Crystal Meth schädigt Körper und Psyche massiv
Nach dem „Vorglühen“ wird zu harten Drogen gegriffen

von Werner Schneider

In den verschiedensten Suchtkliniken taucht Crystal Meth als neues Phänomen auf. Das alte Medikament „Pervitin“, das schon im Zweiten Weltkrieg Soldaten verabreicht wurde, ist zur Partydroge mutiert. Hergestellt in meist kleinen Labors in Tschechien und der Slowakei, findet es seinen Weg in Dorfdiskos und auch in die Städte. Auch der Internethandel ist nicht zu unterschätzen. Die Kreation von Varianten funktioniert schneller als die Verbotsmaschinerie. Oberarzt Dr. Christian Schnabl von der Landesnervenklinik Sigmund Freud in Graz sprach mit „Alk-Info“ ausführlich über die Partydroge mit den bisweilen lebensgefährlichen Auswirkungen und warum Alkohol als Einstiegsdroge gilt.

„Alk-Info“: Herr Oberarzt Dr. Schnabl, was ist Chrystal Meth, wie wirkst es?
Oberarzt Dr. Christian Schnabl: Es ist ein Amphetamin, eine aufputschende Substanz, es stimuliert das Nervensystem und zwar die sympathischen Teile des vegetativen Nervensystems.

Wo kommt Crystal Meth eigentlich her?
Chrystal Meth ist ja nur ein Name, es gibt mehrere Synonyme, Methylamphetamin ist der Substanzname. Es wurde ja auch als Medikament genutzt. Seit mittlerweile schon mehr als hundert Jahre, die Substanz wurde rundKristallisiertes Crystal Meth (Längeneinheit 1 inch = 2,54 cm) um den Ersten Weltkrieg entwickelt und dann im Zuge des Zweiten Weltkrieges in Deutschland produziert in Hinblick darauf, dass man die Soldaten länger leitungsfähig erhält. Das hat ‚Pervitin‘ geheißen. Diese Amphetamine, man hat auch Weckamine gesagt, sind noch lange im Handel gewesen. Es wurde auch im Sport als Aufputschmittel verwendet. Ein deutscher Boxer ist in den 60er Jahren daran gestorben. Im Rahmen eines Kampfes hat er so viele Schläge bekommen, die er gar nicht gespürt hat, denn Hungergefühl und Schmerzempfinden werden stark reduziert, sodass der Körper immer wie auf Hochtouren läuft. Blutdruck und Herzfrequenz werden stark erhöht. Das Gefühl der Leistungsfähigkeit wird stark angeregt.

Im Fernsehen war ein Beitrag von einer jungen Frau, die gesagt hat, sie sei erst durch den Alkohol zu Crystal Meth gekommen. Ist da das berühmte „Vorglühen“ eine Erleichterung beim Umstieg zu härteren Drogen – ist da die Neigung zum Experimentieren größer?
Das Konsumverhalten von jungen Leuten ist da doch sehr verschieden, wie experimentierfreudig jemand ist; und es hängt da sehr von der Persönlichkeit ab, ob er bereit ist da noch mehr auszuprobieren. Alkohol ist als Volksdroge Nummer eins ähnlich wie Cannabis als Einstiegsdroge. Der Alkohol ist als Co-Faktor vorhanden. Er wird sicher die Hemmschwelle vermindern und macht wagemutiger und experimentierfreudiger. Dass man sagt ‚Jetzt mach‘ ich noch einen Blödsinn und probiere etwas anderes auch noch aus‘.

Was ist für junge Menschen so gefährlich?
Dieses Aufputschende, dieses Speedige, diese Leistungssteigerung suchen die Jungen. Da ist die Leistungssteigerung, dass man die ganze Nacht durchtanzt. Da sind dann die Nebenwirkungen das Fatale. Das kann bis zum Koma gehen. Man dehydriert, weil man so austrocknet, wenn man nichts mehr trinkt. Da kann auch Herzversagen eintreten – das kommt immer auf die Dosis an. Das kann auch ziemliche Veränderungen in der psychischen Verfassung bewirken. Das kann bis hin zu psychotischen Zustandsbildern auch führen. Dass man wirklich außer Rand und Band gerät und den Bezug zur Wirklichkeit verliert.

Strukturformel von MethylamphetaminWie wirkt sich das aus?
Man darf nicht vergessen, dass Chrystal Meth nicht isoliert konsumiert wird, sondern in Mischformen. Zum Beispiel mit Alkohol oder auch mit Opiaten. Man kann dann leider Gottes die Wechselwirkungen nicht abschätzen. Meth wird in Pulverform verkauft, man kann es sich sogar im Internet bestellen und dann weiß man nie genau, was drinnen ist. Das ist es, was eigentlich so gefährlich ist. Mischvergiftungen und da kommen dann noch allerhand für Zustandsbilder dazu.

