Winston Churchill und sein Alkoholkonsum
Der Premier, dessen Whiskyglas nie leer wurde
von Werner Schneider
Einer der schlimmsten Diktatoren, Kriegsverbrecher und Massenmörder der Geschichte, Adolf Hitler, bezeichnete seinen britischen Widersacher Winston Churchill als „Schwätzer und Trunkenbold“. Der tschechische Präsident Milos Zeman verteidigte sich gegen Angriffe auf seine Person wegen seines Alkoholkonsums mit den Worten: „Adolf Hitler war abstinent, Nichtraucher und Vegetarier und hat den Krieg verloren, während der britische Premier Winston Churchill täglich eine Flasche Whisky und drei Flaschen Champagner trank und acht Zigarren rauchte – und er hat den Krieg gewonnen.“
Wie stand es nun wirklich um den Alkoholkonsum jenes britischen Premiers, der sein Land durch den Zweiten Weltkrieg führte? WWikipedia klammert das Alkoholproblem und seine Depressionen praktisch aus. Hier heißt es in der Einleitung zu einem ellenlangen Beitrag: „Sir Winston Leonard Spencer-Churchill (geboren am 30. November 1874 in Woodstock (England); gestorben am 24. Januar 1965 in London) gilt als bedeutendster britischer Staatsmann des 20. Jahrhunderts. Er war von 1940 bis 1945 und von 1951 bis 1955 Premierminister und führt Großbritannien durch den Zweiten Weltkrieg. Zuvor hatte er bereits mehrere Regierungsämter bekleidet, unter anderem das des Ersten Lords der Admiralität, des Innen- und des Finanzministers. Darüber hinaus trat er als Autor politischer und historischer Werke hervor und erhielt 1953 den Nobelpreis für Literatur.“
Churchill selbst ging auch öffentlich mit dem Begriff Alkohol recht locker um: „Ich habe mehr vom Alkohol bekommen als er von mir“, soll eines seiner Lieblingszitate gewesen sein. Auch bei Tischgesprächen hielt der Premier nicht hinter dem Berg. Bei einem Dinner soll sich folgender Disput entsponnen haben: Lady Astor sagte zu Churchill: „Sir, wenn Sie mein Ehemann wären, würde ich Ihren Drink vergiften.“ Dieser konterte: „Madam, wenn Sie meine Ehefrau wären, würde ich ihn trinken.“
Nach dem Frühstück der erste Whisky
Auch erzählte Churchill über seine Jugendzeit, die er beim Militär verbracht hatte. Er war in verschiedenen orientalischen Ländern im Kriegseinsatz. Das Wasser sei nicht zum Trinken geeignet gewesen, man habe es mit Whisky mischen müssen. Eine Gewohnheit, die der Premier ein Leben lang beibehielt. Sein Hausmeister Norman McGowan erinnerte sich: „Circa eine Stunde nach dem Frühstück setzte ich ihm seine erste Portion Whisky Soda vor. Im Laufe des Tages wurde das Glas nie leer.“
Aber nicht nur das schottische Nationalgetränk liebte der Politiker, auch Champagner hatte es ihm angetan. Hans Rauscher, Kommentator bei der angesehenen österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ und Zeithistoriker rechnete einmal hoch, wie viel vom exklusiven französischen Sprudelwein wohl durch die Kehle des britischen Premiers geronnen sein mochten. Er kam auf rund 20.000 Flaschen. Während des Krieges, als Großbritannien noch Alliierte mit Josef Stalins Sowjetunion war, entdeckte der Premier an der Seite des trinkfreudigen Stalin seine Liebe zu Georgischen Brandy. Er soll ihn Kistenweise bestellt haben.
