Alkoholtherapie im Psychosomatischen Zentrum Waldviertel - Klinik Eggenburg
Wenn der Alkohol alles Schöne verdrängt

von Harald Frohnwieser

In der Universitätsklinik in Eggenburg, Niederösterreich, werden psychische Erkrankungen wie Ängste, Panikattacken, Depressionen oder Borderline behandelt. Und natürlich eine Alkoholabhängigkeit. In dem freundlichen Gebäude inmitten des idyllischen Waldviertels kümmert sich ein engagiertes Team, bestehend Psychosomatische Zentrum Waldviertel - Klinik Eggenburg Logoaus Ärzten, Therapeuten, Psychologen, Masseure, Ernährungswissenschaftler und natürlich das Pflegepersonal um die Patienten. „Alk-Info“ sprach mit dem therapeutischen Leiter der Klinik, DI Robert Bahr, warum ein ganz persönlicher Tiefpunkt wichtig ist, warum manche Patienten mehrmals einchecken, wie sie auf ein Leben im Alltag nach Therapieende vorbereitet werden und über viele andere interessante Themen.

Alk-Info: Ihre Therapieeinrichtung hat 100 Betten, 18 davon sind für Menschen, die eine Suchterkrankung haben. Woher kommen Ihre Patienten?
DI Robert Bahr: Die meisten kommen aus dem Gebiet Wien und Niederösterreich, wir haben aber auch immer wieder welche, die aus anderen österreichischen Bundesländern kommen.DI Robert Bahr

Habt ihr mehr männliche oder weibliche PatientInnen?
Das hängt vom Krankheitsbild ab. Aber grundsätzlich ist es so, dass wir zu 80 Prozent Frauen hier haben und nur zu 20 Prozent Männer. Die Zahl spiegelt sich auch bei den TherapeutInnen wider. Aber was die Alkoholtherapie betrifft, da sind die Hälfte der Patienten Männer und die andere Hälfte sind Frauen.

Die Frauen holen, was die Alkoholabhängigkeit betrifft, auf. Bemerken Sie auch diesen Trend?
Das traue ich mich nicht zu sagen. Aber generell kann man sagen, dass bei den Frauen das Tabu einfach größer ist, was mir auch schon einige Patientinnen bestätigt haben. Wir haben haben einmal mit unseren PatientInnen über das Thema „betrunken sein in der Öffentlichkeit“ diskutiert, und da hat mir ein Patient gesagt, dass das für Männer akzeptiert sei, und eine Patientin hat gleich darauf gesagt, dass das für Frauen nicht zutreffe. Da gibt es durchaus einen Bruch. Männer geben unserer Erfahrung nach auch leichter zu, dass sie ein Alkoholproblem haben, Frauen brauchen hier meist viel länger. Aber generell ist es jetzt leichter, einzugestehen, dass man Hilfe braucht, das ist auch bei den anderen Krankheitsbildern, die wir behandeln, so.

Manche Suchttherapeuten sagen, dass ihre Patienten, die ein Alkoholproblem haben, im Schnitt jetzt jünger sind, als es noch vor 15 oder 20 Jahren der Fall war.
Da ich erst seit zehn Jahren Psychotherapeut bin kann ich diese Frage nicht seriös beantworten. Aber meinem Gefühl nach trifft das in unserer Einrichtung nicht zu. Doch ich bin davon überzeugt, dass es für junge Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit noch schwerer ist, sich Hilfe zu holen.

Man braucht einen Tiefpunkt, um zu erkennen, dass man es alleine nicht mehr schafft, vom Alkohol weg zu kommen, heißt es immer wieder.
Genau, und das ist vom Alter her unabhängig. Das gilt aber generell in der Therapie, nicht nur beim Alkohol. Die meisten Menschen müssen einen sogenannten Endpunkt erreicht haben wo sie dann erkennen, dass sie professionelle Hilfe brauchen. Beim Alkohol ist es ja so, dass man die Sucht viele Jahre lang aushält und auch gut Klinikgebäude Eggenburgverstecken kann. Das dauert ja eine gewisse Zeit, bis es auch die Mitmenschen bemerken. Zum Beispiel wenn man den Führerschein wegen Trunkenheit am Steuer verliert oder wenn es zu Schwierigkeiten im Beruf kommt.

Wie lang dauert das im Schnitt?
Das kann man so nicht sagen, weil es von verschiedenen Faktoren abhängt: wie viel trinkt jemand, trinkt er harte Getränke oder eher Bier und Wein, hat er Vorerkrankungen und so weiter. Man kann sich aber schon zum ersten Mal ins Koma oder gar zu Tode trinken. Umgekehrt gibt es Leute, die immer schon viel getrunken haben, aber achtzig Jahre und noch älter werden. Die Menge allein ist ja auch nicht maßgebend dafür, dass man süchtig ist, sondern es kommt vielmehr darauf an, ob man den Alkohol braucht. Die Menge ist in der Alkoholtherapie auch nicht von Bedeutung. Weil die Menge, die man verträgt, immer von der eigenen Konstitution abhängig ist.

