Burnout bricht nicht aus, es kündigt sich an, dann hilft oft Prävention
Orientalische Musik als Balsam für geschundene Seelen

von Werner Schneider

Wer von Burnout spricht, stellt sich selbst oft die Frage: „Wie erkenne ich, dass ich der/die nächste PatientIn bin?“ Es gibt so viele Symptome, die zumeist zusammen auftreten, dass die klare Selbsterkenntnis: „Jetzt bin ich dran!“ nahezu unmöglich ist. Hier müssen Experten diagnostizieren. Aber es gibt die kleinen oder größeren Warnschüsse. Wenn man ausgelaugt ist, seinen eigenen Qualitätsansprüchen längst nicht mehr genügt, wenn das Arbeitspensum nur noch überfordert und der Urlaub statt Erholung Krankheit bringt –Brigitte Schmidt dann ist Feuer am Dach. Der Gang zum Arzt ist notwendig. Aber ergänzend kann orientalische Musik begleitet von Bewegung und Tanz - unter der Anleitung der steirischen Musiktherapeutin Brigitte Schmidt - Balsam für die geschundene Seele sein.

„Alk-Info“: Frau Schmidt, das Burnout-Syndrom ist eine relativ junge Krankheit und international noch nicht anerkannt, wann sollen Leute zu Ihnen kommen?
Brigitte Schmidt: Am besten bevor irgendetwas in Richtung Burnout passiert. Die Prävention ist sehr wichtig und sie ist gekoppelt mit einem gesunden Stressmanagement, denn ohne belastenden Dauerstress gibt’s kein Burnout.

Wie kann man Stressmanagement betreiben bzw. wie kann man rechtzeitig erkennen, dass man Stressmanagement notwendig hat?
Wenn’s belastend wird, wenn es Symptome gibt wie: ‚Ich glaube, mein Leben nicht mehr im Griff zu haben, ich werde gelebt und lebe nicht mehr. Ich haste nur noch von einem Termin zum nächsten, aber ich habe mein Leben nicht mehr im Griff‘. Ein ganz typisches Symptom zum Beispiel ist, wenn Menschen sich permanent überfordern und sagen: ‚Naja, jetzt habe ich noch ein bisserl eine stressige Zeit und dann gehe ich auf Urlaub‘. Dann gehen’s auf Urlaub - bis dahin halten sie noch ganz gut durch - und dann werden sie krank.

Der Oberarzt Dr. Manfred Maier hat einen typische Burnout-Patienten so charakterisiert: Vollbringt im Team seine hundertprozentige Leistung, wenn dieses Team dann reduziert wird, aber die gleiche Arbeitskapazität anfällt, ist dieser Mensch plötzlich hoffnungslos überfordert. Haben Sie diese Erfahrung mit Ihren Klienten auch gemacht?
Ja, wenn ich schon auf hundert Prozent fahre, dann ist das bereits kein normaler Zustand mehr; ich brauche einen Spielraum. Ein gesundes Leben besteht darin, dass es abwechselnde Tätigkeiten gibt und einen gesunden Rhythmus von Anspannung und Entspannung. In der modernen Arbeitswelt ist es leider so, dass man getrieben wird aufUd ist ein Saiteninstrument hundert Prozent zu laufen und das ist extrem ungesund.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, als Prävention die Klangschalen einzusetzen?
Ich verwende keine Klangschalen, ich bin Musiktherapeutin…

Pardon…
…ich habe ein Bewegungs- und ein Entspannungsprogramm und spiele auf orientalischen Instrumenten und singe dazu. Die Musik stammt aus dem Volksliedgut Zentralasiens und dem Vorderen Orient und geht leicht ins Ohr. Das Bewegungsprogramm ist so konzipiert, dass es im Sitzen durchgeführt wird. Es sind angenehme, meditative Bewegungen, aber der Körper wird doch als ganzes ein wenig durchbewegt. Das ist wichtig, um danach gut entspannen zu können.

