Dr. Ruediger Dahlke im „Alk-Info“-Interview
„Der Politik traue ich bei der Suchtbekämpfung nichts zu“
von Harald Frohnwieser
Dr. Ruediger Dahlke zählt längst zu den bekanntesten Psychotherapeuten und Ganzheitsmedizinern. Er hat über 60 Bücher zu den verschiedensten Themen geschrieben,veranstaltet Seminare und hält erfolgreich Vorträge. Im großen „Alk-Info“-Interview denkt er über alternative Wege in der Alkoholtherapie, über Burnout im Zusammenhang mit Alkoholismus, über Sucht als Sinnsuche, über überforderte Jugendliche und über die aus seiner Sicht beschämenden Rolle der Politik auf dem Gebiet der Suchtbekämpfung nach.
„Alk-Info“: Herr Dr. Dahlke, die Zahl der Alkoholabhängigen ist im Steigen. Schon im Jahr 2015 ist die Alkoholsucht nach den Depressionen, den Herzerkrankungen und Diabetes in den Industriestaaten an der 4. Stelle der am meisten verbreiteten Krankheiten stehen. Worin liegt Ihrer Meinung nach die Ursache?
Dr. Ruediger Dahlke: Ich fürchte es liegt daran, dass Alkohol eine Art Fluchtdroge ist und sich unsere moderne Gesellschaft immer mehr in eine Richtung entwickelt, der immer mehr Menschen nur noch entfliehen wollen. Außerdem ist der Alkohol als legale Droge für Bürger, die sich ein schreckliches Leben „schön saufen“ wollen, fast alternativlos, billig, leicht und überall verfügbar. Und vor allem wird der Einstieg so leicht gemacht, weil Alkohol so zum Leben gehört…
Alkoholismus ist immer ein Symptom dafür, dass die Seele krank ist. Was ist Ihrer Meinung nach wichtiger bei der Behandlung eines Alkoholikers – die des Körpers, die der Seele oder beides?
Natürlich beides. Aber der körperliche Entzug allein ist zwar notwendige Voraussetzung einer erfolgreichen Therapie, aber längst nicht mal die halbe Miete. Erst wenn die Seele der Betroffenen wieder Fuß fasst und neuer Lebenssinn neue Lebenslust entfacht wird ist Hoffnung gerechtfertigt.
Sie gelten als großer Verfechter der Naturheilkunde. Kann man eine Alkoholabhängigkeit mit Naturheilmitteln behandeln?
Der Entzug ist jedenfalls im Fasten ungleich leichter, wie übrigens auch jeder andere Entzug. In 40 Arztjahren mit vielen fastenden Alkoholikern habe ich zum Beispiel noch nie ein Delirium tremens, die schwerste Komplikation des Alkoholentzugs, erlebt. Darüber hinaus ist Fasten nachweislich für die Leber eine geniale Therapie und da diese bei Alkoholproblemen oft in Mitleidenschaft gezogen ist, kommt hier ein weiterer hilfreicher Faktor hinzu. Die Leber lässt sich aber während solch einer Kur auch darüber hinaus gut mit Leber-Tees und Leber-Wickeln versorgen. Homöopathische Mittel wie Chelidonium, Schöllkraut und die Mariendistel, Carduus marianus, ab D12 können ebenfalls helfen. Außerdem ist es natürlich mit einer frischen pflanzlich vollwertigen Ernährung im Sinne von „Peace-Food“ ungleich leichter, die Schäden nach einer langen Alkoholzeit zu beheben.
Sie befassen sich auch sehr viel mit Burnout. Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen dieser Erkrankung und einer Alkoholsucht?
Viele Burnout-Opfer ergeben sich auch dem Alkohol. Vor allem in der Phase, wo sie die Ausweglosigkeit ihrer Situation nicht einsehen wollen, flüchten nicht wenige in den Alkohol und trinken sich das Leben schön, oder wie die Bayern sagen würden, saufen es sich schön.
„Sucht“ hat auch sehr viel mit „suchen“ zu tun. Sind Alkoholiker Suchende?
Nach meiner Erfahrung nach ist jeder Mensch entweder auf der Suche oder suchtgefährdet. In einer Gesellschaft, die die Suche generell aus den Augen verloren hat, ist Sucht von daher ein großes Thema und Alkohol als einzige leicht erhältliche psychoaktive Fluchtdroge natürlich für viele die „Lösung“, die dann zum großen Problem wird.
Ist Sucht gleich Sucht?
Nein, sicher nicht.
Welche Unterschiede gibt es zwischen einer Ess-Brechsucht, einer Spielsucht, einer Drogensucht und einer Alkoholsucht?
