Phil Collins starb fast am Alkohol
Den Ernst der Lage nicht erkannt

von Harald Frohnwieser

Er ist ein Bewunderer von Ringo Starr. Und so wie der Ex-Beatle (siehe auch „Habe gelernt, auf mich aufzupassen!“) schlitterte auch Drummer Phil Collins, der bei der Rockband Genesis den heißen Takt angab sowie später als deren Sänger fungierte und auch eine erfolgreiche Solokarriere als Musiker, Schauspieler und Buchautor startete, in eine Alkoholabhängigkeit. Was folgte, waren Probleme mit der Bauchspeicheldrüse, viele Stürze und ein Aufwachen in der Intensivstation, in der er fast gestorben wäre.Phil Collins (2012) Jetzt ist Collins zwar trocken, hat aber laut eigenen Aussagen etwas sehr Gefährliches vor…

Wenn man ihn früher auf die Bibel hätte schwören lassen, dass er kein Alkoholiker wäre, er hätte es getan, sagt Ex-Genesis-Drummer Phil Collins, der am 30. Januar 1951 im Stadtteil Chiswick in London geboren wurde. Doch das war einmal. In seiner im Herbst 2016 erschienen Autobiografie „Da kommt noch was – Not dead yet“ und in zahlreichen Interviews legt der Schlagzeuger eine offene Beichte über seinen Alkoholmissbrauch ab, der 2008 nach der Trennung von seiner dritten Frau Orianne begann. Seine von ihm frisch geschiedene Gattin zog mit den beiden Söhnen nach Miami, USA, er selbst blieb in der Schweiz.
Vier Jahre zuvor beschloss Collins entgegen dem Rat seines früheren Genesis-Kumpel Peter Gabriel in Rente zu gehen. „Ich hatte während der letzten Genesis-Tour meinen Nacken überlastet und bekam dadurch Probleme mit den Händen“, blickt der Rockstar zurück. Die Folge war, dass er seine geliebten Schlagzeugstöcke nicht mehr schwingen konnte. Doch es waren nicht die gesundheitlichen Probleme Grund für den vorzeitigen Ruhestand, es war die Familie: „Mein jüngster Sohn Matthew kam 2004 zur Welt. Ich wollte zu Hause bei meinen Kindern sein, sie aufwachsen sehen“, erinnert sich Phil Collins. Aber: „Es dauerte jedoch eine Weile, bis ich aus dem Rock-Musiker-Modus im Alltag angekommen war. Es war, als ob man einen Ozeanriesen in voller Fahrt bremsen will.“
Cricket im TV und Alkohol am Morgen
Doch das war freilich nicht die einzige Veränderungen in Collins Leben. „Damals ging meine dritte Ehe in Brüche. Ich sagte mir: Okay, meine Welt bricht auseinander, aber ich will bei meinen Kindern sein.“ Doch als Orianne mit den beiden Jungs in die USA zog und er alleine in der Schweiz zurückblieb, begann die Misere, die ihm fast das Leben gekostet hätte. „Ich fing mit dem Trinken an. Erst ein bisschen, dann immer mehr, dann viel zu viel.“ Seine Bauchspeicheldrüse, seine Niere fingen an, Probleme zu machen, doch das konnte den Musiker nicht daran hindern, weiter zu trinken. „Ich hing in einem riesigen Loch. Das füllte ich eben mit Alkohol. Um elf Uhr morgens schaltete ich den Fernseher an, sah mir Cricket an und öffnete eine Flasche Wein.“ Doch beim Rebensaft sollte es nicht lange bleiben. Phil Collins: „Schon bald begann ich Wodka zu trinken und das vertrug sich nicht so gut mit meiner Gesundheit.“ Nachsatz: „Meine Organe waren völlig kaputt. Schuld daran waren diese Spirituosen, dieses ätzende Zeug.“
„Phil, du musst was tun!“
Nicht nur seine Kinder waren besorgt, wenn sie ihren Vater betrunken antrafen, wenn er vor ihnen torkelte und die Treppe runter fiel, auch bei seinem Manager läuteten die Alarmglocken. „Phil, du musst was tun!“, forderte er ihn auf. Collins fragte seinen Arzt um Rat, und der meinte: „Ich kann Sie womöglich vom Trinken wegbringen. Aber ich kann Ihnen keinen Grund geben, morgens aufzustehen.“ Doch diesen Grund fand Collins nicht. „Ich war dreimal verheiratet und habe fünf Kinder – und ich lebe weder mit meinen Frauen noch mit meinen Kindern zusammen“, beklagte er damals in einem Zeitungsinterview seinen Zustand.