Werden die Patienten von den Ärzten zu Ihnen geschickt oder kommen die von selbst?
Tatsächlich müssen sie im Krankheitsfall von den Ärzten geschickt werden, weil die Musiktherapie auf Zuweisung arbeitet, aber das ist noch nicht so bekannt. Es kommen viele selbst und bringen dann die Zuweisung vom Arzt nachträglich. Im Falle von Prävention ist eine Zuweisung nicht notwendig.

Wie viele Mediziner sind dem gegenüber aufgeschlossen? Ist das eher die Schulmedizin oder Alternativmedizin, sind es eher Fachärzte oder Allgemeinmediziner?
Ich glaube, das liegt jetzt nicht an der Richtung der Mediziner, ob Facharzt oder Allgemeinmediziner, sondern hängt davon ab, welche Einstellung oder welches Menschenbild der Mediziner hat. Wenn er ein ganzheitliches Menschenbild hat, wird er das sicherlich begrüßen, weil die Musiktherapie vor allem als Begleitung bei Burnout oder anderen Erkrankungen sehr wirkungsvoll ist. Noch besser ist es, präventiv zu arbeiten, nicht erst, wenn schon schwerste körperliche und psychische Krankheitsbilder vorhanden sind.

Sind diese Therapien für den Patienten mit Kosten verbunden oder übernimmt das die Krankenkasse?
Nein, das übernimmt die Krankenkasse nicht. Musiktherapie wird nur im Behindertenbereich, wo ich auch tätig bin,Ney ist eine Längsflöte vom Sozialamt übernommen. Die Krankenkasse übernimmt im Normalfall keine Musiktherapie, es gibt einige Zusatzversicherungen, wo man verhandeln kann. Sprich: Wenn es ein Budget für Fachtherapien gibt, kann man Musiktherapie wahrscheinlich auch abrechnen.

Es gibt auch viele Burnout-Gefährdete, die nicht in Spitzenpositionen tätig sind, für die ist das dann eine schwer oder gar nicht leistbare Therapie.
Jein – jein deswegen, weil eine Entspannungsgruppe wesentlich günstiger ist als wenn man schon Burnout-Patient ist. Denn dann hilft keine Gruppe mehr, dann braucht man Einzeltherapie. Dann wird’s teurer!

Wie teuer ist so eine Therapie?
Je nach Dauer zwischen 40 und 70 Euro.

Also schon noch im leistbaren Bereich…
…ich glaub‘ schon, und in der Gruppe teilt sich das dann auf, d.h. in einer Gruppe mit sieben bis zehn Personen kann es sein, dass eine Einheit zehn Euro für die Einzelperson ausmacht.

Gibt es bei den Therapien Unterschiede?
Man muss unterscheiden zwischen aktiver und rezeptiver Therapie. Aktiv bedeutet, dass der Klient sich bewegt, dass er tanzt, dass er zur Musik Bewegungen ausführt. Das sind sehr angenehme, durchaus meditative Bewegungen, wichtig ist, dass der Körper bewegt wird. Das Rezeptive ist die Tiefenentpannungsphase, da legt man sich auf die Matte auf den Boden und lässt sich von der Musik bespielen. Es ist so, dass die orientalischen Tonarten sehr viele Bilder erzeugen. Die Menschen berichten dann, dass sie eine Art Kurzurlaub gehabt haben in der Form eines Filmes oder in Bildern, dass sie einfach auch nur Farben gesehen haben oder schöne Motive von Landschaften oder Personen. Das ist ganz verschieden. Es ist nicht zwingend notwendig, dass Bilder kommen, aber es passiert häufig.