Sucht und Suche gehören, wie oben erwähnt, praktisch immer zusammen. Von den Archetypen oder Lebensprinzipien her betrachtet, sind alle Süchte zum 12. oder Neptun-Prinzip zu rechnen, zu dem eben auch die Suche, der spirituelle Lebenssinn und das Transzendente gehört. Aber jede hat ihre Oberschwingung, bei der Spielsucht ist mehr ein Ego-Thema im Mittelpunkt, bei der Esssucht das Thema Genuss und beim Alkohol eben die Flüchtlingsproblematik. Letztlich kann man jedem der 12 Lebensprinzipien mehrere Süchte zuordnen.
Auf der einen Seite bekommen die Esoterik und das Spirituelle einen immer größeren Stellenwert in unserer Gesellschaft, andererseits nehmen die psychischen Erkrankungen stark zu. Hat das Suchen nach Spiritualität wenig Sinn?
Die hat schon Sinn, und die Sinnsuche ist ein zentraler und heute viel zu kurz kommender Bereich in unserer Konsumgesellschaft. Aber die meisten Angebote halten wohl nicht, was sie versprechen und vermitteln kaum verlässliche Inhalte und schon gar keinen Sinn, der durchs Leben trägt. Wenn das doch der Fall ist, können sich auch viele Suchende damit eine sichere Lebensgrundlage schaffen. Jedenfalls bekomme ich von vielen Menschen, nicht nur von Süchtigen, Feedback, dass sie sich mit der Buch-Trilogie, die ich zu diesem Thema verfasst habe, wieder eine Basis schaffen konnten. Darin geht es zum einen um die zeitlosen Gesetze, die fast allen Religionen gemeinsam sind: „Die Schicksalsgesetze – Spielregeln fürs Leben“, zum anderen um die dunkle Seite unseres Lebens in „Das Schattenprinzip“ und eben um die schon erwähnten „Lebensprinzipien“, die allerdings wirklich erst nach den ersten beiden Büchern Sinn machen. Letztere lassen sich noch leichter mit dem gerade erschienenen Buch „Die Hollywood-Therapie – was Filme über uns verraten“ (Edition Einblick, www.heilkundeinstitut.at) gleichsam nebenbei und spannend über Spielfilme (kennen-)lernen.
Sie bieten auch Reinkarnation-Seminare an?
Nein, das habe ich nie getan und würde es auch nicht.
Wäre es für einen Alkoholabhängigen nicht sinnvoll zu wissen, ob er in einem vorherigen Leben ebenfalls unter einer Sucht gelitten hat und nun nochmals auf der Welt ist, um diese in den Griff zu bekommen? Das behaupten zumindest so manche Esoteriker.
Süchtigen würde ich eine Krankheitsbilder-Therapie im Heilkunde-Zentrum in Johanniskirchen empfehlen, wobei die Inkarnationen dabei wirklich nur eine untergeordnete Rolle spielen und als Projektionsfläche für die Probleme dienen.
Welchen Stellenwert haben für Sie die „Anonymen Alkoholiker“, die einen sehr spirituellen Weg gehen, Stichwort: Zwölf-Schritte-Programm?
Die AA kenne ich gut durch die langjährige Freundschaft zu Walther Lechler, der die AA-Gruppen nach dem Krieg in Deutschland eingeführt hat. Diese Arbeit finde ich wundervoll und sehr erfolgreich.
Ich habe Patienten auch sehr oft geraten, sich an ihre lokale Gruppe zu halten.
Oder das „Blaue Kreuz“ der Evangelischen Kirche, dem ja auch eine religiöse Nähe zu Grunde liegt?
Das kenne ich ehrlich gesagt zu wenig, um darüber zu schreiben. Lebenssinn zu finden ist jedenfalls wichtig, wobei das nach meinen Erfahrungen für die meisten modernen Menschen leichter ist, wenn es nicht zu konfessionell gebunden ist, es sein denn sie stehen zu dieser religiösen Richtung.
Eines Ihrer Bücher heißt „Krankheit als Symbol“. Was symbolisieren Krankheiten, vor allem die seelischen?
Lern- und Lebensaufgaben. Ein Beispiel haben Sie mit Sucht, hinter der letztlich Suche steht ja schon angesprochen. Tatsächlich finden ich in "Krankheit als Symbol" Tausende von Symptomen und Hunderte von Krankheitsbilder gedeutet.
Niedergelassene Ärzte sind meist der ersten Ansprechpartner eines Süchtigen. Sollten diese Ärzte besser ausgebildet werden, was den seelischen Aspekt ihrer Patienten betrifft?
Was heißt besser, sie sind in der Regel überhaupt nicht dafür ausgebildet. Wenn ich nicht von mir aus in der Psychiatrie gearbeitet hätte und einige Psychotherapie-Ausbildungen gemacht hätte, hätte ich da gar nichts mitbekommen. Das ist fast so schlimm wie bei der Ernährung, da haben Ärzte ganz wenig gelernt, und das war wie sich heute zeigt und ich in „Peace-Food“ darlege auch noch völlig daneben.
