Alkohol trinken hilft nicht gegen das Virus:
Corona: Fake News und Online-Meetings

von Harald Frohnwieser

Das Coronavirus, auch COVID-19 oder SARS-COV-2 genannt, hat die Welt fest im Griff. Vorsichtsmaßnahmen wie Ausgangssperren oder -beschränkungen und Verbot von Gruppenversammlungen werden getroffen, Hamsterkäufe von panischen Kunden leeren die Regale, Seifen und Toilettenpapier sucht man in vielen Geschäften vergebens. Natürlich sind rund um dieses Virus, von dem wir noch nicht allzu viel wissen, auch Alkoholkranke betroffen: wer täglich Alkohol trinkt hat einfach ein schlechteres Immunsystem und gehört damit zu den Risikopatienten, die einen dramatischeren Krankheitsverlauf erleiden können. Dem nicht genug kursieren jetzt Fake News im Internet die besagen, dass Alkohol trinken vor Corona-Epidemie schützen soll. Ein völliger und auch äußerst gefährlicher Blödsinn, wie Experten warnen. Und die Krise hatDiese Abbildung, zeigt die ultrastrukturelle Morphologie des neuartigen Coronavirus 2019 (2019-nCoV)noch weitere, wenn auch notwendige Folgen: die meisten Selbsthilfegruppen bieten mittlerweile nur noch Online-Meetings an.

