Trank sich Alexander der Große zu Tode?
Großer Feldherr, großer Säufer

von Harald Frohnwieser

Er war zweifelsohne der größte Feldherr der Antike. Er gilt als der Eroberer Persiens, Entdecker Asiens und als Herrscher eines Großteils der damals bekannten Welt. Er war als Jüngling feminin, hatte eine Jahrzehnte lange homosexuelle Beziehung und war doch ein eiskalter Krieger und Tyrann. Und er war Alkoholiker, der den Wein soff wie andere das Wasser: Zerbrochen an seinem unstillbaren Drang nach Macht, zerbrochen an seiner Droge Alkohol und letztlich zerbrochen an sich selbst.

Alexander der GroßeSchon sein Vater Philipp II., König von Macedonien im Norden Griechenlands, war angeblich täglich betrunken. Jedenfalls war er bereits mit seiner vierten Frau, Olympias, verheiratet, als sein erster Sohn im Jahr 356 vor Chr. zur Welt kam. Der von Geburt an unter dem Druck seiner ebenso ehrgeizigen wie rücksichtslosen Mutter stand, einmal das Königreich zu besteigen. Und das womöglich bald. Als sein Lehrer wurde der schon damals sehr bekannte Philosoph Aristoteles (384 – 322 vor Chr.) auserkoren. Alexander galt schnell als neugierig und wissensdurstig, die Homers Heldenepos über den trojanischen Krieg, die Illias, kannte er Seite für Seite auswendig. Aber als Schöngeist wollten ihn weder sein Vater, noch seine Mutter sehen. Er solle, verlangte sein Vater, als zukünftiger König Mut beweisen. Im Alter von 13 Jahren zeigte Alexander, was für ein (späterer) Mann in ihm steckt: Der Jüngling sprang auf ein wildes Pferd und hielt sich solange darauf fest, bis er es zähmte. Das Tier sollte ihn später auf seinen Feldzügen begleiten. „Mein Sohn, such dir ein Reich, das deiner würdig ist, denn Macedonien ist zu klein für dich“, sagte sein stolzer Vater mit Tränen der Rührung in den Augen.
Der beste Freund des heranwachsenden jungen Mannes war Hephaistion, mit dem ihm Zeit seines Lebens eine homoerotische Beziehung verband. Von ihm fühlte sich der spätere Feldherr verstanden, bei ihm fand er jene Geborgenheit, die er bei seinen Eltern vergeblich suchte.
Alexander war gerade mal 18 Jahre alt, als ihn Philipp II. zum ersten Mal mit in die Schlacht nahm. Es ging um die Vorherrschaft in ganz Griechenland, das aus mehreren Teilstaaten bestand. Dem Königssohn wurde die Kavallerie unterstellt. Eine Bewährungsprobe, die er bestens bestand – mit Hilfe seiner berittenen Soldaten konnten der König und sein Sohn die feindlichen Armeen, die vom persischen König Dareios unterstützt wurde, besiegt werden. Ab diesem Sieg träumte der junge Alexander von noch größeren Feldzügen und Siegen.
Der Wein floss in Strömen
Wieder am königlichen Hof gab es bald Unheil. Philipp vermählte sich erneut, und Olympias sah den Thron für ihren Sohn in Gefahr. Bei der Hochzeit, bei der der Wein in Strömen floss, kam es zum Eklat. Ein Onkel der Braut trank auf den zukünftigen, noch ungeborenen König, Alexander wollte sich auf ihn stürzen, war aber schon so betrunken, dass er einfach umkippte. „Er will Europa und Asien erobern und schafft es nicht einmal von einem Tisch zum anderen“, höhnte Philipp. Eine Bloßstellung, die Alexander nicht verkraftete – der Bruch zwischen Vater und Sohn war vollzogen.
Olympias und ihr Sohn verließen den Hof, doch schon bald kehrten sie zurück. Als im Jahr 336 vor Chr. Alexanders Schwester heiratete, stürzte sich während der Feier, bei der natürlich ordentlich getrunken wurde, ein Leibwächter des Königs auf Philipp II. und rammte ihm ein Schwert in den Leib. Alexander, der seinen sterbenden Vater fand, ließ den Attentäter auffallend schnell hinrichten. Steckte er hinter dem Mordanschlag? „Von Anfang an kursierten Verschwörungstheorien, aber die Wahrheit kam nie ans Licht“, so der britische Historiker Peter Green. Olympias jedenfalls hatte ihr Ziel erreicht – Alexander bestieg den Thron, ihre Nebenbuhlerin trieb sie in den Selbstmord.
Wenig später fasste Alexander den Plan, Persien zu erobern. Er reiste nach Delphi, um das Orakel zu befragen. Als ihm die Hohepriesterin verkündete, die zuständige Gottheit sei zur Zeit etwas unpässlich, packte Alexander sie an den Haaren und schleifte sie zum Altar. „Dir kann keiner widerstehen“, rief sie aus, und Alexander hörte, was er hören wollte: dass er auf allen Linien siegen werde.
Keine Angst, keinen Zweifel
