„Sonnenpark Neusiedlersess“ in Rust, Burgenland
„Wir behandeln den Menschen und keine Diagnose“
von Harald Frohnwieser
Die Umgebung atmet jene Ruhe, die schon der erste Eindruck verspricht. Und man merkt schon beim Eingang des Therapiezentrum „Sonnenpark Neusiedlersee“ im burgenländischen Rust, dass hier der Mensch im Vordergrund steht. Behandelt werden hier 900 Patienten im Jahr, die unter Angststörungen oder Depressionen leiden. Und die ausgebrannt sind. Deshalb stehen Wertschätzung, Freundlichkeit und Respekt an oberster Stelle. Hier setzen sich Menschen mit Menschen auseinander, nicht Ärzte mit Patienten. Hier kann jeder seine Schwächen herausfinden. Und seine Stärken. Denn die sind es, die oft im Verborgenen bleiben. Und so zu einem Burnout führen, dem man ohne fachmännischer Hilfe schwer wieder herausfindet.
Wie die Arbeitswelt, die Chefs, reagieren werden, wenn sie merken, dass ihnen die Arbeitskräfte reihenweise verlorengehen, darauf ist der ärztliche Leiter vom „Sonnenpark Neusiedlersee“ - eine Einrichtung von pro mente - in Rust schon jetzt gespannt: Dr. Paul Kaufmann behandelt in dieser relativ neuen Therapiestation Menschen, die ausgebrannt sind, die unter einem Burnout leiden. „Die Gesellschaft muss endlich erkennen, dass es sehr viele Menschen gibt, die an ihrem Leben leiden“, sagt er. Aber: „Es gibt dafür eine Hilfestelle, man muss sie nur annehmen.“ Die Hilfe kann freilich vielfältig sein in Form einer Psychotherapie, einer Reha, in Form von Medikamenten. Oder alle drei zusammen. „Ich würde jeden, der Psychopharmaka nimmt, dazu raten, eine Therapie zu machen. Denn ohne die richtigen Begleitmaßnahmen decken die Medikamente die Störungen nur zu“, so der ärztliche Leiter.
Wenn ein Burnout-Erkrankter nicht mehr richtig schlafen kann, fällt der Griff zu Schlafmitteln leicht. Aber: „Die sollte man sich nur von einem Facharzt verschreiben lassen, und das nur für eine kurze Zeit, für ein paar Tage. Gefährlich wird es, so Kaufmann, wenn man die Schlafmittel vom Partner, von der Partnerin nimmt. Überhaupt sollten Psychopharmaka nur eine begleitende Maßnahme sein: „Manchmal ist es sinnvoll, wenn man keine nimmt, manchmal aber sind sie unbedingt notwendig, zum Beispiel bei Depressionen.“ Die Gefahr, dass die Medikamente zu sehr dämpfen, ist nicht mehr allzu groß. Kaufmann: „Psychopharmaka sind nicht mehr solche Hämmer wie sie früher einmal waren, das hat sich zum Glück geändert.“
Alkohol ist ein schlechtes Medikament
Dass auch Alkohol gegen den Burnout eingesetzt wird, ist Paul Kaufmann bewusst. Und warnt davor: „Alkohol ist ja anfangs ein wunderbarer Sorgenlöser, aber das ist nicht bei allen so. Bei zehn Prozent der Bevölkerung wirkt der Alkohol nicht stimmungsaufhellend, die sind nicht gefährdet, davon abhängig zu werden. Bei den restlichen 90 Prozent, bei denen der Alkohol euphorisch wirkt, kann es sehr schnell zu einer seelischen und körperlichen Abhängigkeit kommen, die Tabugrenze sinkt. Deshalb ist Alkohol ein sehr schlechtes Medikament, das nur auf den ersten Blick hilft.“
Eines steht freilich fest: Wenn man nichts unternimmt, die Anzeichen eines beginnenden Burnouts nicht wahrnehmen will, kann es lange dauern, bis man in der Arbeitswelt wieder voll einsetzbar ist. „Das kann Wochen, Monate oder sogar ein Jahr dauern“, macht Paul Kaufmann den Patienten keine Hoffnung, dass sie ihre Krankheit mittels eines fastfood-ähnlichen Verfahrens schnell wieder in den Griff bekommen. Und wie reagieren hochbezahlte Manager darauf, wenn sie erfahren, dass sie für einen sehr langen Zeitraum ihren Terminkalender vergessen können? „Sie sind am Anfang natürlich verzweifelt“, so der Therapeut, „aber sie hätten schon viel früher ihrer Gesundheit einen größeren Platz einräumen müssen. Sie hätten sich fragen sollen, wie es ihnen geht. Schlafe ich noch gut? Kann ich meine Überstunden abbauen?“
Immer mehr Mitarbeiter fallen aus
Kaufmann weiß freilich, dass dies in den meisten Firmen nicht praktiziert wird. „Aber das wird so geschehen müssen, weil die Arbeitgeber immer mehr darunter leiden, dass so viele Mitarbeiter gesundheitsbedingt ausfallen.“ Und dass ihnen durch diese Ausfälle Kosten entstehen, mitunter sehr hohe sogar. Es sind, sagt Kaufmann, ja nicht so große Maßnahmen, die ein Chef setzen muss – oft reicht es, wenn am Wochenende oder im Urlaub kein Anruf vom Chef kommt und auch keine eMail zum sofortigen Arbeiten auffordert. Kaufmann: „Man muss sich schon die Frage stellen, ob wir nicht die letzten Jahrzehnte, wo wir Weltmeister in der Effizienzsteigerung geworden sind, die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben, ob wir die Menschen nicht überschätzt haben. Der Großteil schafft diese hohen Anforderungen nicht mehr so leicht. Wir müssen die Dinge endlich beim Namen nennen. Wir dürfen nicht mehr verschämt sagen, dass wir Kopfweh haben oder Rückenschmerzen, wenn wir ausgebrannt, erledigt sind.“
Nun wird es bei einem hochbezahlten Manager, der seinem Unternehmen satte Gewinne verschafft, leichter sein, für eine längere Zeit auf seine Arbeitskraft zu verzichten. Aber wie sieht es bei einer Supermarktkassiererin aus, die leicht zu ersetzen ist? „Auch da wird es für die Firmen immer schwieriger, sie zu ersetzen. Ich habe nicht den Eindruck, dass zehn andere auf den Job warten, wenn eine Kassiererin zusammenbricht und nicht mehr arbeiten kann“, so Kaufmann, der Wert darauf legt, dass in seinem Therapiezentrum Menschen und keine Diagnosen behandelt werden.
