Alkohol im Gefängnis ist ganz alltäglich
Von riesigen Räuschen hinter schwedischen Gardinen
von Werner Schneider
In den Haftanstalten herrscht normaler weise striktes Alkoholverbot. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass Strafgefangene an Nieder- oder Hochprozentiges herankommen. So darf es auch nicht wundern, dass der RP-Online Pressedienst einst titelte: „Alkoholvergiftung in der Ulmer Höh‘“ (Haftanstalt in Düsseldorf). Mit ernsten Konsequenzen für die Trinker. „Alk-Info“ sprach mit einem Ex-Strafgefangenen, der mehr als 17 Jahre in einer Haftanstalt in Österreich verbracht hat.
Selbst ist der Mann und so wird in fast allen Gefängnissen illegal Alkoholisches hergestellt. In der Regel landen aber nicht gleich 14 Mann auf der Intensivstation. Die 25- bis 35-Jährigen hatten sich einfach abgefüllt. „Es geht dabei nicht um den Geschmack oder Genuss“, sagt Anstaltsleiter Bernhard Lorenz, „es geht um die schnelle Wirkung.“ „Aufgesetzter“ heißt das Gebräu in Deutschland, „Angesetzter“ in Österreich. Ein deutscher Häftling soll gesagt haben: Das Zeug schmecke wie „kühler Wein mit Kotzgeschmack“.
Auch die Berliner Zeitung wusste von Klinikaufenthalten zu berichten. Dort hatte ein Insasse die Werkstätte taumelnd verlassen und war dann zusammengebrochen. Dass er sogar ins Koma gefallen sei, dementierte die Pressesprecherin. Dann setzte ein, was sein muss, nämlich eine gründliche Durchsuchung der Zellen und Werkstätten – und man wurde fündig. Ganze Brennereien wurden gefunden.
70-prozentigen Schnaps in Mineralwasserflaschen
Die Situation ist – wenn man Medienberichten glauben darf – in Deutschland kaum anders. Wie die Berliner Zeitung vermeldete, kämen Brennereien mit Material aus der Schlosserei ebenfalls recht häufig vor. Der Preis: Fast identisch, man „Destilliert mit der Brennvorrichtung aus dem Aufgesetzten einen 70-prozentigen Schnaps, den verkauft er in Seltersflaschen (Mineralwasserflaschen, Anm.) für 40 Euro weiter“.
Aber solches Gesöff in den verschiedensten Varianten findet sich nicht nur in Europa, auch in Haftanstalten in Übersee kursieren Alkoholika.
Grundstoffe wie Ketchup oder Milch
In südamerikanischen Gefängnissen soll der illegale Handel mit draußen bisweilen fast reibungslos funktionieren. In den USA gibt es „prison wine“ (Gefängniswein), auch Pruno genannt. Hier ist man noch einfallsreicher oder geschmacklich noch weniger verwöhnt. Als Grundstoffe werden auch Ketchup oder Milch genannt (siehe oben: Geschmack wie „Kotze“). Wo keine Hefe vorhanden, dort behilft man sich mit Brot….
Übrigens hatte der Insasse einer Todeszelle, Jarvis Masters, ein Gedicht mit dem Rezept für Pruno verfasst, dieses gewann 1992 einen PEN-Award (Schriftstellerauszeichnung).
„Alk-Info“: Ist es wirklich so leicht, an Alkohol im Gefängnis heranzukommen?
Hermann M.*: Das ist kein Problem, den kann sich jeder selbst machen. Fruchtsaft gibt es zu kaufen, dann braucht man noch ein bisschen Zucker und Germ (Hefe).
Wird damit gehandelt?
Eher nicht, das Zeug hat keinen Wert, weil es jeder selbst machen kann. Nur ein paar Frischg’fangte (Neuzugänge, Anm.) zahlen was dafür.
Gibt es auch Hochprozentiges?
Sicher. Was man für eine kleine Brennerei braucht, findet sich in den Werkstätten. Das Problem ist, an das Kupferrohr heranzukommen. Aber wenn man einen guten Aufseher findet, der einen halben Meter oder einen Meter mitbringt, ist das auch kein Problem.
Wie teuer ist so ein selbst gebrannter Schnaps?
Der kostet viel, an die 30 Euro für den halben Liter – dort wo ich war. Das ist aber verschieden, je nachdem wie streng die Kontrollen sind.
Darf man denn das Geld für so etwas haben?
Eigentlich nicht, es ist aber genug Schwarzgeld im Umlauf. Die Russen haben genug für Alkohol und andere Annehmlichkeiten, wie etwa Handys; Türken und Serben verdienen mit Rauschgift, das oft die Oma einschmuggelt, ohne es zu wissen. Die hat das unter dem Mantelkragen und unter dem Kopftuch. Beim Umarmen wechselt es den Besitzer.
Man sagt, dass Alkohol auch eingeschmuggelt wird – wie geht das?
Na ja, da spielen manchmal die Aufseher mit. Die bringen eine Mineralflasche herein, ganz offiziell und drinnen ist Wodka. Das ist teurer.
Wie streng sind die Kontrollen?
Das ist von Häfen (Gefängnis, Knast, Anm.) zu Häfen verschieden. Meist, wenn keine Auffälligkeiten passieren, wollen die ihre Ruh‘ haben. Wenn einer herum torkelt wie bei den Teletubbies, dann müssen sie durchgreifen. Auch wenn es zu Aggressionen kommt. Dann ist schnell eine Bewährung weg.
Hattest du Probleme bei der Eigenproduktion?
In 17 Jahren nur einmal, da habe ich vier oder fünf Liter hergestellt. Da hat der Kas (altösterreichisch für Kaiserlicher Aufschließer) gesagt: „Schütt‘ das weg, wenn ich in fünf Minuten wieder kommen, dann finde ich nichts mehr, o.k.?“ Sonst habe ich nie einen Anstand gehabt, ich bin aber auch nie aufgefallen und habe meine Arbeit ordentlich erledigt.
* Name von der Redaktion geändert – Hermann M. geht übrigens jetzt regelmäßig zu den Anonymen Alkoholikern.
Grafik: Thomas Frohnwieser (1)