Fachklinik Haus Siloah ist eine der ältesten Suchtkliniken der Welt
Alte Wurzeln mit einem modernen Konzept
von Harald Frohnwieser
Was im Jahr 1851 im Stadtteil Lintorf der kleinen Stadt Ratingen nahe dem Ruhrpott als Asyl für ehemalige Strafgefangene begann, mündete ab 1879 in eine Trinkerheilanstalt. Denn schon bald nach der Eröffnung stellten die Betreuer fest, dass viele der Asyl-Bewohner dem Alkohol verfallen waren. Und schon damals war man seiner Zeit voraus: Was die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erst in den 1960er Jahren offiziell anerkannte, war in Lintorf bereits eine Selbstverständlichkeit: Alkoholismus hat nichts mit Charakterschwäche zu tun, sondern ist eine ernsthafte Erkrankung. Somit ist das Haus Siloah, das zur Fliedner Stiftung gehört, eine der ältesten Suchtkliniken der Welt. Der leitende Arzt Dr. Olaf Lask erzählt im „Alk-Info“-Interview über die große Behandlungsvielfalt der Klinik, was bei einem Rückfall unternommen wird und dass die Einbindung der Angehörigen in die Therapiearbeit sehr wichtig ist.
Duisburg, Mülheim, Essen, Köln. Eine Großstadt reiht sich an die andere, Häuserschluchten, Stadtautobahnen, Verkehrslärm. Mittendrin jedoch gibt es eine idyllische Grünoase, die fernab der Hektik des Alltags zu einem neuen Lebensgefühl verhelfen soll. Im Haus Siloah in Ratingen-Lintorf leben 55 alkoholkranke Patienten, die hier mit professioneller Unterstützung darauf vorbereitet werden, von ihrer selbstzerstörerischen Sucht loszukommen. „Die meisten unserer Patienten wurden bereits im benachbarten Fliedner Krankenhausentgiftet“, erzählt der leitende Arzt der Suchtklinik, Dr. Olaf Lask, im „Alk-Info“-Gespräch, „das hat den Vorteil, dass unsere Patienten schon während der Entgiftung den Antrag auf eine Entwöhnung im Haus Siloah stellen können und nahtlos zu uns wechseln können, wenn die Akutbehandlung abgeschlossen ist.“ Dass es keine Wartezeiten gibt, ist dem Spezialisten sehr wichtig: „Alkoholkranke sind in dieser Hinsicht sehr sensibel. Wenn sie zu lange auf einen Therapieplatz warten müssen, dann kommt es nicht selten vor, dass sie sich ganz zurückziehen und für lange Zeit verloren sind.“
Vielfältige Angebote
Die Behandlung im Haus Siloah kann bis zu 16 Wochen dauern und sowohl stationär als auch ganztägig ambulant erfolgen. Im Zentrum der Behandlung steht die Einzel- und Gruppentherapie. Angeboten werden aber neben einer Arbeits- und Kunsttherapie auch eine Bewegungstherapie und Schwimmen. Geboten werden aber auch Entspannungsübungen, Genusstraining, gesunde Ernährung, Behandlungen von Depressionen, erlernen einer sogenannten Schlafhygiene, Stressbewältigung, Akupunktur sowie Computer- und Internetkurse.
Stärkung der Selbst- und Fremdwahrnehmung
„Die Gruppentherapie, die aus maximal zwölf Leuten besteht, ist mir ein besonderes Anliegen“, sagt Olaf Lask, „da wird besprochen, wie die Patienten miteinander umgehen, wo es eventuell Konflikte gibt, und das Ich und das Wir werden gestärkt. In diesem Prozess verändern sich die Beziehungs- und Kommunikationsmuster unter den Gruppenmitgliedern und damit auch ihre Selbst- und Fremdwahrnehmung.“ Und: „Da stellt sich auch heraus, was einen früher gefehlt hat und wie sich das aufs heutige Leben auswirkt. Das geht in der Gruppe viel besser als in einem Einzelgespräch. Denn man lernt viel von dem, was andere einbringen.“ Dabei, so der Suchtexperte weiter, kristallisiert sich auch heraus, wie stark die sozialen Kontakte des Einzelnen sind. „Viele unserer Patienten sind alleinstehend und nicht wenige sind arbeitslos“, bringt Lask die Situation der Alkoholkranken auf den Punkt. „Deshalb ist es sehr wichtig, sie wieder ins soziale Leben einzugliedern. Unsere Arbeitstherapie ist hier ein wichtiger erster Schritt.“ Wobei die Patienten auch die Gelegenheit haben, in der hauseigenen Cafeteria zu arbeiten.
