„Easy Rider“ Dennis Hopper lief nackt über den Highway
Vom Alkoholiker zum gütigen, weisen Mann
von Werner Schneider
Der Generation der in den 1940er und 1950er Geborenen treibt alleine der Filmtitel „Easy Rider“ das Wasser in die Augen. Und im Hinterkopf dröhnt Steppenwolfs „Born To Be Wild“. Vor den Augen erscheinen Bilder von Peter Fonda und Dennis Hopper. Der Film wurde mit dem Rekord-Mini-Budget von $ 400.000 gedreht und wurde zum Kult. Während Peter Fonda mit der Zeit mehr oder minder in der Versenkung verschwand, drehte Dennis Hopper insgesamt etwa 140 Filme (meist B-Movies), trat als Regisseur, Maler und Fotograf in Erscheinung. Und das trotz heftiger Alkohol- und Drogenexzessen.
Dennis Lee Hopper wurde am 17. Mai 1936 in Dodge City (Kansas) geboren. Er wuchs auf einer Farm auf, bis seine Eltern nach San Diego zogen. Schon Mitte der 1950er Jahre ermutigte ihn die Schauspielerin Dorothy McGuire es in Hollywood zu versuchen. Und Dennis Hopper brachte es zu Nebenrollen an der Seite von Jugend-Idol James Dean in dessen Klassikern „…denn sie wissen nicht was sie tun“ und „Giganten“. Mit dem Frauenschwarm Dean verband den als schwierig geltenden Hopper die Liebe zu schnellen Autos und zu Motorrädern. James Dean sollte später an den Folgen eines Verkehrsunfalles sterben.
Dennis bekam keine Hauptrollen angeboten, obwohl er die Lee-Strasberg-Schauspielschule absolvierte, er galt als unbelehrbar. Er sagte später selbst: „Ich mochte einfach die Person, die ich war, wenn ich betrunken oder high war – auch wenn’s nicht wirklich ich selbst war.“
Mit seiner Regiearbeit „The Last Movie“ gewann er 1971 den Kritikerpreis bester Film bei den Filmfestspielen in Venedig.
Zu diesem Zeitpunkt machte der deutsche Regisseur die Prophezeiung, dass Hopper die 70er Jahre nicht überleben werde. In einem Interview 2010 erinnert sich der Schauspieler an diese Zeit, als er in Wim Wenders „Amerikanischem Freund“ mitspielte: „Da hat er mich noch ganz anders kennen gelernt.“ Wenders sollte später seinem Freund Hopper sogar den 100. Geburtstag voraus gesagt haben. Was ein früher Prostatakrebs verhinderte.
Aber der Exzentriker war für viele Nebenrollen in vielen ungewöhnlichen Filmen gut. So unter anderem an der Seite des großen Marlon Brando in „Apocalypse Now“, wo er einen Reporter spielte. Zu diesem Zeitpunkt hatten ihn seine Exzesse längst in den USA auf eine „schwarze Liste“ befördert. Er drehte hauptsächlich in Europa. Wegen seiner Trunkenheit kam er auch öfter mit dem Gesetz in Konflikt, es gibt Bilder von ihm, die von der Polizei gemacht wurden.
Die schlimmste Suchtphase
Hopper wurde gefragt, ob ihm Wenders tatsächlich den Auftrag gegeben hatte, nicht auf dem Set zu sterben. Der Mime retrospektiv: „Hoho, Allerdings! Ich dachte nur: Was hat denn der für ein Problem? Aber natürlich war es meine schlimmste Suchtphase, und wenig später drehte ich dann tatsächlich durch. In Mexiko.“
Europäer kamen mit dem alkoholsüchtigen Hopper anscheinend doch immer wieder zurecht. Über seine Eskapaden sagte er: „Das war irgendwie nicht das Problem. Wenn die Kamera lief, war ich da. Die Frage war nur, wer morgens aus der Garderobe kam: Jekyll oder Hyde? Bruno Ganz, mein Partner vor der Kamera, war fassungslos. Es war seine erste Filmrolle, aber er war schon groß im Theater.“
„Der amerikanische Freund“ wurde zu Ende gedreht. Mit einem überlebenden und von der Kritik gefeierten Hopper.