Besoffene Reden
Winston Churchill verließ seinen Amtssitz im zerbombten London nicht und hielt seine berühmten Durchhaltereden und machte bei seinen Auftritten nebenbei das „Victory“-Zeichen populär. Er zeigte sich in den zerstörten Städten wie Coventry (Hitler besuchte keine zerbombte deutsche Stadt) und versprach Vergeltung. Bei mancher seiner Reden hatte man das Gefühl, Churchill nuschle etwas. Zeitgenossen drückten es prosaischer aus: „da war er besoffen.“ Tatsächlich hatte Churchill genug vermeintliche Gründe, manchen Schluck zu nehmen. Großbritannien besteht aus Inseln, es gibt kein „Hinterland“. Die Versorgung kann nur übers Wasser erfolgen und da lauerten die deutschen U-Boote, die den Hilfskonvois aus den USA ordentlich zusetzten. Es gab die ständigen Luftangriffe. Und Churchill kämpfte an zwei Fronten, in Europa und im Pazifik, gegen die Japaner.
Vorzeitiger Amtsverzicht nach Schlaganfall
Die Bevölkerung stand hinter ihrem Sir Winston, der mit daran beteiligt war, dass die Nazis besiegt wurden. Es kam zu brisanten Treffen mit den Führern der alliierten Mächten: In Moskau in Jalta und zuletzt in Potsdam. Gastgeber Josef Stalin ließ opulente Mahle mit viel Alkohol auffahren. Man besprach die Teilung Europas am Tag und feierte bei Nacht. US-Präsident Franklin D. Roosevelt war ein kranker Mann, sein Nachfolger Harry S. Truman galt nicht als begnadeter Trinker. Blieben Stalin und Churchill. Die beiden misstrauten einander zutiefst. Trotzdem kam es zu Verträgen, die den Sowjets fast halb Europa zugestand.
Doch nach dem Krieg brauchte man den kleinen, rundlichen Mann mit der unvermeidlichen Havanna nicht mehr, Churchill verlor die Wahl im Juli 1945.
Dem Alkohol blieb er freilich treu. Das blieb auch dem Schweizer Gesandten in Paris nicht verborgen. „Vor ein paar Tagen traf ich Winston Churchill zum Essen (…). Dabei griff er in ziemlich kühner Weise zum vorhandenen Alkohol, mit dem Ergebnis, dass ich die zweite Hälfte unseres Gesprächs als null und nichtig betrachten muss. Er sprach Worte, aber es war schwierig, deren präzise Bedeutung zu erkennen“, hielt der Diplomat schriftlich fest.
Im Oktober 1951 erlangte seine Partei erneut die Macht und stellte mit Churchill den Premierminister, doch nur zwei Jahre später drängten ihn seine Parteifreunde zum vorzeitigen Amtsverzicht, da er zum wiederholten Male einen Schlaganfall erlitt.
Alkohol blieb nicht ohne Spuren
Über diese Zeit nach der Politik gibt es verschiedene Aussagen von Zeitzeugen. Die einen behaupten, Churchill haben bereits 20 Jahre vor seinem Tod mit dem Trinken und Rauchen aufgehört. Dagegen sprechen Bilder, die ihn mit Zigarre und Glas zeigen. Im noblen Hotel Astor wurde sorgfältig Buch geführt, was Sir Winston sich mit 88 Jahren zum Lunch auftischen ließ: Austern mit Champagner (Churchill liebte Meeresfrüchte), Cremesuppe aus grünen Erbsen mit einem Glas Sherry, Heilbuttfilet mit Rahmsauce und dazu Poilly-Fuisse (ein Weißwein). Dann ließ er sich ein Rinderfilet Wellington mit Karotten und Kartoffeln munden, in Begleitung von Burgunderwein. Zum Nachtisch gab es Crema Catalana (gebrannte Puddingsauce) mit einem Glas Madeira, zuletzt bestellte er einen Blue Stilton (Blauschimmelkäse) mit einem Glas abgelagerten Portwein.
Der viele Alkohol blieb nicht ohne Spuren. Der Gesundheitszustand des Politikers war für seine Ärzte alles andere als zufriedenstellend, auch erkrankten drei seiner Kinder an Alkoholismus.
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