Gehirn-Forschung in USA zeigt auf:
Warum man zum Alkoholiker wird

von Harald Frohnwieser

Ein US-Forscherteam hat jetzt herausgefunden, dass sich das Gehirn eines Alkoholikers von dem eines Nichttrinkers in einem Punkt unterscheidet: Je mehr Endorphine es ausscheidet, um so berauschter fühlt sich der Süchtige. Eine Wirkung, die er ständig steigern will – indem er mehr und mehr trinkt. Ein verhängnisvoller Kreislauf…

Die Situation ist hinlänglich bekannt. Man hat etwas Schönes erlebt – die Geburt eines Kindes zum Beispiel oder eine schwierige Prüfung wurde bestanden - und will dieses Glücksgefühl noch steigern. Und greift zu einem Glas Wein oder gönnt sich einen Schnaps. Kein Problem, wenn dies nicht zur täglichen Gewohnheit wird. Menschen, die bereits an Alkoholismus erkrankt sind, wollen diesen Zustand jedoch Tag für Tag, Stunde für Stunde, erleben. Sei der Moment des absoluten Glücks auch nur noch so kurz, die meist schrecklichen Konsequenzen des Trinkens werden trotzdem in Kauf genommen. Aber warum will man dieses Glücksgefühl auf Teufel komm raus immer wieder erleben? Und warum brauchen die Normaltrinker diesen Zustand nicht immer und immer wieder?
Ein US-Forscherteam rund um die Wissenschaftlerin Jennifer Mitchell von der Ernest Gallo Clinic in San Francisco wollte es genau wissen und hat 30 Jahre lang daran geforscht. Mittlerweile ist es so weit, der genaue Ort im menschlichen Gehirn, an dem die Endorphine, sprich Glückshormone wirken, konnte gefunden werden. Das Ergebnis wurde in einer US-Fachzeitschrift bekannt gegeben.
Körpereigene Glückshormone
Mit Hilfe bildgebender Verfahren haben die Forscher die Gehirne von 13 Alkoholikern mit jenen von Normaltrinkern verglichen. Die Probanden mussten Alkohol trinken, dabei wurde festgestellt, dass bei beiden Gruppen Endorphine – sprich Glückshormone – in zwei Arealen des Gehirns ausgeschüttet wurden: im Nucleus accumbens, einer Kernstruktur im Vorderhirn, der eine zentrale Rolle im Belohnungssystem des Hirns spielt, und im orbitofrontalen Cortex, einem Bereich des Frontalhirns, den Experten mit emotionalen Prozessen und Verhaltensregulierung in Verbindung bringen. Sowohl die Alkoholiker als auch die Normaltrinker fühlten sich umso glücklicher je mehr Endorphine im Nucleus accumbens produziert werden. Dazu Jennifer Mitchell: „Das ist der erste direkte Beweis dafür, warum uns Alkohol glücklich macht.“
Unterschiedliche Gehirne
In den Gehirnen starker Trinker haben die Forscher zusätzlich noch etwas ganz Erstaunliches entdeckt: Je mehr Endorphine sich in deren orbitofrontalen Cortex befanden, desto stärker wirkte das Belohnungssystem. In der Kontrollgruppe gab es diesen Effekt nicht. „Das zeigt, dass das Gehirn eines Süchtigen anders ist“, so Jennifer Mitchell.
Was die Studie jedoch nicht abschließend beantworten konnte war die Frage, warum sich die Gehirne von Alkoholikern und Nicht-Alkoholikern unterscheiden. Möglicherweise verändert der regelmäßige Alkoholkonsum das Areal. Vielleicht werden Menschen jedoch auch erst zu Süchtigen, weil ihr Belohnungssystem anders funktioniert.
Aber so viel steht fest: Je größer die Endorphin-Ausschüttung im orbitofrontalen Cortex, desto berauschter fühlen sich starke Trinker. Dieses als angenehm empfundene Rauschgefühl steigt mit dem Alkoholkonsum – jedoch nur bei Süchtigen. Das könnte der Grund dafür sein, dass diese Menschen erneut zur Flasche greifen. Bei ihnen löst Alkohol ein noch besseres Gefühl aus als bei anderen.

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