Trotzdem gibt es Richtlinien, wie viel Alkohol man am Tag trinken kann, ohne in eine Sucht zu schlittern.
Grundsätzlich kann man sagen, dass mehr als ein Viertel Wein am Tag oder mehr als zwei Bier pro Tag schon ein gefährlicher Bereich ist. Aber sobald man den Alkohol braucht, beginnt die missbräuchliche Verwendung, das ist klar. Und klar ist auch, wenn man das Suchtmittel wie ein Medikament verwendet, um etwas zu erreichen, wie zum Beispiel besser schlafen zu können, gegen Ängste oder entspannter zu werden, dann ist man bereits voll in der Sucht drin. Leider gibt es beim Alkohol keinen Beipackzettel, der auch die gesundheitlichen und psychischen Schäden, die man vom Konsum bekommen kann, warnt. Denn es wird ja nicht nur die Leber geschädigt, wenn man Alkoholmissbrauch betreibt, es gibt ja mehr als 60 andere Krankheiten, die aufgrund eines regelmäßigen Alkoholkonsum auftreten können. Da gibt es jede Menge grauslicher Sachen, die man eigentlich gar nicht haben will. Herzinfarkt, eine kaputte Bauchspeicheldrüse, Diabetes und viele andere mehr.

In Eggenburg wird der Großteil der Patienten und Patientinnen wegen diverser psychischen Störungen wie Angst oder Depression behandelt. Kommt bei diesen Menschen manchmal vor, dass sie – quasi nebenbei – auch ein Alkoholproblem haben?
Ja, das kommt durchaus vor. Doch da schauen wir hier eher auf das Trauma, unter dem sie leiden oder auf ihre Depression. Auch Menschen mit einer Borderline Erkrankung greifen leider oft zum Alkohol.

Aber eine Sucht nach illegalen Drogen behandeln Sie hier nicht?
Nein, Heroin-, Kokainabhängige oder Menschen, die Crystal Meth konsumieren, um nur einige zu nennen, Patientenzimmer der Klinik Eggenburgbehandeln wir hier nicht. Das heißt nicht, dass sie mit diesen Drogen nie in Berührung kamen, aber bei uns gilt, dass jemand, der früher einmal illegale Drogen konsumiert hatte, dies seit einem Zeitraum von drei Jahren nicht mehr macht, sonst können wir ihn oder sie nicht aufnehmen, weil wir eine solche Behandlung nicht bieten können.

Wie lange dauert der Aufenthalt bei Ihnen?
Sinnvoll sind auf alle Fälle acht Wochen, weil eine Therapie erfahrungsgemäß erst nach zwei Wochen zu wirken beginnt. Aber wenn jemand nach acht Wochen noch nicht soweit ist, dass er wieder in sein oder ihr gewohntes Umfeld zurückkehrt, dann kann er oder sie maximal zwölf Wochen bleiben. Das nehmen auch viele in Anspruch.

Wie werden Ihre alkoholabhängigen Patienten auf ein Leben nach der Therapie darauf vorbereitet, dass der Alkohol ja immer und überall verfügbar ist, sie aber keinen konsumieren sollen?
Selbstverständlich besprechen wir das. Da gibt es auch Übungen, die wir mit ihnen machen, wie zum Beispiel in den Supermarkt gehen. Aber interessanterweise sprechen Menschen, wie wegen ihrer Alkoholsucht bei uns in Behandlung sind, nicht so gerne über ihre Abhängigkeit. Die sagen beispielsweise oft, dass sie im Moment eh keine Probleme mit dem Alkohol haben, weil sie hier ja gar nichts trinken.

Was antworten Sie darauf?
Ich sage dann immer, ja, jetzt bei uns. Alle sind freundlich hier, alles ist gut. Aber draußen wird es wieder anders sein, wenn man Ärger mit dem Chef, dem Ehepartner oder der Ehepartnerin oder mit den Behörden hat. Da beginnen dann die Herausforderungen. Wir sagen ihnen dann, wo sie draußen hingehen können, wenn sie in Gefahr sind, wieder Alkohol zu trinken. Zum Beispiel in welche Selbsthilfegruppen in ihrer Umgebung sind und wo es geeignete Therapeuten für sie gibt.

Therapieraum der Klinik EggenburgGelingt das auch?
Leider nicht immer. Aber wir versuchen sie zu motivieren, dass sie weiter Hilfe in Anspruch nehmen, wenn sie wieder daheim sind.

Kommen PatientInnen auch öfter zu euch?
Durchaus, aber da sagen wir schon, dass es besser ist, wenn sie eine Langzeittherapie in einer dafür geeigneten Therapieeinrichtung machen. Da sehen wir keinen Sinn drin, einen dritten Durchlauf bei zu absolvieren. Oder wir sagen ihnen, dass sie sich vorher eine Therapie woanders organisieren müssen, wenn sie wieder bei uns einchecken wollen.

Wie schaut es mit der Rückfallquote aus?
Darüber machen wir keine Aufzeichnungen. Wir haben aber viele PatientInnen, die sich bei uns erneut anmelden. Ich schätze, dass die Rückfallquote bei uns nicht anders liegt als in anderen Einrichtungen. Und die liegt so um die 70 Prozent, die in den ersten Monaten einen Rückfall haben. Manche brauchen einfach mehr Durchgänge, bis sie begreifen, dass es im Leben draußen große Herausforderungen gibt. Deshalb ist es auch wichtig, die bisherigen Gewohnheiten zu ändern. Man kann einfach nicht weiter ins Gasthaus gehen, wo sich alle nieder trinken. Oder Kontakt mit Freunden haben, die Alkoholiker sind. Man muss sich halt einen neuen Freundeskreis suchen, aber das ist bei einer Sucht eben so. Andererseits: Wenn man erst aus der Sucht heraus gekommen ist, öffnet das einen Raum mit ganz neuen Perspektiven. Denn der Alkohol hat alles Schöne verdrängt – bis nur er übrig geblieben ist.

Psychosomatische Zentrum Waldviertel – Klinik Eggenburg
3730 Eggenburg, Grafenberger Straße 2
Tel.: +43 (0)2984/202 28
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Web-Adresse: eggenburg.pszw.at

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