Wo lauern die Gefahren
Wichtig ist für Dr. Olaf Lask auch die Abstinenzsicherung, in der man auf die Zeit nach der Entlassung vorbereitet wird. „Wichtig ist, dass man die Gefährdung eines Rückfalls rechtzeitig erkennt“, weist der ärztliche Leiter darauf hin, dass man vor allem in der ersten Zeit nach der Entlassung gewappnet sein muss. „Die Gefahren lauern ja nicht nur in den Kneipen oder im Supermarkt, wo es haufenweise Alkohol zu kaufen gibt. Daher schärfen wir allen unseren Patienten ein, immer eine Notfallnummer dabei zu haben, damit man sich rechtzeitig an jemanden wenden kann, wenn ein Rückfall droht.“ Deshalb wird in jeder Gruppe ganz selbständig ein persönlicher Notfallplan für eventuelle Risikosituationen erarbeitet. „Die meisten Patienten haben ohnehin schon mit Rückfällen Bekanntschaft gemacht und können diese sehr gut analysieren“, so Lask.
Gründe für den Rückfall werden besprochen
Apropos Rückfall. Was passiert, wenn ein Patient während seines Aufenthalts in der Klinik wieder zur Flasche greift, etwa bei einem Ausgang oder am Wochenende, das er nach einiger Zeit in der Klinik zu Hause verbringen kann? Dazu Olaf Lask: „Das wird natürlich dann besprochen. Gründe dafür gibt es natürlich, etwa Probleme in der Beziehung, wenn der Partner oder die Partnerin die Therapie des Patienten nicht zu würdigen weiß oder wenn er unangenehme Post vorfindet.“ Aber entlassen wird man nach einem Rückfall nicht zwangsläufig, solange der Vorfall besprechbar ist. Allerdings: „Mehr als zwei Mal darf das nicht passieren, denn da müssen wir die Konsequenzen ziehen und den Patienten entlassen. Er oder Sie war halt noch nicht so weit.“ Doch das kommt, wie er betont, kaum vor.
Wichtig sind für Olaf Lask auch die Angehörigen. „Die muss man in die Therapie unbedingt mit einbeziehen. Deshalb findet alle zwei Monate an einem Samstag ein Seminar für Angehörige statt, wo Patienten Referate halten und dann Fragen gestellt werden können. Da wird auch co-abhängiges Verhalten thematisiert“, erzählt der Arzt. Auch die Selbsthilfegruppen sind ihm ein Anliegen: „Es kommen regelmäßig Gruppen zu uns, die über ihre Arbeit informieren. Meine Kollegen und ich empfehlen jeden Patienten, dass er sich einer Gruppe anschließt, und zwar schon ab der zweiten Hälfte der Behandlungsdauer.
Eine Lobby für die Patienten
Nicht alle der 55 Patienten sind ausschließlich an Alkoholismus erkrankt, manche fuhren auch zwei- oder mehrgleisig und konsumierten zusätzlich Drogen. „Früher wurde das strikt getrennt, aber heute geht das nicht mehr, da vor allem die Jüngeren sehr stark mischen.“ Doch im Vordergrund steht die Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit.
Voraussetzung für eine Aufnahme ist die Bewilligung vom jeweiligen Leistungsträger wie Pensionsversicherung oder einer Krankenkasse. Zudem muss der Patient bereits entgiftet sein und bereit dazu sein, die Abstinenzregel des Hauses einzuhalten. Ebenso sollte er bereit sein, an den angebotenen Therapien teilzunehmen und die deutsche Sprache ausreichend beherrschen. Wer hauptsächlich an einer Drogensucht leidet, wer unter einer akuten Psychose leidet, minderjährig oder suizidgefährdet ist, wird nicht aufgenommen.
Doch wer aufgenommen wird, der hat die Sicherheit, dass ihm in einem wunderschönen, ruhigen Ambiente beigebracht wird, wie er ein Leben ohne Sucht sinnvoll gestalten kann. „Alkoholiker haben bekanntlich keine Lobby“, weiß Dr. Lask aus seiner langjährigen Erfahrung. Er und seine ambitionierten Mitarbeiter wollen eine sein.
Theodor Fliedner Stiftung – Fachklinik Haus Siloah - Rehabilitationseinrichtung für Suchterkrankte
40885 Ratingen, Am Eichförstchen 72
Tel.: +49 (0)2102/303 - 420
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Web-Adresse: www.siloah.fliedner.de oder www.fliedner.de/de/seelische_gesundheit/haus_siloah/haus_siloah.phpde/seelische_gesundheit/haus_siloah/haus_siloah.php
Fotos: Theodor Fliedner Stiftung (5) Logo: Theodor Fliedner Stiftung (1)