Meine Frau arbeitet mit Kindern ebenfalls mit Musiktherapie und veranstaltet sogenannte „Traumreisen“. Ist das vergleichbar?
Nicht ganz, Traumreisen werden vom Therapeuten angeleitet. Da gibt es die Stimme, die immer wieder weiterführt. Der Klient liegt auch entspannt da und folgt den Anleitungen des Therapeuten. Ich aber spiele Musik und singe dazu, da darf dann passieren – egal was –, das hängt von der Person ab. Es gibt Menschen, die sagen sie haben Körperwahrnehmungen wie Kribbeln oder Wärme, oder es meldet sich ein Bereich des Körpers, der ein bisserl schwach ist, ein Organ etwa. Das ist sehr individuell, man kann nicht sagen: Bei allen gibt esRebab ist ein Lauteninstrument Körperwahrnehmungen. Einige sagen auch: ‚Ich weiß nicht, ich habe meinen Körper gar nicht gespürt.‘“

Sind Menschen, die schon in einem fortgeschrittenen Stadium des Burnout sind, wo bereits Symptome von der absoluten Zurückgezogenheit bis zum Zynismus auftreten, noch bereit so aus sich herauszugehen, dass sie einen Tanz vollführen?
Das ist schwierig, das ist ganz schwierig. Aber das sollte man individuell betrachten. Kleine Bewegungen im Sitzen sind in der Regel kein Problem. Der Improvisationstanz ist vielleicht auch nicht mehr geeignet für jemanden, der schon körperliche Probleme hat und tatsächlich medizinische Behandlung braucht. Da muss man einfach sehen, was noch passt. Außerdem findet in der Therapie ein Prozess statt. Es kann durchaus sein, dass jemand am Beginn sagt: ‚Keinesfalls!‘ und sich nicht bewegen will, mit der Zeit aber dann sehr wohl Angebote annimmt. Das entscheidet sich individuell. Ich biete an, aber nichts ist zwingend.

Wie verbreitet sind diese Formen der Therapie, wie Sie sie anbieten, in Österreich?
Nicht allzu verbreitet, aber die Zahl der MusiktherapeutInnen steigt. Es gibt derzeit in Österreich drei Therapieausbildungen. Das ist die Musikhochschule in Wien, die sogenannte Wiener Schule, das ist die alteingesessene Musiktherapiemethode. Es gibt auch einen Bachelor- und Masterstudienlehrgang für Musiktherapie an der Fachhochschule Krems. Und die dritte Form, ist ein interuniversitärer Lehrgang für Musiktherapie an derDombra ist ein Lauteninstrument Kunstuniversität in Graz, der von Dr. Monika Glawischnig-Goschnik und Dr. Christian Münzberg geleitet wird. Das sind die Hauptströmungen, in denen man anerkannt abschließen kann. Meine Ausbildung nannte sich damals ‚altorientalische Musiktherapie‘, was eine unglücklicher Bezeichnung ist, aber man wollte sich von den modernen Klängen des Orients abgrenzen. Später hieß es dann 'Ethnomusiktherapie' und wieder später entstand daraus der Studienlehrgang an der FH Krems.

Welche Altersstufen kommen zu Ihnen?
Kinder mit Lernschwierigkeiten sind bereits ein Thema, man glaubt nicht, wie gestresst Kinder sind und was es da für Ängste vor Prüfungen gibt. Es gibt für Burnout keine Altersgruppe mehr. Ursprünglich hat man das geglaubt, bis man festgestellte, dass in den USA Studenten und Hausfrauen an Burnout erkrankt sind; es betrifft keine bestimmte Berufsgruppe, es kann im Grunde jeden treffen, der nicht auf sich und seine Bedürfnisse achtet.

Brigitte Schmidt, ist eigenverantwortliche Musiktherapeutin und lebt in der Steiermark. Sie litt selbst unter Burnout und hat einen alternativen Arzt gefunden, der die Selbstbehandlung mit Musik unterstützte. Brigitte Schmidt hat unter anderem ein Musiktherapiepraktikum im AUVA-Krankenhaus in Wien-Meidling (spezialisiert auf Schädel- und Hirnverletzungen und deren Therapie) absolviert.
Web-Adresse: www.musiktherapie-schmidt.com

Fotos: Werner Schneider (1), Brigitte Schmidt (4)