Dass Fake News nicht nur dumm, sondern auch gefährlich sein können, wurde dieser Tage traurige Gewissheit. Im Iran fielen nicht wenige Menschen auf diesen Irrsinn herein und besorgten sich illegal hergestellten Schnaps auf dem Schwarzmarkt. Um es kurz zu machen: 44 Iraner überlebten diesen Fake nicht, sie verstarben an einer Mathanolvergiftung.
Daran sterben kann man zwar nicht, aber vor allem für trockene Alkoholiker kann dieser Versuch gefährlich sein: In Kettenbriefen, die im Internet im Umlauf sind, wird unter anderem geraten, sich den gesamten Körper mit Alkohol einzureiben, was angeblich gegen eine Infektion mit dem Coronavirus helfen soll. Doch der intensive Kontakt mit dem Alkohol auf der Haut könnte zu manchen Rückfällen führen, noch dazu, wenn man wie eine Schnapsleiche stinkt.
Alkohol trinken schützt nicht vor Corona-Epidemie
Wissenschaftler der Weltgesundheitsbehörde (WHO) sagen dazu in einer Stellungnahme, dass man mit dem Alkohol zwar Tische und ähnliches desinfizieren kann, aber ein Eindringen des Virus in den Körper kann so sicher nicht verhindert werden. Und weiter unmissverständlich: „Auch Alkohol trinken schützt auf keinen Fall vor einer Infektion mit dem Coronavirus!“
Deutschlands Gesundheitsminister Jens Spahn trug unfreiwillig zu solchen Gerüchten bei. In einer Pressekonferenz sagte er, dass das COVID-19 alkoholsensibel sei, weil es keinen Alkohol vertrage. Damit meinte er aber nur feuchte Handreinigungstücher, die in Apotheken und Drogeriemärkten angeboten werden. Diese Aussage wurde leider von einigen Zeitgenossen missverstanden, weil sie glaubten, dass der Alkohol auch von innen schütze.
Nacktrodeln, Coronapartys
So wurde etwa im sächsischen Oberwiesenthal das jährliche Nacktrodelrennen veranstaltet, bei dem traditionell der Alkohol im Strömen fließt. Veranstalter Joachim Nöske rechtfertigte sich gegenüber der „Freien Presse“ damit, dass das Virus keinen Alkohol vertrage und man es damit bekämpft. In diesem Zusammenhang kann man nur noch den Kopf schütteln, wie so manche unbelehrbaren Zeitgenossen ihren Alkoholkonsum rechtfertigen. Auch von sogenannten „Coronapartys“, die leider immer wieder veranstaltet werden, kann man nur abraten. Das Robert-Koch-Institut in Deutschland warnt davor und ruft dazu auf, das gesellschaftliche Leben einzuschränken. Dass bei solchen Partys, wo mehrere Dutzende feiern und sich betrinken, der von Fachleuten empfohlene 1-Meter-Abstand eingehalten wird, ist wohl nicht vorstellbar.
Es gibt auch alkoholfreie Desinfektionsmittel
Aber: Alkohol kann sehr wohl vor dem Virus schützen. Dazu das deutsche Bundesamt für Risikobewertung (BfR): „Viren, deren Erbgut von einer Fettschicht umhüllt ist, reagieren empfindlich auf fettlösende Substanzen wie Alkohole oder Tenside.“ Unter Tensiden versteht man waschaktive Substanzen, die in Waschmitteln, Spülmitteln und Haarwaschmitteln enthalten sind. Das BfR weiter: „Wenngleich für SARS-COV-2 (Coronavirus, Anm.) hierfür noch keine spezifischen Daten vorliegen, ist es hoch wahrscheinlich, dass durch diese Substanzen die Virusoberfläche beschädigt und das Virus inaktiviert wird.“ Das BfR hält aber fest, dass damit ausschließlich die Desinfektion von öffentlichen Flächen und der Hände gemeint ist. Somit ist klar: Das Trinken von Alkohol, um das Coronavirus fernzuhalten, ist und bleibt eine Schnapsidee! Wer jedoch als trockener Alkoholiker auf alkoholhältige feuchte Tücher verzichten will, kann sich freilich in Apotheken und Drogeriemärkten alkoholfreie Desinfektionsmittel besorgen.
Selbsthilfegruppen bieten Alternativen an
Vom Coronavirus sind natürlich auch die Selbsthilfegruppen betroffen. Die Anonymen Alkoholiker (AA) in Österreich informieren auf ihrer Homepage darüber, dass alle Meetings so lange ausgesetzt werden, bis die Krise überstanden ist: „Die Gemeinschaft AA hält ab sofort keine Meetings mehr an öffentlichen Orten an.“ Als Ersatz werden Alternativen wie Online-Meetings, Skype-Meetings, WhatsApp-Meetings und Zoom-Meetings angeboten. Wie man daran teilnehmen kann wird auf der Homepage informiert. Die AA in Deutschland hat sich noch zu keiner klaren Linie durchgerungen, appelliert aber an alle, sich der eigenen Verantwortung zu stellen. Auch sie weisen auf die Möglichkeit von Online-Meetings, die sie anbieten, hin.
Gruppentreffen weitgehend abgesagt
Das Blaue Kreuz in Deutschland hat ebenfalls alle Gruppentreffen abgesagt und bittet, neuen Hilfesuchenden telefonischen Kontakt anzubieten. Auch das Blaue Kreuz Wien und Wien-Umgebung hat bis auf Weiteres alle Treffen abgesagt und verweist auf die Möglichkeit eines Kontakts per e-Mail. Die Selbsthilfegruppe Kreuzbund informiert auf ihrer Homepage wie folgt: „Da soziale Kontakte so weit wie möglich eingeschränkt werden sollen, sollten auch die Gruppentreffen – wenn dies nicht schon geschehen ist – bis auf Weiteres abgesagt werden. Andere Verbandsveranstaltungen auf Orts-, Stadt-, Diözesan- oder Bundesebene sollten wenn möglich verschoben werden oder – im Einzelfall – wirklich nur dann stattfinden, wenn ein Abstand von zwei Metern zwischen den Teilnehmern gewährleistet ist.“ Auch die Guttempler weisen auf ihrer Homepage darauf hin, dass mittlerweile nahezu alle Veranstaltungshäuser geschlossen sind und raten, vor dass man sich vor dem Besuch einer Gruppe mit der jeweiligen Kontaktperson in Verbindung setzen soll.
Zusammenhalten per Distanz
Wie eingangs schon erwähnt, das Coronavirus hat uns alle fest im Griff. Das gilt auch für alkoholkranke Menschen und trockene Alkoholiker. Nun gilt es, das Beste aus der Situation zu machen und sich in psychischen Krisenfällen Hilfe bei den diversen Beratungsstellen zu holen. Wenn alle jetzt zusammenhalten und persönliche Kontakte so gut es geht zu vermeiden, dann wird die Krise hoffentlich bald wieder der Vergangenheit angehören.

Anonymen Alkoholiker (AA) Österreich: www.anonyme-alkoholiker.at/covid

Blaue Kreuz Wien und Wien-Umgebung: www.alkoholhilfe.at


Anonymen Alkoholiker (AA) Deutschland: www.anonyme-alkoholiker.de/meetings/onlinemeetings/

Blaue Kreuz Deutschland: www.blaues-kreuz.de

Kreuzbund Deutschland: www.kreuzbund.de/de/chat-fuer-alkoholkranke-und-suchtkranke-menschen.html

Guttempler Deutschland: www.guttempler.de

Caritas Deutschland: www.caritas.de/hilfeundberatung/onlineberatung/suchtberatung/start


Anonymen Alkoholiker (AA) Schweiz: www.anonyme-alkoholiker.ch

Blaue Kreuz Schweiz: www.blaueskreuz.ch/alcorisk/

Grafik: Center for Disease Control and Prevention (1)