Agil GmbH betreibt zwei Heime in Kärnten
Ein Jahr lang Alkoholtherapie auf der Alm
von Werner Schneider
In Kärnten, dem südlichsten Bundesland Österreichs, gibt es die Agil Sozialpädagogik GmbH, die zwei private Langzeittherapie-Heime für alkoholkranke Menschen betreibt. Eines davon, jenes in Flattnitz, einem landschaftlich wunderschönen Almgebiet, besuchte „Alk-Info“ an einem nebligen Herbsttag. Betriebsleiter Fritz Sztuparits und die Leiterin des Therapiezentrums „Eisenhut“ (Flattnitz), Mag. Susanne Simoner Msc, berichten im großen Interview, wie das System medizinisch und betriebswirtschaftlich funktioniert.
„Alk-Info“: Wie ist die Idee zu diesem Therapiezentrum entstanden?
Fritz Sztuparits: Vor 15 Jahren, so lange gibt es schon AGIL Sozialpädagogik, hat man eine Langzeittherapiestation angedacht und hat dann einen Klagenfurter Unternehmer gefunden, den Herrn Lamprecht, der das dann auch umgesetzt hat. Die AGIL Sozialpädagogik GesmbH ist im gesellschaftsrechtlichen Eigentum einer Klagenfurter Unternehmerfamilie. Wir haben mehrere GesmbHs, die alle eigenständig wirtschaften. Das heißt wir sind eine private Einrichtung, die nach betriebs- und privatwirtschaftlichen Grundsätzen arbeitet. Als erstes das Therapiezentrum Saualpe errichtet und etwas später hier das Zentrum Eisenhut in Flattnitz.
Wie lange sind die Patienten im Schnitt bei Ihnen?
Acht bis zwölf Monate.
Wie ist das vereinbar für jemandem, der berufstätig ist?
Schwer. Zu uns kommen eigentlich keine Leute von der Zielgruppe, die aus einem Beruf kommen, im Regelfall sind es Menschen, die relativ viele Therapien schon gemacht haben, auch Langzeittherapien schon gemacht haben, die viele stationäre Aufenthalte hinter sich haben, also Leute, die schon über Jahre oder Jahrzehnte unter ihrer Abhängigkeit leiden. Wir haben es eigentlich mit denjenigen zu tun, die schon sehr massiv in der Sucht drinnen sind. Hier sind ausschließlich alkohol- oder alkohol- und medikamentenabhängige Menschen. Wir nehmen keine Leute, die von anderen Drogen abhängig sind. Da gibt es andere Einrichtungen dafür. Dazu passt ja auch unser Therapiekonzept nicht. Wir verwenden das Therapiekonzept der verlaufsorientierten Langzeitentwöhnung der Alkoholiker.
Können sie das ein bisschen näher beschreiben?
Das Therapiekonzept beginnt mit verschiedenen Phasen, angefangen mit dem stationären Aufenthalt im Krankenhaus, das heißt, es erfolgt vor Aufnahme in unserer Einrichtung der körperliche Entzug. Der dauert ja nach Schwere der Erkrankung sieben bis zehn Tage, das erfolgt im Zuge eines stationären Krankenhausaufenthaltes unter medizinischer und psychiatrischer Kontrolle mit entsprechender Medikation. Im Regelfall ist immer eine zusätzliche psychiatrische Grund- oder Begleiterkrankung vorhanden. Alkoholismus und Depression ist eine häufige Kombination. Von den Abhängigen wird dann das Suchtmittel sehr oft als Medikation eingesetzt, um die Depression erträglicher zu machen, so entwickelt sich dann die Sucht.
Kommt das oft vor?
Bei Persönlichkeitsstörungen ist das auch sehr häufig. Das ist die erste Phase im Krankenhaus, dann kommt in acht bis zehn Wochen bei uns die Eingewöhnungs- oder Stabilisierungsphase. Dann kommt es – muss natürlich nicht immer – zu dieser Phase der Getriebenheit, dann kommt es bei unseren Klienten, wir sagen nicht Patienten, denn wir sind kein Krankenhaus, zu einer inneren Anspannung und Unruhe. Diese Phase kann wenige Stunden oder auch Tage dauern. Dann ist die weitere Phase, die dauert so sechs bis acht Monate, dann kommt die Krise, wo eine Rückfallgefahr besonders groß ist. Die letzte Phase der Therapie ist die sogenannte Motivationsphase. Viele Leute bei uns haben keinen Job oder keine Wohnung, das ist dann die Phase der Außenorientierung, da geht es darum, entsprechende Nachbetreuungsplätze zu finden. Oder Wohnmöglichkeiten in betreuten Einrichtungen aufzutreiben. Wir wollen, dass nach der Therapie ein selbständiges Wohnen möglich ist.