Aber nicht immer ging es so ab. Dennis bekannte später: „In der Hauptphase meines Alkohol-Drogen-Wahnsinns war praktisch jeder Tag ein Nahtod-Erlebnis. Da hat nicht nur eine Schutzengel über mich gewacht sondern eine ganze Sippe.“
Dritter Weltkrieg im Kopf
Dennis Hopper wusste instinktiv, dass er aus der tödlichen Spirale ausbrechen musste. Es war jener bereits erwähnte Moment in Mexiko, in dem er delirierte. „In meinem Kopf hatte der Dritte Weltkrieg begonnen, die Russen hatten die USA erobert, ich musste Truppen rekrutieren, um sie zurückzuerobern. Zu diesem Zweck lief ich splitternackt auf dem Highway in Mexiko entlang, bis die Polizei mich festnahm. In der Zelle gingen die Halluzinationen weiter, in der Nachbarzelle wurden meine Freunde umgebracht und so weiter. Es dauerte viel zu lange.“
Der Schauspieler und Regisseur entschloss sich zu einem Schlussstrich. Als er 2010, kurz vor seinem Tod, so freizügig über seine Eskapaden und psychischen Störungen sprach, hatte er 24 Jahre lang nicht mehr getrunken und gekokst. In den 80er und 90er Jahren spielte er sich zurück in die Köpfe seiner treuen Fans. So in der Rolle eines Sadisten in David Lynchs „Blue Velvet“. 1988 erreichte er mit seiner Regiearbeit „Colors – Farben der Gewalt“ wieder ein breiteres Publikum. Böse Zungen wollen wissen, dass Hopper immer wieder zum Joint griff – doch es kam nie zum öffentlichen Eklat.
Im Gegenteil, mit „Speed“, jenem Film in dem ein Terrorist droht einen Linienbus zu sprengen, wenn dieser auch nur geringfügig seine Geschwindigkeit verringert, gelang ein seit weiterer Welthit.
Trocken bis zum Tod
Der Fotografie blieb der Vollblutschauspieler ein Leben lang treu. Schon in den 60er Jahren hatte er Alltagsszenen ebenso auf Zelluloid gebannt wie Prominente dieser Zeit, etwa Andy Warhol, Paul Newman, Martin Luther King auf dem Marsch von Selma nach Montgomery, Ike und Tina Turner und natürlich seinen „Easy Rider“- Freund Peter Fonda.
Kritikern und Regisseuren erschien Dennis Hopper mit zunehmendem Alter „gütiger und weiser“ Er wehrte sich nicht gegen diese so fremd klingenden Attribute. „Nun ja, wenn man weise und gütig erscheinen will, hilft es sehr, nicht mehr zu trinken und keine harten Drogen zu nehmen. Das schaffe ich nun seit 24 Jahren, da stellt sich schon irgendwann eine gewisse Beschaulichkeit ein.“ Und noch etwas gestand das ehemalige Raubein und Enfant terrible: „Alles begann ja mit meiner Schüchternheit. Ich hatte mich für ein öffentliches Leben entschieden, aber es war immer schwierig aus mir herauszugehen und in der Öffentlichkeit zu bestehen. Das Trinken und die Drogen halfen dabei. Sie befreiten mich auf eine Weise und zerstörten mich auf eine andere, und irgendwann musste das enden, so oder so.“
Als Dennis Hopper so sprach, widmeten namhafte Museen seiner Malerei breiten Raum. Das Museum of Contemporary Art brachte die Ausstellung: „Dennis Hopper: Double Standard“. Kurator Julian Schnabel nannte Hopper sein künstlerisches Vorbild.
Mit dem Privatleben lief’s weniger gut. Hopper war fünf Mal verheiratet, hatte vier Kinder von vier verschiedenen Frauen und reichte kurz vor seinem Tod seine letzte Scheidung ein. Er verstarb am 29. Mai 2012 an Prostatakrebs in seinem Haus in Venice. Beerdigt wurde er in Taos in New Mexico. In diesem Ort und der Umgebung wurden große Teile von „Easy Rider“ gedreht.
Foto: Columbia Pictures (1)