Im Jahr 334 vor Chr. Zieht Alexander mit 40.000 Soldaten Richtung Osten. Der persische König Dareios schien den Jungspund nicht allzu ernst zu nehmen und führte sein Heer nicht selbst an. Und wurde prompt geschlagen. Alexander griff zu einer taktischen List und preschte mit seinen Reitern über einen Fluss, um dann seitlich in das persische Heer einzudringen. Hatte er Angst, getötet zu werden. Dazu Peter Green: „Es gibt keine Anzeichen dafür. Es gibt auch keine Anzeichen, dass er an seiner Strategie zweifelte.“ Und William Murray von der Universität in Florida ergänzt: „Er war einer der wenigen Menschen mit denen ich mich beschäftigt habe, der mit einem äußersten Selbstbewusstsein ausgestattet war.“ Auch als der Perserkönig nach Rache sann, seine Mannen diesmal selbst anführte, wurde er von Alexander vernichtend geschlagen.
Der Machtrausch von Alexander war nun unstillbar geworden, er wollte ganz Asien erobern. Er zog mit seinen Soldaten durch das heutige Israel, eroberte die Insel Tyros, deren Bewohner ihm zunächst einen heftigen Widerstand lieferten. Als Rache dafür ließ er 2100 Menschen kreuzigen, weitere 30.000 Bewohner wurden versklavt. Der einstige Schöngeist als blutrünstiger Tyrann! Und das mit 24 Jahren. In Ägypten wurde er freundlicher empfangen, man machte ihn sogar zum Pharao. Alexander gründete in Ägypten mehrere Städte, eine von ihnen ist Alexandria, heute neben Kairo die wichtigste Stadt des Landes.
Der junge Feldherr fühlte sich zu neuen Eroberungen berufen. Und fühlte sich als Halbgott, als Sohn des Göttervaters Zeus. Im heutigen Irak schlug er den persischen König erneut in die Flucht, Alexander zog weiter nach Babylon, wo er friedliche Menschen vorfand, und dann weiter nach Persepolis, dem Sitz des Perserkönigs. Hier kam Widerstand gegen die Eindringlinge auf, als Alexander in den prunkvollen Palast einzog. Das Resultat: Alexander ließ in blinder Zerstörungswut die Stadt niederbrennen und plündern. Nun hatte er sein Ziel erreicht, er war zum Herrscher über Persien geworden. Der junge König fand Gefallen an den orientalischen Sitten, an den Handkuss und das Niederknien vor dem König. Sitten, die seinen Soldaten freilich fremd waren und mit denen sie sich nicht anfreunden konnten.
Alkohol- und Machtrausch
Mittlerweile war Alexander zum Alkoholiker geworden – und betrank sich fast jeden Tag. Doch auch der Machtrausch hielt an. Nun wollte Alexander bis ans Ende der Welt – bis nach Indien. Seine Leute murrten: „Wir haben unser Ziel erreicht, lass uns nach Hause gehen“, baten sie ihn. Und stießen auf taube Ohren. Das Heer zog weiter. Im heutigen Afghanistan heiratete er die Fürstentochter Roxane, dann ging es über den Hindus. Bei dem Gemetzel mit dem indischen Heer, das auch Elefanten einsetzte, wurde Alexander durch einen vergifteten Pfeil schwer verletzt. Nun sah er ein, dass es sinnlos wäre, weiter zu kämpfen und befahl zum Jubel seiner Soldaten den Rückzug.
Wieder in Babylon zogen düstere Wolken über den Eroberer auf. Sein treuer Geliebter Hephaistion starb an Erschöpfung – und am Alkohol. Überwältigt vor Trauer schickte Alexander seine Soldaten aus auf die Jagd nach Todesopfern für seinen verstorbenen Gefährten. „Mit ihm ging es nach dem Tod seines Freundes schnell bergab“, so William Murray. Der Wille des Königs war gebrochen. Alexander war noch ein Jahr Herrscher eines riesigen Reiches, dessen Verfall freilich nicht mehr aufzuhalten war. Anstatt sein Land zu regieren und zu verwalten stürzte sich der einstige größte Feldherr seiner Zeit in Orgien. Und in noch mehr Alkohol. Nicht einmal die Tatsache, dass seine Frau Roxane kurz vor der Entbindung stand, hinderte ihn an seinen Sauftouren. Als er Anfang Juni 323 vor Chr. Fieber bekam, bekämpfte er es mit Wein. Und verfiel prompt in ein Delirium, aus dem er nicht mehr erwachte. Alexander starb zwei Wochen später, kurz vor seinem 33. Geburtstag. Was war nun seine Todesursache? Malaria, Gift, der viele Alkohol? Dazu Peter Green: „Da gibt es eine ganze Palette von Möglichkeiten, aus denen man wählen könnte. Es kann angenommen werden, dass er sich von jenem indischen Giftpfeil nie mehr ganz erholte.“ Genauso gut kann aber auch angenommen werden, dass der siegreiche Feldherr an sich selbst zerbrach. An sich und am Alkohol.

Foto: atlantisforschung.de / RMH (1)