Feiertage als große Alk-Herausforderung
Wenn Papa und der Karpfen blau sind
von Harald Frohnwieser
Viele Angehörige von Alkoholikern haben Angst vor den Feiertagen, auf die sich die meisten Familien so freuen. Denn gerade zu feierlichen Anlässen fließt der Alkohol oft in Strömen. Was aber können sie tun, wenn Vater oder Mutter mehr als sonst zu tief ins Glas geschaut haben? Hier drei Tipps des trockenen Alkoholikers und Autors Dirk Franzke für Angehörige, wie die Feiertage trotz alkoholkrankem Angehörigen einigermaßen gut überstehen werden können. Tipps, die nicht nur für die Weihnachtsfeiertage hilfreich sind, sondern auch für alle anderen Familienfeiern wie Silvester, Ostern oder Geburtstage.
Der Weihnachtsbaum ist festlich geschmückt, die Geschenke – liebevoll verpackt – liegen darunter, die Kinder sind schön angezogen und der Weihnachts-Karpfen brutzelt schon in der Pfanne. Alle warten auf das große Ereignis – zunächst das gute Essen, dann die Kerzen am Baum anzünden, Stille Nacht singen und danach das Weihnachtspapier von den Geschenken ungeduldig runter zu reißen. Die ganze Familie wartet auf dieses wunderschöne, alle Jahre wiederkehrende Ereignis. Nur einer fehlt. Papa ist vom Besuch eines Freundes noch immer nicht in den Schoß der Familie zurück gekehrt. „Es wird halt noch ein bisschen dauern, der Papi ist sicher gleich da“, tröstet die Mutter die beiden Kinder. Und ist sich dennoch ganz unsicher dabei. Zu oft hat sie schon erlebt, dass ihr Mann an den Feiertagen mit glasigem Blick und mit lallender Sprache viel zu spät als versprochen nach Hause kommt. Obwohl er schon Tage zuvor versprochen hat, dass er an den festlichen Tagen keinen Tropfen Alkohol trinken wird.
Traurige Feiertage, wenn der Partner trinkt
Und genauso ist es auch diesmal. Fast eine geschlagene Stunde zu spät heimgekehrt murmelt er, dass er von seinem Freund aufgehalten wurde. Auf den ebenso ängstlichen wie fragenden Blick seiner Frau behauptet er steif und fest, keinen Alkohol getrunken zu haben, nur um wenig später einzugestehen, dass es nur ein kleines Gläschen Wein war, das er zusammen mit dem Freund getrunken hatte. Doch niemand will ihm glauben, zu sehr verrät sein äußerer leicht ramponierter Zustand sein Inneres, das voll von Promille ist. So ist der Festtag wieder einmal so geworden, wie er schon die letzten Jahre war: einfach nur traurig.
Wertvolle Tipps für Angehörige
Doch wie können sich Angehörige von der Alkoholsucht ihres Partners oder ihrer alkoholkranken erwachsenen Kindern insoweit schützen, damit die Feiertage einigermaßen erträglich werden? Der in Köln, Deutschland, beheimatete trockene Alkoholiker und Autor Dirk Franzke gibt auf seinen Blog www.challenge-a.com einige wertvolle Tipps, die Alk-Info seinen Lesern nicht vorenthalten möchte.
1) Man soll sich als Angehöriger nicht weiter mit der Frage beschäftigen, warum der Partner Alkohol trinkt, obwohl er weiß, dass ihm das und seiner Familie nicht gut tut. Um das zu veranschaulichen, stellt Franzke die Frage, welcher Mensch sich bewusst dafür entscheidet, lieber den ganzen Tag im Alkoholrausch zu verbringen, als mit seinen Kindern unter dem Weihnachtsbaum zu spielen? Oder wer würde das vorgetäuschte Glücksgefühl, das der Alkohol oft nur kurzfristig bietet, vorziehen, als lieber mit seiner Partnerin, seinem Partner, kuschelige Momente auf der Couch zu genießen? Dirk Franzke ist sich sicher, dass nur jemand, der krank ist, in diesen Fällen den Alkohol bevorzugen wird. Sein Appell an die Angehörigen: „Je mehr du versuchst, den Grund für den Alkoholkonsum zu verstehen, desto trauriger wirst du nur werden, weil sich deine Gedanken dann nur die ganze Zeit um das Alkoholproblem drehen werden.“
2) Wenn es eine Einladung zu einem Weihnachtsessen von Freunden oder Kollegen gibt, überlegen sich viele Angehörige schon vorher, ob sie zusagen sollen. Denn was ist, wenn der Partner bereits vor dem Treffen Alkohol getrunken hat und nun keine Lust mehr darauf verspürt, dorthin zu gehen? Franzke rät dazu, auf alle Fälle die Einladung anzunehmen, und wenn der Partner aufgrund seines Alkoholkonsums nicht mehr in der Lage ist, mitzugehen, dann eben alleine zu dem Essen zu gehen. „Entscheide dich ganz bewusst dafür, trotzdem zu dem geplanten Treffen zu gehen. Für dich hat das sogar einen Vorteil, wenn du alleine dorthin gehst. Du musst nicht ständig auf den Partner achten und dir Sorgen darüber machen, ob er Alkohol trinkt“, rät Franzke, der überzeugt davon ist, dass es immer noch besser ist, alleine dorthin zu gehen als den ganzen Abend zu Hause zu sitzen und sich darüber zu ärgern, dass der Partner mal wieder Alkohol getrunken hat und dadurch alle Pläne über den Haufen geworfen sind.
3) Der Autor hat auch für Eltern, deren erwachsene Kinder alkoholkrank sind, einen Tipp parat: Falls das Kind über die Feiertage betrunken ist, dann sollte man mit ihm zu einem späteren Zeitpunkt, wenn das Kind wieder nüchtern ist, über die Konsequenzen seines Verhaltens sprechen. Dabei sollte man dem Sohn oder der Tochter sagen, dass man ihn oder sie in Zukunft zu einer Feier nicht mehr einladen wird, sollte er oder sie nochmals betrunken erscheinen. Dirk Franzke ist sich bewusst, dass dies eine schwere Entscheidung ist, aber: „Dein Kind muss die Konsequenzen seines Handels zu spüren bekommen. Es muss die negativen Folgen seines Handels zu spüren bekommen. Es muss die negativen Folgen wahrnehmen können, damit es überhaupt an dienen Punkt kommen kann, an dem es selbst etwas ändern möchte. Auch wenn es eine schwere Entscheidung ist, so ist sie doch die Richtige.“ Und abschließend: „Mit diesem Verhalten unterstützt du auch dein Kind bei der Bewältigung der Krankheit Alkoholismus.“
Die meisten Suchtberater raten Angehörige von Alkoholikern ebenfalls dazu, den Istzustand zu akzeptieren und keine unrealistischen Erwartungen zu haben, Schuldgefühle zu verwerfen sowie Eigenkontrolle zu übernehmen und endlich loszulassen. Wichtig ist auch, die eigenen Grenzen zu kennen. Die zahlreichen Selbsthilfegruppen für Angehörige - wie etwa die Al-Anon – helfen Angehörige dabei, ihren eigenen Weg (wieder) zu gehen und ein selbstbestimmtes Leben zu beginnen. Damit sie Feiertage wie Weihnachten, Neujahr oder Ostern einigermaßen gut über die Runden bringen, auch wenn der Partner, die Partnerin noch nicht so weit ist, um mit dem Trinken aufzuhören.