Neue Studie: Wie Alkoholwerbung die Kids beeinflusst
TV-Spots fördern Rauschtrinken enorm

von Harald Frohnwieser

Ein zischendes Bier, eine eisgekühlte Wodkaflasche, ein perlendes Glas Sekt. Die Alkoholindustrie wirbt auf Plakaten und natürlich auch im Fernsehen für ihre Produkte und suggeriert, dass man sich nur dann so richtig entspannen kann, wenn man ihre Produkte konsumiert. Forscher der IFT-Nord (Institut für Therapie und Gesundheitsforschung) mit Sitz in Kiel haben jetzt im Auftrag der DAK-Gesundheit 30 Monate hindurch 1.500 Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 16 Jahren für eine umfangreiche Studie begleitet. Die Wissenschaftler wollten herausfinden, wie sich die Alkoholwerbung auf diese Zielgruppe auswirkt. Das Ergebnis ist ernüchternd: Die Werbung für Bier, Wodka oder Likör sorgt für ein bis zu vier Mal höheres Risiko für sogenanntes Rauschtrinken bei den Kids. „Alk-Info“ sprach mit Studienautor Prof. Dr. Reiner Hanewinkel über dieses brisante Ergebnis.

Prof. Dr. Reiner Hanewinkel, Forscher des IFT-NordAlkohol ist die populärste Droge unter Kinder und Jugendlichen in Deutschland. Etwa 70 Prozent aller 12- bis 17-Jährigen haben bereits Erfahrungen mit Alkohol gesammelt. Einen regelmäßigen wöchentlichen Alkoholkonsum gibt es in dieser Altersgruppe bei 14 Prozent und 5 Prozent der Jungs und Mädchen trinken Alkohol in einer Menge, die selbst für einen Erwachsenen ein gesundheitliches Risiko wäre. Wobei die Wahrscheinlichkeit eines bedenkenlosen Umgangs mit dem Alkohol deutlich zunimmt, je öfter ein Kind oder ein Jugendlicher eine Werbung für Alkohol sieht. Dazu Studienleiter Prof. Dr. Reiner Hanewinkel: „Bei den Schülern mit dem niedrigsten Alkoholwerbekontakt hatten 6,2 Prozent der Befragten mehr als fünf Rauscherlebnisse im Beobachtungszeitraum, bei den Teilnehmern mit dem höchsten Werbekontakt lag die Quote bei 24 Prozent und damit vier Mal so hoch.“ Befragt wurden Schüler aus den Bundesländern Hamburg, Schleswig-Holstein und Brandenburg, die entweder ein Gymnasium, eine Realschule, eine Hauptschule, ein Grundschule oder eine Oberschule besuchen. Wobei elf Prozent der Mädchen und 18 Prozent der Jungs über häufiges Rauschtrinken berichtet haben. Im Klartext: Die Befragten waren bereits mindestens fünf Mal stockbesoffen.
Viele Werbespots und Plakate wurden abgefragt
Im „Alk-Info“-Gespräch erzählt Hanewinkel, wie die Studie ablief: „Wir haben viele Werbungen abgefragt und den jungen Studienteilnehmern auch Ausschnitte aus den TV-Spots gezeigt. Auch abfotografierte Werbeplakate wurden ihnen präsentiert. Beim Alkohol waren es vor allem jene für Bier, Wodka und Likör, aber wir haben auch untersucht, wie die Kinder und Jugendlichen auf andere Werbungen, zum Beispiel Snacks, Autos oder Bekleidung, reagieren. Wobei sich herausstellte, dass die Befragten sich sehr gut bei der Werbung auskennen und dass die Werbung sie sehr stark beeinflusst.“
Alkoholwerbung als Risikofaktor
