Keinen Alkohol in der Fastenzeit
„Wer feiert kann auch fasten…“
von Harald Frohnwieser
Wenig oder gar kein Fleisch, keine Zigaretten, keine Süßigkeiten – und keinen Alkohol. Für die Fastenzeit nehmen sich laut einer aktuellen Umfrage 19 Prozent aller Deutschen vor, auf etwas verzichten zu wollen, 70 Prozent davon gaben an, bis zu Ostern auf Bier, Wein und Co. ganz zu verzichten. 56 Prozent von ihnen sind zudem der Ansicht, dass sich der zeitlich begrenzte Alkoholverzicht positiv auf die Gesundheit auswirkt. Die Zahlen in Österreich und in der Schweiz dürften ähnlich sein. Aber: Ist ein siebenwöchiger Verzicht auf Alkohol sinnvoll, wenn man danach wieder wie gehabt weiter trinkt? Und: Was bringt der Alkoholverzicht in der Fastenzeit dem Körper wirklich? Kann sich die Leber, können sich die Gehirnzellen in nur wenigen Wochen tatsächlich regenerieren? Lesen Sie hier, was namhafte Experten dazu sagen.
„In der Fastenzeit sieben Wochen lang auf Alkohol zu verzichten ist besser als nichts, aber nicht ausreichend“, übt sich Prof. Dr. Ulrich Preuß, Leiter der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Herbornund zugleich stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin, in Zurückhaltung, wenn es darum geht, den Alkohol sieben Wochen (in Österreich sind es traditionell 40 Tage) lang stehen zu lassen. Doch wer das restliche Jahr lang regelmäßig Alkohol trinkt, der wird mit seiner trockenen Fastenkur keine nachhaltigen Effekte erzielen können. „Wahrscheinlich werden in diesem Zeitraum (Fastenzeit, Anm.) die Leberwerte und das allgemeine Wohlbefinden besser, aber das gibt sich schnell wieder, sobald man zu den alten Gewohnheiten zurückkehrt“, weiß der Suchtmediziner aus seiner langjährigen beruflichen Erfahrung. Ulrich Preuß rät daher, sein bisheriges Konsumverhalten bezüglich des Alkohols zu überdenken und plädiert für ein risikoarmes Trinken während des ganzen Jahres. Was wiederum bedeutet, dass Frauen nicht mehr als 14 Gramm reinen Alkohol zu sich nehmen sollten, bei Männern liegt die Obergrenze bei der doppelten Menge. Im Klartext: Das entspricht etwa einem Glas Bier für Frauen und zwei für Männer.
Zwei alkoholfreie Tage pro Woche
Die deutsche Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) stößt ins selbe Horn und empfiehlt ebenfalls, das ganze Jahr über vernünftig mit dem Alkohol umzugehen. Dennoch kann man dem Alkoholfasten auch Positives abgewinnen: „Der zeitweilige Verzicht auf Alkohol kann vor allem für junge Menschen eine gute Gelegenheit sein, zu prüfen, wie sehr sie sich schon an einen regelmäßigen Konsum gewöhnt haben“, steht auf ihrer Internetseite. Und weiter: „Die meisten jungen Erwachsenen trinken Alkohol zwar in risikoarmen Mengen, ein Teil von ihnen konsumiert jedoch nach wie vor zu viel. Jeder zweite 18- bis 25-Jährige betrinkt sich laut einer aktuellen BzgA-Studie mindestens einmal monatlich, jeder fünfte dieser Altersgruppe sogar viermal oder häufiger im Monat. Doch Rauschtrinken schädigt auf Dauer die Gesundheit – vor allem das Gehirn – und erhöht die Unfallgefahr erheblich.“ Dem BZgA ist auch das tägliche Glas Bier für Frauen und die täglichen zwei Gläser für Männer zu viel: „Doch auch wer die Grenzwerte für risikoarmes Alkoholtrinken einhält läuft in Gefahr, sich an den regelmäßigen Konsum zu gewöhnen. Daher sollten mindestens zwei alkoholfreie Tage in der Woche eingehalten werden. Hin und wieder ist es zudem ratsam, eine längere Pause einzulegen.“
Gewichtsverlust
Dennoch hat ein mehrwöchiger Verzicht auf Alkohol auch seine Vorteile. Alkohol ist ein Dickmacher, nicht nur aufgrund der vielen Kalorien, die darin enthalten sind, es wird auch der Fettstoffwechsel gebremst und man bekommt einen gesteigerten Appetit. So haben Wissenschaftler herausgefunden, dass man 15 Minuten lang Staubsaugen müsste, um nur ein einziges Glas Rotwein abzutrainieren. Ein anderes Beispiel: Ein Glas Bier entspricht etwa sechs Stück Vollmilchschokolade. Um diese Kalorienmenge wieder zu verbrennen, müsste man 20 Minuten mit dem Rad fahren oder einen 45-minütigen Spaziergang machen. Wer zumindest für einige Wochen auf den Alkohol verzichtet nimmt ab und trinkt danach vielleicht weniger, um nicht wieder an Kilos zuzulegen.