Psychische Erkrankungen sind leider immer noch ein Tabu in unserer Gesellschaft. Was kann die Politik dagegen tun, damit sich Menschen nicht mehr schämen müssen, wenn sie unter einer Depression oder einer Sucht leiden?
Der Politik trau ich da gar nichts zu, ich glaube auch nicht mal, dass da ein ernstes Interesse besteht. Alkoholismus ist übrigens unter deutschen Politikern ein ziemliches Thema, was an deren Entwurzelung liegen mag, wenn sie weit von der Heimat wegen dem relativ großen Land ein ziemlich langweiliges Hinterbänkler-Dasein führen.
Eher könnte sich bei der zunehmenden Zahl an Depressions- und Burn- und Bore-out-Opfern in der Bevölkerung da ein offeneres Bewusstseinsfeld entwickeln. Seit ich vor Jahren die sogenannten Geisteskrankheiten in das von Ihnen schon erwähnte Nachschlagewert „Krankheit als Symbol“ aufgenommen habe, hat sich das auf den Informationsstand jedenfalls vieler meiner Seminarteilnehmer deutlich spürbar ausgewirkt. Und das ist ja immerhin ein Buch, das als Nachschlagewerk in immer mehr Familien steht.
Natürlich könnten auch Presse und Rundfunk darüber offener und tiefer informieren, aber eben die schielen nur noch auf Quote und die bringen diese Themen kaum.
Was soll die Politik da machen? Eher könnte noch die Religion helfen, wenn sie wieder Fuß fasst, immerhin setzt der neue Papst ja einige Hoffnungszeichen. Falls er sich wirklich vorbehaltlos am ersten Franziskus orientiert, hätte ich da durchaus Hoffnung.
Wer in unserer Gesellschaft viel Alkohol verträgt, ist meist sehr anerkannt bei Freunden und Kollegen, wer jedoch ernsthaft an Alkoholismus erkrankt ist, wird dann geächtet. Woran liegt das?
Die Anerkennung beschränkt sich ja auf die Männerwelt oder eigentlich besser auf die Jungenwelt, denn erwachsene Männer saufen nicht und finden das auch nicht anerkennenswert. Das hat – in meinen Augen – viel mit dem Fehlen von Pubertäts-Ritualen zu tun und dem riesigen Heer unerwachsener Möchtegern-Männer, die ständig unterwegs sind, um das Fürchten zu lernen und endlich erwachsen zu werden. Aber mit Sauf-Ritualen klappt es natürlich nicht.
Die Ächtung hat wohl vor allem mit der Hilflosigkeit zu tun und damit, dass die Betroffenen viele an die eigenen Probleme erinnern.
Immer öfter greifen auch Jugendliche oder Kinder zu Alkohol. Ist unsere Jugend überfordert?
Das glaube ich schon und insbesondere die männliche Jugend, die so überhaupt nicht männlich ist, nicht mal mehr halbstark, sondern wirklich in einer bedauerlichen Situation. Wenn man sich das Verhältnis zwischen Jungen und Mädchen in den letzten drei Jahrzehnten anschaut, schaut das fürchterlich für die Jungen aus. Überfordert, aber auch verzweifelt und allein gelassen.
Mit dem Trinken aufzuhören, kann ja noch nicht alles sein. Welchem Lebenssinn soll sich ein trocken gewordener Alkoholiker suchen, um wieder ein erfülltes Leben zu erlagen?
Den muss er natürlich selbst herausfinden. Als Arzt kann ich nur sagen, es sollte einer sein, der ihn auch durchs Leben tragen kann. Persönlich habe ich mit der Vermittlung der universellen „Schicksalsgesetze“, dem Schattenprinzips und den „Lebensprinzipien“ gute Erfahrungen gemacht.
Welche Therapien könnten Sie einem Alkoholabhängigen anbieten?
Persönlich habe ich gar keine Ordination mehr. Die erwähnten Therapien finden im Heil-Kunde-Zentrum in Johanniskirchen statt, das meine Exfrau leitet.
Dr. Ruediger Dahlke kam 1951 in Berlin zur Welt, wuchs im bayrischen Freising auf, studierte in München Humanmedizin, baute gemeinsam mit seiner Frau Margit das Heilkunde-Zentrum in Johanniskirchen und anschließend das vegane Fasten und Seminar-Zentrum TamanGa in der Südsteiermark in Österreich auf.
Heilkunde-Zentrum Dahlke
84381 Johanniskirchen, Schornbach 22
Tel.: +49 (0)8564/819
e-mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Web-Adresse: www.dahlke-heilkundezentrum.de