Wie groß ist die Erfolgsquote – oder im Umkehrschluss – wie groß ist die Rückfallsquote?
Da kann man keine Kennziffer nennen. Man müsste sich anschauen, wie lange die Abstinenz nach Therapieende dauert. Was nimmt man als Dauer her? Ein halbes Jahr, ein Jahr oder zwei Jahre? Man kann es auch nicht immer vergleichen, weil ja auch die Schwere der Erkrankung zu berücksichtigen ist bzw. die zusätzlichen psychiatrischen Erkrankungen. Wir nehmen als Kennziffer für den Therapieerfolg das Verhältnis von regulär abgeschlossenen Therapien zu Therapieabbrüchen. Denn unser Therapieauftrag endet mit dem Therapieende. Zu vielen haben wir auch die Kontakte nicht mehr. Man kann sagen: Zwei Drittel unserer Klienten beenden die Therapie ordnungsgemäß.
Das ist ein schöner Erfolg, ich kenne Einrichtungen, da wird den Patienten gesagt: „Zehn gehen hinaus, acht kommen wieder zurück.“
Wir haben auch Leute, die wieder kommen. Ziel der Therapie ist es, dass die Leute wissen, was tun sie wenn ein Rückfall kommt, um diesen schnell wieder abzustoppen. Lebenslange Abstinenz ist ein Wunsch. Manche schaffen das, aber ganz wenige. Wichtig ist, dass die Abstinenzphasen so lange wie möglich dauern, und dass die Leute einfach das Richtige tun, wenn es zu einem Rückfall kommt. Möglichst schnell wieder professionelle Hilfe aufsuchen mit einem kurzen stationären Aufenthalt, damit diese Abwärtsspirale der Sucht wieder unterbrochen wird.
Arbeiten Sie mit Selbsthilfegruppen wie etwa den Anonymen Alkoholikern zusammen?
Mag. Susanne Simoner: Wir arbeiten z.B. mit den Anonymen Alkoholikern zusammen und mit anderen Nachbetreuungseinrichtungen. Wobei es uns sehr wichtig ist, dass die Klienten gegen Ende der Therapie schon die Nachbetreuungseinrichtungen aufsuchen, also noch in der Zeit der Therapie, und wir das auch mit den Klienten im Vorfeld besprechen, dass es da Terminvereinbarungen gibt. So dass er nach der Therapie schon einen Termin im Nachfeld hat.
Ich habe von Leuten, die schon eine Therapie bei Ihnen absolviert haben, gehört, das eigentliche Problem sei das Abgeschottet sein. Ist das jetzt ein Vorteil oder Nachteil?
Fritz Sztuparits: Ich würde sagen es ist bis zur Hälfte der Therapie ein großer Vorteil. Gegen Ende der Therapie ist es sicher ein Problem. Natürlich ist das Therapiezentrum ein geschützter Rahmen, und dass die Welt außerhalb des Therapiezentrums eine andere ist, ist uns wohl bewusst. Daher fördern wir auch gegen Ende der Therapie in der Intergrationsphase verschiedenste Maßnahmen, die vermehrt auf Außenorientierung basieren.
Mag. Susanne Simoner: Wobei wir eine bestimmte Ausgangsregelung haben, eine genaue Ausgangsplanung, das heißt, bei uns schaut das so aus, dass die Klienten, nachdem sie den körperlichen Entzug hinter sich gebracht haben, eine achtwöchige Schutzfrist haben. Wobei es darum geht, dass sie sich in die therapeutische Wohngemeinschaft integrieren. Dass sie sich körperlich erholen. Nach diesen acht Wochen Schutzfrist gibt es einen Tagesausgang, da können unsere Klienten ohne Betreuung in die nächste Stadt – Klagenfurt ist es meistens oder Villach – fahren und einen ganzen Tag für sich verbringen. Ganz gerne wird das mit anderen Klienten gemacht. Und dann gibt es je nach Bundesland eine Regelung, dass die Klienten alle fünf Wochen drei Nächte Wochenendausgang bekommen und einen Tagesausgang. Die Kärntner Klienten haben alle vier Wochen zwei Übernachtungen und einen Tagesausgang.
Fritz Sztuparits: Letztlich fördern wir schon die Ausgänge speziell in den letzten drei Monaten. Weil uns ist natürlich auch wichtig, dass diese Integration und Außenorientierung auch stattfindet. Das ist eine ganz wichtige Geschichte, denn der Therapieerfolg hängt natürlich in großem Maße davon ab, wie schaut die Struktur nach der Therapie aus? Denn wenn die Leute nur zu Hause sitzen und fernsehen, dann ist der Rückfall relativ schnell da. Daher haben wir auch einen eigenen Integrationscoach, wo die Leute zehn bis zwölf Wochen vor Therapieende Einzelgespräche haben.