Leber und Nervenzellen im Gehirn
Auch die Leber kann sich ein wenig von den täglichen Strapazen, die ihr vom regelmäßigen Alkoholkonsum zugemutet werden, erholen. So ist Dr. Tom Bschor, Chefarzt der psychiatrischen Abteilung in der Berliner Schlosspark-Klinik, der Ansicht, dass sich die Leber in der Fastenzeit zwar erholen kann, aber nur dann, wenn sie noch keine bleibenden Schäden durch Alkoholexzesse davon getragen hat. Was die Nervenzellen des Gehirns betrifft, kann Bschorr freilich keine Entwarnung geben – das Gehirn kann sich auch durch einen zeitweiligen Alkoholverzicht nicht mehr vollständig regenerieren.
Alkoholfasten hilft Geld sparen
In Großbritannien setzt man schon seit geraumer Zeit auf den sogenannten „Dry January“. Gemeint damit ist, dass die Briten dazu aufgerufen werden, nach den Silvesterfeiern bis zum 1. Februar eine Alkoholpause einzulegen. Diese Kurzzeitabstinenz hat sich immerhin auf 80 Prozent der Teilnehmer, die der Aufforderung Folge leisteten, positiv ausgewirkt. Sie gaben an, dass sie sich dadurch vor allem sehr viel Geld gespart haben, 60 Prozent teilten mit, dass sie besser geschlafen haben und die Hälfte der Befragten konnte eine deutliche Gewichtsreduzierung feststellen. Und das besonders Erfreuliche daran: Immerhin acht Prozent wurden 2015 durch den „Dry January“ ganz trocken. Besorgt äußerte sich der Dozent für Gesundheitswissenschaften an der York University, Ian Hamilton, über die einmonatige Fastenzeit. „Das könnte als Erlaubnis verstanden werden, den Rest des Jahres wieder zur gewohnten Trinkmenge zurückzukehren“, sagte er in einem Interview (siehe auch „Großbritannien: Alkoholverzicht im Januar“). Oder noch mehr feiern als bisher. So nach dem Motto, dass man ohnehin leicht wieder aufhören kann, wenn man nur möchte.
Entzugssymptome können gefährlich sein
Für chronische Alkoholkranke könnte eine sofortige Abstinenz sogar gefährlich werden, sind sich Mediziner einig. Ohne ärztlicher Hilfe wären die Entzugssymptome ein gesundheitliches Risiko, und Suchtexperten sind der Ansicht, dass sie für einen künftigen Entzug entmutigt werden könnten, wenn sie den Selbstentzug in der Fastenzeit nicht durchstehen können und rückfällig werden.
Dr. Peter Strate, Chefarzt der Klinik für Abhängigkeitserkrankungen der Asklepios-Klinik in Hamburg, steht dem Alkoholfasten generell positiv gegenüber: „Nutzen Sie die Fastenzeit“, forderte er in einem Interview die Leser einer Zeitung auf. Nachsatz: „Wer feiern kann, der kann auch fasten…“
Fotos: Thomas Frohnwieser (1), Vitos Herborn (1)