Die Hauptlieferanten sind ja Tschechien und die Slowakei…
Das kann ich gar nicht so genau sagen, wo die Sachen alle herkommen. Man hört aber, dass es da und dort produziert wird. Das Internet ist auch nicht zu vergessen, das ist sicher ein Hauptfaktor.

Man braucht eigentlich gar keinen Dealer?
Nein, man braucht keinen Dealer, man bestellt und es kommt auf dem Postweg.

Was kann man gegen die Sucht machen, wie schaut der Entzug aus?
Die Leute, die zu uns kommen – in der Drogenambulanz haben wir das Problem hauptsächlich – das sind dann Leute, die psychisch auffällig sind, die aggressiv sind und außer sich sind, die schwer erreichbar sind, weil sie den Bezug zur Wirklichkeit verloren haben. Die wie in einem anderen Film sind. Da gibt es eine Akutbehandlung, die aber meist am nächsten Tag schon wieder abklingt, aber auch länger anhalten kann. Das hängt davon ab, wie einer das verträgt. Das ist wie beim Alkohol, bei manchen geht das schnell vorbei, aber bei jenen, die anfällig sind, die können große Probleme bekommen. Da wären Angstzustände und die können auch psychotisch werden. Die zum Beispiel Dinge sehen, die nicht da sind. Die glauben es bricht ein Feuer aus und sie schweben in größter Lebensgefahr – die also komplett die Wirklichkeit verkennen. Was dann eine Unterbringung im geschützten Bereich erfordert um eine akute Selbstgefährdung oder Fremdgefährdung zu vermeiden. Es können auch paranoide Wahnvorstellungen entstehen, die entsprechend behandelt werden müssen.

Crystal Meth verändert ja auch physisch.
Ja, es können Hautprobleme auftreten. Da hat es Schreckensfotos von Leuten gegeben, die das über einen längeren Zeitraum genommen haben. Es treten auch Veränderungen des Zahnfleisches auf. Starke Akne ist auchFolgeerscheinungen nach einer Zweien halbjährigen Crystal Meth Einnahme eine Folgeerscheinung von Missbrauch, also von einem regelmäßigen Konsum von Meth.

Welche weitere medizinische Probleme ergeben sich durch regelmäßige Einnahme?
Dadurch, dass das vegetative Nervensystem ständig angeregt ist, können da auch Probleme im Herz- Kreislaufsystem zustande kommen, Herzrhythmusstörungen, ständige Angespanntheit und Schlafstörungen. Dazu kommen vermehrtes Schwitzen mit Wasserverlust und entsprechende ständige Reizbarkeit. Das sind Veränderungen, die sich dann auch auf die Psyche auswirken.

Wie wird Crystal Meth konsumiert?
Das Problem ist, dass die Leute das nicht nur schlucken in Tablettenform sondern sich auch spritzen, das wirkt dann natürlich noch intensiver und ist auch gefährlicher, weil dann die Wirkung rascher eintritt und kürzer dauert. Dann ist der Druck, dass man sich nochmals einen Schuss setzt, natürlich höher. Der Suchtdruck ist entsprechend stärker da. Je nach Dosis kann die Wirkung bis zu 36 Stunden anhalten und die psychische Abhängigkeit ist besonders groß. Manche nehmen es auch nasal ein, da ist die Wirkung länger.

Ist das eine Droge, die eher in den ländlichen Diskos konsumiert wird oder im urbanen Raum?
Das ist so eine Partygeschichte. Die gibt es überall. Das ist wie bei Speed eine Droge, die man nimmt, um hip zu sein. Da wird auch Extasy verwendet, das ist ja verwandt. Man verwendet’s überall um gut drauf zu sein und durchtanzen zu können, es ist wie gesagt eine Partydroge. Man kann es mit Kokain vergleichen. Im Gegensatz zu den Opiaten, Morphium und Heroin, die relaxierend wirken. Da wäre noch Cannabis, das auch eher beruhigend wirkt. Bei Crystal Meth gibt es noch ein Problem, es wird in kleineren Labors hergestellt. Da verändert man die chemische Struktur nur geringfügig und es entstehen so regelmäßig neue Substanzen.

Fotos: Faces of Meth (1), de.wikipedia.org / United States Federal Government (1) Grafik: commons.wikimedia.org (1)