Kneipenschreck Sebastian Frankenberger will 0,0-Promille-Grenze
„Da werden sicher so manche durchdrehen…“
von Harald Frohnwieser
Sein Steckbrief hing lange Zeit in vielen bayrischen Lokalen, er wurde verbal angegriffen und bekam sogar Morddrohungen. Sebastian Frankenberger, 1981 in Passau geboren, war federführend beim Nichtraucherschutz in bayrischen Gaststätten. Jetzt geht der Vorsitzende der Ökologisch-Demokratischen-Partei (ÖDP), Jugendbetreuer, Notfallseelsorger und Reiseführer einen Schritt weiter: Frankenberger fordert, dass auf Deutschlands Straßen die 0,0-Promille-Grenze eingeführt werden soll und will zudem höhere Steuern auf Alkohol sowie ein Werbeverbot für alkoholische Getränke in TV, Radio und bei Sportveranstaltungen. Im „Alk-Info“-Gespräch erklärt der Jung-Politiker, der selbst noch nie einen Tropfen Alkohol getrunken hat, seine Beweggründe.
„Alk-Info“: Sie fordern ein totales Alkoholverbot für Autofahrer. Rechnen Sie dabei mit ähnlichen Widerständen wie bei Ihrer, letztlich erfolgreichen, Kampagne gegen das Rauchen in Lokalen?
Sebastian Frankenberger: Da werden sicher so manche durchdrehen. Aber man muss bedenken, dass der Alkohol die Hauptdroge bei uns ist und die Folgeschäden noch viel größer sind als jene beim Rauchen. Wobei man sich mit dem Alkohol nur selbst schädigt, außer im Straßenverkehr. Daher fordern meine Parteifreunde und ich die 0,0-Promille-Grenze beim Autofahren. In anderen Ländern wie Russland, Polen, Tschechien oder Ungarn funktioniert das ja auch. Zudem ist es bei uns selbstverständlich, dass 0,0 für alle Fahranfänger gilt. Warum also soll das nicht für alle gelten?
Glauben Sie, dass die Bevölkerung ein Alkoholverbot für Autofahrer akzeptieren würde?
Ich denke, dass ist wie beim Nichtraucherschutz, das war auch ein langer Weg. Aber wenn die 0,0-Promille-Grenze einmal eingeführt ist, dann wäre das kein allzu großes Problem. Die Strafen bei Zuwiderhandeln müssten halt dementsprechend groß sein. Wer in Tschechien dagegen verstößt, ist gleich einmal um 1000 Euro ärmer, wenn er erwischt wird. Da funktioniert das, weil die Leute sich großteils daran halten.
Wäre ein Alkoholverbot im Straßenverkehr am Land ein größeres Problem als in der Stadt, wo es die Öffis gibt?
Es leben ja auch viele Jugendliche am Land, die Fahranfänger sind und nichts trinken dürfen, und die gehen ja auch weg.
Aber der Alkohol gehört doch zu unserer Kultur, sagt man zumindest.
Das stimmt schon, dass ein Glas Bier oder Wein zu unserer Kultur zählt, aber halt nicht beim Autofahren. Wenn wir rauskommen aus der Mystifizierung des Alkohols und dorthin kommen, wo es um Verantwortung geht, dann kann eine große gesellschaftliche Verantwortung passieren. Alleine der Diskussionsanstoß verändert viel. Da ist es die Aufgabe des Staates, hier einzugreifen, weil freiwillig geschieht ja nicht viel, so wie bei der Prävention. Das betrifft auch Österreich, wobei das Problem ist, dass hier eine noch viel größere Politikverdrossenheit herrscht als in Deutschland.
Wenn man, wie Sie sagen, die Gesellschaft verändern will, muss man da nicht bei den Eltern ansetzen?
Die, die jetzt Eltern sind, die kommen schwer aus den eingetretenen Pfaden wieder raus. Man kann eine Gesellschaft nur verändern, wenn man an die ran kommt, die in zehn oder 15 Jahren Eltern sind. Die eigentliche Veränderung muss daher über unsere Schulen kommen. Wir haben ein Schulsystem das auf eine reine Leistungsgesellschaft aufgebaut ist. Wir leben in einer Gesellschaft, die immer schneller wird, und da kommen viele nicht mehr mit. Deshalb nehmen die Burnout- und die andere psychischen Erkrankungen zu, weil der Körper diesen Druck nicht mehr aushält. Da müssten die Schulen gegensteuern. Wie gesagt, wir müssen bei den heutigen Kindern anfangen, um diesbezüglich etwas zu verändern.
Sind Sie deshalb für ein Werbeverbot für alkoholische Getränke?