Tabletten gegen die Wehwechhen
Auch Selbstzweifel plagten den Weltstar, der nicht nur zahlreiche Goldene Schallplatten überreicht bekam, sondern auch Ehrendoktor von verschiedenen Universitäten sowie Ehrenbürger von Texas ist. „Wenn du dreimal geschieden bist dann fängst du an dich zu fragen, ob es nicht an dir selbst liegt. Es kann nicht immer die Schuld von jemand anderem sein“, gestand er sich ein. Und griff weiterhin zum Alkohol. Doch damit nicht genug, Phil Collins schluckte auch unkontrolliert Tabletten gegen alle möglichen Wehwechhen, wie er in seiner Biografie schreibt.
Fast hätte er es nicht mehr geschafft
Das bisherige Finale seiner Trinkerkarriere sollte in einem Karibikurlaub, zudem ihn seine beiden jüngeren Söhne begleiteten, erfolgen. Collins soff sich im wahrsten Sinne des Wortes ins Out und landete in der Intensivstation eines Krankenhauses, wo er mehrere Tage lang im Koma lag. Die Ärzte sagten ihm nach dem Aufwachen, dass er es fast nicht mehr geschafft hätte. Seine Assistentin wurde sogar gefragt, ob Mr. Collins seinen Nachlass geregelt hat. „Als ich damals hörte, dass ich fast gestorben wäre und dass meine Organe permanent geschädigt sind, konnte ich endlich mit dem Trinken aufhören. Ich habe das Glück, dass ich es durchlebt und überwunden habe. Ich war sehr nahe dran zu sterben“, blickt er auf sein dunkles Loch zurück. Entgegen nicht wenigen Rockstars war Phil Collins während seiner aktiven Zeit als Musiker nie von Drogen oder Alkohol abhängig: „Ich war nie Alkoholiker. Als ich auf Tour war, hatte ich Verantwortung. Als meine Kinder noch in der Schweiz bei mir lebten, hatte ich ebenfalls Verantwortung.“
Sänger, Schauspieler und Autor
Phil Collins stieß 1970 als Drummer zur Rockband Genesis. Die Band hatte damals per Zeitungsinserat einen empfindsamen Schlagzeuger gesucht. Als der Sänger der Gruppe, Peter Gabriel, 1975 die Gruppe verließ, wurde Collins sein Nachfolger. Ab den 1980er Jahren veröffentlichte er unter seinem Namen eigene Alben und wurde damit sogar noch erfolgreicher als er es mit Genesis je war, 1996 löste sich die auf. Collins, der bereits als 13-jähriger Bub in dem Beatles-Film „A Hard Day´s Night“ (1964) als Statist kurz zu sehen war, war auch als Schauspieler (u.a. „Buster“, „Hook“) tätig, weiters schrieb er zu mehreren Filmen die Musik. Außerdem schrieb er ein Buch („The Alamo“) über den amerikanischen Bürgerkrieg.
Da kommt noch was?
Mittlerweile lebt der Künstler wieder mit seiner dritten Ex-Frau Orianne und den beiden gemeinsamen Söhnen in Miami zusammen und plant, wieder auf Tournee zu gehen. Auch eine Reunion mit Genesis schließt er nicht aus. Alles paletti? Könnte man fast meinen. Doch da gibt es eine Aussage von ihm, die verstört. Auf die Frage, wie es mit dem Alkoholkonsum heute aussieht, antwortete Phil Collins mehreren Journalisten: „Ich war drei Jahre lang trocken. Jetzt denke ich, dass ich wieder ein Glas Wein vertrage.“ Eine gefährliche Ankündigung von jemandem, der an seinem Alkoholismus fast gestorben wäre. Bleibt nur zu hoffen, dass der Buchtitel seiner Autobiografie „Da kommt noch was“ kein böses Omen ist…

Foto: commons.wikimedia.org / Dicknroll (1)