Das betrifft freilich auch die Werbung für alkoholische Getränke. Ralf Kremer, Suchtexperte der DAK-Gesundheit: „Unsere Studie zeigt, dass Alkoholwerbung von Jugendlichen nicht nur wahrgenommen wird. Die Werbung kann vielmehr als unabhängiger Risikofaktor für die Initiierung des häufigen Rauschtrinkens im Jugendalter angesehen werden.“ Könnte der besorgniserregende Alkoholkonsum bei den Kindern und Jugendlichen verringert werden, würde man die Werbung für Alkohol verbieten oder zumindest einschränken? „Davon kann man ausgehen“, ist Reiner Hanewinkel überzeugt. Aber: „Die Alkoholabhängigkeit ist natürlich eine sehr komplexe Sache. Sie hängt vom Alter, Geschlecht, Elternhaus, den Freunden und vom sozialen Status des Einzelnen ab. Doch wie oft ein KindDAK-Gesundheit oder ein Jugendlicher eine Werbung für Alkohol sieht, ist mit ausschlaggebend für das Trinkverhalten. Deshalb würde ich zumindest für eine eingeschränkte Werbung – zum Beispiel nicht von 22.00 Uhr im Fernsehen – eintreten. Das hätte sicher einen positiven Einfluss.“
Kids zu kritischen Konsumenten erziehen
Der Studienleiter plädiert aber nicht nur für eine eingeschränkte Werbezeit was die Alkoholwerbung betrifft, es sieht auch das Elternhaus gefordert. „Das hat schon einen Einfluss auf den Alkoholkonsum der Kinder, die Eltern haben natürlich eine Vorbildfunktion. Wenn der Vater sich oft ein Bier aus dem Kühlschrank nimmt, dann registrieren das die Kinder. Aber auch die Schulen und die Jugendzentren sind gefordert. Und natürlich auch die Sportvereine. Denn nirgends lernt man das Trinken so stark wie in einem Sportverein, heißt es oft.“ Über wirksame Präventionsmaßnahmen wird auch in der Studie nachgedacht: „Akzeptiert man die bedeutsame Rolle, die Alkoholwerbung auf den Konsum in der Gesellschaft und auf Jugendliche hat, stellt sich aus praktischer Sicht die Frage, welche Möglichkeiten der Verhinderung des Einflusses denkbar sind…. Zu den verhaltenspräventiven Maßnahmen wäre beispielsweise die Medienkompetenzerziehung zu rechnen, das heißt, Kinder und Jugendliche und auch deren Eltern zu kritischen Konsumenten zu erziehen.“
Prävention muss früh erfolgen
Der Deutsche Werberat hat im Jahr 2009 Verhaltensregeln über die kommerzielle Kommunikation für alkoholische Getränke verabschiedet. Demnach darf Werbung nicht zum missbräuchlichen Konsum auffordern, weder Erwachsene noch die Kids. Es dürfen auch keine Alkohol trinkende Kinder und Jugendliche gezeigt werden. Der Drogen- und Suchtrat hat 2008 der Drogenbeauftragten der Bundesregierung ein „Nationales Aktionsprogramm zur Alkoholprävention“ empfohlen. Angeregt wurde, dass es Einschränkungen des Sponsorships insbesondere im Bereich des Sports.
Reiner Hanewinkel findet auch, dass man bereits im Kindergartenalter mit der Prävention beginnen sollte. „Nicht mit einer spezifischen Suchtprävention, dafür wäre es wohl noch etwas zu früh. Aber eine Förderung der Lebenskompetenz, wo Kindern zum Beispiel nahe gebracht wird, dass sie auch mal Nein sagen können, wäre in diesem Alter bereits sehr sinnvoll.“ Und wann sollte man damit beginnen, die Kinder über die Gefahren des Alkohols aufzuklären? „So um 11 Jahre herum, also kurz vor der Pubertät“, sagt der Wissenschaftler, „denn wenn man es erst in den Oberstufen macht, also bei den 15- oder 16-Jährigen, dann ist der Zug längst abgefahren.“
Die Ergebnisse der Studie wurden bereits an die zuständigen Politiker weitergeleitet. „Es ist leider so wie immer. Einer schiebt dem anderen den Schwarzen Peter zu“, bedauert der Professor.

Foto: Prof. Dr. Reiner Hanewinkel (1) Logo: DAK-Gesundheit