Aus wie vielen Bundesländern haben Sie Klienten hier?
Aus allen Bundesländern mit Ausnahme von Wien, Niederösterreich und Vorarlberg.
Die schicken aus welchen Gründen nicht?
Wien sagt, wir haben ohnehin unsere eigenen Einrichtungen‘, genauso Niederösterreich, die haben den Grünen Kreis als Langzeittherapieeinrichtung.
Ich möchte die Kosten ansprechen: Wer zahlt was?
Im Regelfall werden die Kosten von den Ländern übernommen, aus den Sozialbudgets, auf Basis verschiedenster landesspezifischer Regelungen.
Das heißt, die Klientel hat keine Selbstbehalte…
…hat keine Selbstbehalte. Bei uns ist auch die GKK kein Kostenträger wie etwa in de La Tour. Hin und wieder übernimmt auch die Justiz die Kosten, wenn es eine gerichtliche Weisung für eine stationäre Langzeittherapie gibt. Das kommt vor, wenn die Leute vorwiegend im Rausch straffällig werden.
Woher kommen die Zuweisungen?
Unsere Kooperationspartner sind hauptsächlich die Krankenhäuser. In der Regel werde ich oder meine Kollegin vom Sozialarbeiter oder vom Arzt oder von der Station angerufen, wenn der Patient im Krankenhaus auf Entzug ist. Das sind Patienten, die schon sehr häufig stationär aufgenommen wurden und immer wieder kommen, sogenannte Drehtürpatienten. Wir haben einen Oberösterreicher gehabt, der hatte schon 134 stationäre Aufenthalte hinter sich mit Begleiterkrankung Schizophrenie. Auch das lässt sich bei uns sehr gut behandeln, wir haben einen Psychiater, der ist wöchentlich vor Ort und schaut sich die Leute an. Er überprüft die psychiatrische Situation und auch die Medikation.
Mit wie vielen Personen Personal arbeiten Sie hier?
Wir haben einen Betreuungsschlüssel eins zu zwei. Das heißt auf zwei Klienten in der Therapie kommt ein Vollzeitäquivalent an Betreuung.
Wie viele Klienten sind hier?
In diesem Haus haben wir 28 Frauen und Männer. Dafür haben wir: Psychiater, Arzt und Ärztin, klinische Psychologen, Pädagogen, Sozialarbeiter, Ergotherapeuten, Kunst- und Kreativtherapie, Sport- und Bewegungstherapeuten und betreuendes Personal. Psychotherapie ist ganz wichtig, weil wir als suchtspezifische Einrichtung psychotherapeutisch orientiert sind. Daher sind drei Psychotherapeuten tätig, eine Psychotherapeutin hat integrative Psychotherapie, eine hat systemische Familientherapie und ein Therapeut hat Verhaltenstherapie.
Ein sehr umfangreiches Programm…
…ein All-Inclusive-Paket.
Wie findet man einen aus der Wirtschaft kommenden Sponsor?
Der Herr Lamprecht (Kärntner Unternehmer, Anm.) hat ein soziales Herz und das in Angriff genommen.
Ohne große Überredungskunst?
Natürlich am Anfang war das mit gewaltigen Vorleistungen verbunden, von betriebswirtschaftlicher Sicht her. In der Zwischenzeit, so denke ich, läuft es ganz gut. Es gibt einen Tagsatz, den wir pro Klient verrechnen können, es ist also ein klassischer Leistungsaustausch. Wir arbeiten ohne Förderungen und ohne Subventionen. Was uns ein Stück weit von der Politik unabhängiger macht.
Kurz noch zum volkswirtschaftlichen Aspekt.
Heuer gab es eine Studie über die Folgekosten des Alkoholismus. Die zeigt, dass eine unbehandelte Alkoholerkrankung ja wesentlich mehr kostet als eine Langzeittherapie. Ein Intensivbett kostet mehr als 1000 Euro pro Tag, wenn die Leute im Delir mit Alkoholvergiftung eingewiesen werden. Volkswirtschaftlich müsste man also sagen: Je mehr Langzeittherapieplätze wir hätten in Österreich, umso billiger wäre es.
Agil Sozialpädagogik GmbH – Therapiezentrum Eisenhut
9346 Glödnitz, Flattnitz 121
Tel.: +43 (0)4269/200 03 - 0
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Web-Adresse: www.agil.at/sozialpaedagogik/therapiezentren/therapiezentrum_eisenhut/
Fotos: Werner Schneider (2)