Sich wieder spüren lernen
Warum wird jemand ausgebrannt? „Unsere Patienten lernen bei uns, sich abzugrenzen, mit ihren Ängsten richtig umzugehen, sich zu konfrontieren, sich zu spüren, zu entdecken, was bitter schmeckt und was süß. Das haben sie entweder verlernt oder nie gelernt. Deshalb muss so manches erstmalig gelernt und erfahren werden. Menschen, die sich nie gespürt haben oder sich schon lange nicht mehr selbst spüren, die sind meist sehr anfällig für einen Burnout“, stellt Paul Kaufmann klar, „für manche ist es überhaupt schwierig, zwischen Gefühle wie Freude, Trauer, Angst, Wut, Begeisterung oder Ekel zu unterscheiden. Die sagen dann nur, mir geht es gut oder schlecht, dazwischen gibt es für sie nichts. Sie können keine unterschiedlichen Qualitäten benennen. Das kann oft genetisch bedingt sein. Das kann aber auch vom Elternhaus her resultieren. Leider wachsen nicht alle Menschen unter den gleichen Bedingungen auf.“
Handelt es sich bei Burnout um eine Modekrankheit, wie mitunter gesagt wird? „Dazu möchte ich mich gar nicht äußern“, so Paul Kaufmann, „Burnout heißt, dass man ausgebrannt ist. Dabei ist es egal, ob man eine alleinerziehende Mutter, die noch dazu ihren kranken Vater pflegt oder ein wichtiger Manager ist. Da interessiert es mich nicht, ob Burnout ein inflationärer Begriff ist.“
Pro Woche stehen 20 Therapiestunden am Programm, es gibt Bewegungstherapie, Physiotherapie, dazu kommen Malen, Tanzen, Gestalten, Trommeln. Am Wochenende gibt es natürlich Ausgang, aber manche muss man dazu erst animieren, dass sie nach Hause fahren. „Es ist ja gut, wenn unsere Patienten hier eine Insel haben, aber sie brauchen auch eine Brücke zum Festland“, weiß Kaufmann, wie wichtig der Kontakt zu den Angehörigen ist.
Hilfe zur Selbsthilfe
Apropos Angehörige. Wie wichtig ist das Umfeld im Bezug zur Therapie? „Wir haben nicht das Gefühl, wir müssen mit den Angehörigen arbeiten. Wir behandeln Erwachsene, die sich ihr Privatleben selbst gestalten“, stellt Paul Kaufmann klar, „aber wenn sie Schwierigkeiten haben, ihre Bedürfnisse dem Partner, der Partnerin zu vermitteln, dann ist das hier ein Thema. Wir unterstützen unsere Patienten darin, sich selbst zu helfen.“
Wie geht es nach Abschluss der Therapie draußen weiter. Ist nicht die Gefahr groß, wieder in den alten Trott zu verfallen. „In der Arbeit muss man lernen, eine Prioritätenliste zu erstellen. Was ist wichtig und was nicht? Was muss ich selber machen und was kann ich delegieren? Man muss auch nicht ganz auf Überstunden verzichten, aber man soll freundlich mit dem Chef darüber verhandeln, das funktioniert in den meisten Fällen. Man braucht sich oft gar nicht aktiv gegen eine zu hohe Belastung wehren, man muss es nur sagen.“
Klingt im Grunde genommen gar nicht so schwer…
Sonnenpark Neusiedlersee – Zentrum für psychosoziale Gesundheit
7071 Rust, Mörbischer Straße 5
Tel.: +43 (0)2685/215 00
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Web-Adresse: www.promente-reha.at/sonnenpark-rust/das-haus
Fotos: Thomas Frohnwieser (4) Logo: pro mente | reha (1)