Ja. Das ist das Wichtigste – ein absolutes Werbeverbot für Alkoholika in TV, Radio und bei Veranstaltungen. Dann kann es langsam zu einer Veränderung in der Gesellschaft kommen. Gerade bei Sportveranstaltungen wäre ein diesbezügliches Werbeverbot so wichtig, nicht nur beim Fußball, auch bei der Formel 1. Und was die Werbung im Fernsehen angeht: Die großen Brauereien zahlen den öffentlich-rechtlichen Sendern jährlich 200 Millionen Euro. Aber dafür gibt’s ja die Kampagne „Keine Macht den Drogen“…
Sie sind auch als Jugendbetreuer tätig. Gibt es für Ihre Jugendlichen, die Sie betreuen, ein Alkoholverbot?
Überhaupt nicht. Ich stelle jedem frei, ob er oder sie etwas trinken will oder nicht. Wenn wir eine Reise unternehmen sage ich meinen Jugendlichen immer, dass sie trinken können so viel sie wollen, aber ich sage auch, dass sie am nächsten Morgen fit sein müssen. Und ich sage ihnen, dass sie darüber nachdenken sollen, ob sie mit dem Alkohol nicht irgendwelche Probleme runter spülen wollen und ob es nicht besser wäre, darüber nachzudenken, was sie dann auch annehmen. Ich habe mit meinen Jugendgruppen noch nie ein Problem wegen des Alkohols gehabt. Die haben oft bis spät in die Nacht Spaß, obwohl keiner einen Tropfen Alkohol getrunken hat. Ich bin überhaupt ein großer Fan von unserer Jugend, weil sie so weltoffen, wissbegierig und untereinander so gut vernetzt ist.
Komasaufen, Rauschtrinken: Viele Jugendliche haben bereits eine große Erfahrung mit dem Alkohol. Sprechen Sie dieses Thema bewusst an?
Selbstverständlich. Und ich sage Ihnen, wenn man dieses Thema anspricht, dann stoßt das auf ein sehr großes Interesse, das merke ich immer wieder. Die Jugendlichen suchen ja einen Halt und sie sind froh, wenn sie mit jemandem offen über ihre Sorgen und Ängsten reden können.
Sie selber haben noch nie einen Tropfen Alkohol getrunken. Warum?
Ich bin mit 14 Jahren Oberministrant geworden und hatte plötzlich die Verantwortung für 70 Jugendliche. In diesem Zeitraum hat es auch in meiner Klasse angefangen, dass meine Schulkameraden darüber geredet haben, wie und wo sie sich am nächsten Wochenende betrinken werden. Da wollte ich als gutes Beispiel voran gehen und habe beschlossen, dass ich keinen Alkohol trinken werde. Aber ich war nie missionarisch unterwegs, es soll jeder selber entscheiden ob und wie viel er trinkt. Nur beim Autofahren halt nicht. Aber ich brauche den Alkohol nicht um Spaß zu haben. Ich kann ohne ihn genauso herumalbern.
Sie fordern auch eine höhere Alkoholsteuer.
Ja, vor allem auf die Getränke, die besonders schädlich sind. Dazu zählen vor allem Wodka, Schnaps und vor allem die Alkopops. Die Einnahmen aus den Steuern sollen dann natürlich zweckgebunden sein und in die Suchtbekämpfung fließen.
Wird es eine Kampagne geben? Und wenn ja, ab wann?
Da muss man jetzt einfach einmal abwarten, wir sind noch mitten in der Diskussion. Derzeit arbeiten wir mit einer Ärzteinitiative zusammen, aber es wird ein langer weg werden, bis unsere Forderungen ins Parlament kommen. Es wird sich in den nächsten Jahren zeigen, wo wir hingehen. Jetzt geht es einmal darum, in die Öffentlichkeit zu gehen und Mitstreiter zu finden.
Sie sind auch Notfallseelsorger. Was war hier Ihr schlimmstes Erlebnis?
Das war, als ein Betrunkener von einer Autobahnbrücke springen wollte. Der war total weggetreten und ich konnte nicht mehr an ihn herankommen. Dieser Mann war so betrunken, dass er tatsächlich sprang. Normalerweise springt jemand nicht, wenn die Rettungskräfte eintreffen, aber wenn jemand unter Alkohol steht, dann kann alles passieren. Das war ein sehr prägendes Erlebnis für mich, weil ich da einfach chancenlos war. Wenn man mitbekommt, wie ein Mensch total zumacht, die Kontrolle über sich verliert und in den Tod springt, dann ist das schrecklich.
Fotos: Thomas Frohnwieser (3), Ökologisch-Demokratische Partei (1)