Frau, die ich geheiratet habe. Und wegen deiner Trinkerei bekommen wir fast gar keine Besuche mehr.“ Das saß.
In Meetings der Anonymen Alkoholiker (AA) lernte sie, sich ihren Problemen zu stellen. 1982 war es dann so weit: Gemeinsam mit dem ehemaligen US-Botschafter in China, Leonard Firestone, der ebenfalls an Alkoholismus erkrankt war, gründete sie die „Betty-Ford-Clinic“ in Kalifornien – und schon bald gaben sich hier die Promis – Schauspieler, Sportler, Politiker – die Türschnallen in die Hand. Die Sängerin und Schauspielerin Liza Minnelli („Cabaret“, „New York, New York“) über die Beweggründe ihres Therapie-aufenthalts: „Es passierte etwas in meinem Leben, was nie zuvor passiert ist – ich musste meine Auftritte absagen, weil ich mich so elend fühlte.“ Dass Minnelli selber putzen musste, störte sie nicht: „Das ist eben Teil der Therapie. Das ist kein Society-Platz zum Austrocknen, wo man den ganzen Tag nur am Pool sitzt.“ Und wer gleich nach dem Einchecken ein Einzelzimmer will, wird mit Sicherheit in einem Vierbettzimmer untergebracht. Extrawürste gibt es hier für niemanden.
Keine Extrawürste
Auch die einstmals schönste Diva Hollywoods, Liz Taylor, versuchte, in der Betty-Ford-Klinik vom Alkohol loszukommen. Ein Mitpatient verriet später einem Klatschmagazin: „Liz musste so lange den Müll zum Abfall tragen, bis sie aufgrund ihrer starken Rückenschmerzen nicht mehr konnte.“ Die harte Arbeit ist freilich nur ein Teil der Therapie. Ein anderer ist das regelmäßige Gruppengespräch, wo schmerzhafte Erfahrungen frei gesetzt werden. Dazu Liza Minnelli: „Es ist eine Suche nach dir selbst.“ Die Gruppe provoziert, sie stabilisiert. Gedanken, Zweifel, Selbstverachtung und Unsicherheiten werden diskutiert und in Tagebüchern festgehalten. In der letzten Behandlungswoche nimmt dann die Familie des Kranken an der Therapie teil. Eine Therapie, die durchaus Erfolge aufweisen kann.
So wurde Bill Carter, Bruder von US-Präsident Jimmy Carter, der von Gerald Ford das Präsidentenamt beerbte,Betty Ford Center in Kalifornien in der Klinik vom süchtigen Biertrinker zum genesend Alkoholiker. „Betty Ford hat ein Beispiel gesetzt, sie ist zu einer Leitfigur geworden“, sagte er später. Freilich, nicht nur Prominente lassen sich in der Klinik behandeln, auch ganz gewöhnliche Menschen wie Stewardessen, Arbeiter, Bauern oder Hausfrauen oder Manager versuchen hier, ihre Krankheit in den Griff zu bekommen. Billig ist ein stationärer Aufenthalt in der kalifornischen Klinik nicht. Wer das Geld dafür hat, legt für 90 Tage 53.000 Dollar auf den Tisch. Kliniken, die den Namen von Betty Ford tragen, gibt es mittlerweile auch in anderen Staaten. Im deutschen Bad Brückenau ist eine davon.
Betty Ford selbst kam zu ihren Lebzeiten regelmäßig in „ihre“ Klinik, um den Patienten von ihrem eigenen schmerzvollen Weg in und aus der Sucht zu erzählen. Auch ihr Partner Leonard Firestone berichtete immer wieder von seinem Leid. „Es gab eine Phase in meinem Leben, wo ich nicht mehr wusste, ob es Morgen oder Abend, ob es Montag oder Freitag war. Trotzdem bin ich aus dem Elend raus gekommen.“
Auch Liz Taylor entkam dem Elend. Als sie nach einem Jahr ohne Alkohol von der Klinik eine Urkunde erhielt, sagte sie voller Glück: „Das ist die schönste Auszeichnung, die ich je erhalten habe…“

Fotos: United States Library of Congress's Prints and Photographs division (2) hazeldenbettyford.org (1)