Britische Studie räumt mit einem Mythos auf
Alkohol in Maßen ist doch nicht gesund

von Harald Frohnwieser

Mit einem weit verbreitenden Mythos haben nun britische Forscher aufgeräumt. Galt doch bisher der Grundsatz, Alkohol in Maßen genossen sei gesundheitsfördernd, ja sogar lebensverlängernd, so konnten die Wissenschaftler nun nachweisen, dass auch ein moderater Alkoholkonsum keinerlei positiven Auswirkungen auf die Lebenserwartung hat. Damit nicht genug stellten deutsche Forscher fest, dass auch kleine Alkoholmengen dem Körper Schaden zufügen können, wenn man bereits geringe gesundheitliche Vorschäden hat. Und australische Forscher raten auch jenen, die sehr moderat Alkohol trinken, ihre ohnehin geringe Trinkmenge weiter zu reduzieren.

Ein Glas Rotwein am Tag ist gut für das Herz und verlängert das Leben. Und überhaupt: Alkohol in Maßen genossen ist sehr gesund. Unzählige Wein- und Bierliebhaber haben sich all die Jahre lang an diese Botschaft geklammert, haben ihr tägliches Glas Wein, ihr Bier vor dem Schlafengehen verteidigt oder haben erklärt, warum der Magenbitter nach dem Essen gut für die Verdauung sei. In Ärzten fanden sie oft Verbündete, die ebenfalls auf den lebensverlängernden Alkohol setzten. Doch nun ist alles anders. Forscher um den Wissenschaftler Dr. Craig Knott vom University College in London kamen in einer Studie zu dem Schluss, dass auch ein sehr moderater Umgang mit dem Alkohol keinerlei positive Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Die Forscher stellten auch fest, dass auch geringe Mengen von Alkohol dem Körper schaden können. Von wegen also, dass ein Gläschen in Ehren wohl nicht zu verwehren sei.
Für ihre Studien werteten die britischen Wissenschaftler mehr als 18.000 Fragebögen aus, die von über 50-jährigen Briten von 1998 bis 2008 ausgefüllt wurden. Zehn Jahre lang hatten die Teilnehmer ihr Trinkverhalten protokolliert. Während dieses Zeitraumes starben etwas mehr als 4.000 Probanden. Die Forscher konzentrierten sich dabei sehr stark auf diese Todesfälle dieser Gelegenheits- und Nichttrinker und verglichen deren Daten miteinander. Wobei sich herausstellte, dass der Alkoholkonsum dieser Menschen keinerlei Auswirkungen auf die Lebenslänge hatte. Im Schnitt starben gleich viel Gelegenheitstrinker wie Abstinenzler. Nur bei Frauen ab einem Alter von 65 Jahren bemerkten die Wissenschaftler einen kleinen positiven Effekt des moderaten Trinkens, der aber, wie sie im Februar 2015 im Fachmagazin „British Medical Journal“ schrieben, statistisch18.000 Moderate- und Nichttrinker wurde 10 Jahre lang befragt zweifelhaft sei. Denn nachdem die Definition von Gelegenheitstrinkern leicht verändert wurde, trat dieser Effekt nicht mehr auf. Aber auch bei jenen Probanden, die während der Studiendauer nicht verstarben, konnte keine positive Wirkung des Alkohols festgestellt werden.
Frühere Studien falsch berechnet
Wieso aber hielt sich all die Jahre über der Mythos, dass ein moderater Alkoholkonsum gut für die Gesundheit sei, so hartnäckig. Und warum glaubten auch Ärzte daran? Schuld sei, so die britischen Forscher, dass in früheren Studien, die diese These untermauerten, ehemalige Trinker den Gruppen der Nichttrinker zugeordnet wurden, ohne dass die möglichen Langzeitschäden, die ein Alkoholmissbrauch verursacht, berücksichtigt wurden. Dadurch gab es unter den Nichttrinkern eine schlechtere Gesundheit und ein höheres Sterberisiko als bei den moderaten Trinkern. Dazu kommt ein eventuell höheres Gesundheitsbewusstsein unter jenen, die hin und wieder ein Glas Wein trinken als bei jenen, die ganz auf den Alkohol verzichten.
Auch bei der Studie von Dr. Craig Knott und seinen Mitarbeitern kam man zunächst zu dem Schluss, dass ein moderater Umgang mit dem Alkohol vor einem frühzeitigen Tod schützen könne. Doch als die Forscher andere Faktoren wie Alter, Geschlecht, kulturelle Herkunft, Bildung, Beschäftigungsverhältnis, Familienstand, Rauchverhalten und Übergewicht hinzurechneten, kam man unweigerlich zu dem Ergebnis, dass der Alkohol keinen Einfluss auf die Gesundheit hat und auf gar keinen Fall lebensverlängernd sei.
Auch moderate Trinkmengen reduzieren
Australische Forscher, die sich ebenfalls mit dem Thema moderater Alkoholkonsum und Gesundheit befassten, dass es sich selbst für moderate Trinker auszahlen kann, ihre ohnehin geringe Trinkmenge zu reduzieren, was sich positiv auf ihren Herz-Kreislauf auszahlen könne. So kommt Mike Daube von der australischen Curtin-University zu dem Fazit: „Es ist in der Gesundheit wie überall. Wenn etwas zu gut erscheint, um wahr zu sein, sollte man es mit Vorsicht behandeln.“
Dass auch ein geringer Alkoholkonsum schädlich sein kann, stellte bereits im Jänner 2014 ein deutsches Forscherteam fest. Die beiden Wissenschaftler Manuela Bergmann und Heiner Boeing vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke haben sich Daten der europaweiten Epic-Studie, die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Krebs und anderen chronischen Erkrankungen wie etwa Diabetes Typ-2 untersucht, genauer angesehen. Die beiden Forscher haben dabei das Trinkverhalten von 380.000 Männern und Frauen analysiert und dabei auch das frühe Trinkverhalten der Probanden berücksichtigt. Dabei stellten die beiden Forscher zwar einen günstigen Zusammenhang zwischen moderatem Alkoholkonsum und Gesundheit fest, jedoch nur bei Menschen, die zu Beginn der Studie vollkommen gesund waren und nie zu den Vieltrinkern zählten. „Unsere Studien belegten, dass der Alkohol nicht die Ursache für die Gesundheit unserer Studienteilnehmer war“, stellt Manuela Bergmann unmissverständlich fest.
Von Werbung und Öffentlichkeit überbewertet
Auch Karl Mann vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim stellt fest, dass zwar geringe Mengen an Alkohol, wie etwa Rotwein, eine minimale Auswirkung auf den Herz-Kreislauf habe, aber: „Die minimalsten positiven Effekte sind in der Vergangenheit von der Werbung und der Öffentlichkeit vollkommen überbewertet worden.“ Und: „Je höher der Konsum, desto größer der Schaden.“
Wie hoch sollte nun der Konsum von Alkohol sein, was ist gesundheitlich vertretbar. Die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (BzgA) in Deutschland empfiehlt, dass eine Frau nicht mehr als 10 Gramm Alkohol am Tag, ein Mann nicht mehr als 20 Gramm Alkohol am Tag trinken sollte. Zum besseren Verständnis: Eine Flasche mit mit 0,33 Liter Inhalt hat 12,7 Gramm Alkohol. Zudem sollte man pro Woche unbedingt zwei alkoholfreie Tage eingehalten werden. Denn, so die Wissenschaftler, der gesündeste Alkohol ist der, der nicht getrunken wird.

Grafik: Thomas Frohnhwieser (1)