Dopaminhaushalt durch Alkoholentzug gestört
Glückshormon ist oft schuld am Rückfall

von Dr. Martha Flaschka

Wenn ein Alkoholabhängiger für einen längeren Zeitraum auf den Alkohol verzichtet, dann kann es ziemlich sicher sein, dass Regionen seines Gehirns eine erhöhte Konzentration an Dopamin aufweisen. Die Folgen davon sind Rastlosigkeit und eine gestörte Impulskontrolle. Zu diesem neuen Ergebnis kamen im Februar 2016 die Suchtforscher rund um Wissenschaftlerin Natalie Hirth vom Institut für Psychopharmakologie des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim, Deutschland. Nun wollen die Forscher das Zusammenwirken von erhöhten Dopamin und damit einhergehenden Rückfällen unter die Lupe nehmen, damit eine dauerhafte Abstinenz leichter erreicht werden kann.

Strukturformel von Dopamin„Verhaltensänderungen von Alkoholkranken während und nach dem Entzug lassen sich nun möglicherweise erklären“, sagen die Forscher rund um Natalie Hirth vom Institut für Psychopharmakologie des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim, die die Ergebnisse ihrer Studie im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ beschrieben haben. Weiterhin stellten sie fest, dass Alkoholkranke nach ihrem Entzug sowie nach einem länger anhaltenden Verzicht auf ihr Suchtmittel in bestimmten Regionen des Gehirns einen erhöhten Dopaminspiegel aufweisen. Der Verhaltenslenker Dopamin ist ein Neurotransmitter und entsteht ebenso wie Noradrenalin und Adrenalin im peripheren vegetativen Nervensystem. Für die Motivation und im Belohnungssystem spielt Dopamin eine wichtige Rolle. Eine bekannte notorische Störung im Dopaminsystem ist die Parkinson-Erkrankung, auf einer anderen Ebene die Schizophrenie. Fehlendes Dopamin dürfte bei ADHS eine Rolle spielen.
Ein Versuch mit alkoholabhängigen Ratten bestätigte die deutschen Wissenschaftler nun, dass die Tiere im akuten Alkoholentzug einen deutlich verminderten Dopaminspiegel aufwiesen. Waren die Versuchstiere jedoch für einen längeren Zeitraum abstinent, erhöhte sich der Dopaminspiegel wieder und blieb deutlich über dem Normalniveau. Die Folge davon war, dass die Ratten eine gesteigerte Hyperaktivität aufwiesen.
Rastlosigkeit und gestörte Impulskontrolle
Wird aus einem gelegentlichen Alkoholkonsum im Laufe der Zeit eine Sucht, dann verändern sich die Bindungsstellen für Dopamin, über die der Botenstoff seine Wirkungen vermittelt. Die Forscher untersuchten die Gehirnproben von verstorbenen Alkoholikern, die – verglichen mit vor ihrem Tod abstinenten bzw. wenig trinkenden Menschen – ein deutlich erhöhtes Dopamin in jenem Gehirnbereich aufwiesen, der für die Verhaltenskontrolle zuständig ist. Zu Beginn eines Alkoholentzuges wird beim betroffenen Suchtpatienten oft zuerst Antriebslosigkeit und eine depressive Verstimmung diagnostiziert, die sich durch den verminderten Dopamingehalt erklären lassen. Die längere Abstinenz aber hat bei vielen dann Rastlosigkeit und eine gestörte Impulskontrolle zur Folge. Hier könnte der dauerhaft erhöhte Dopaminspiegel der Grund dafür sein.
Querschnitt des Gehirns„Diese Erkenntnisse könnten sowohl den initial verminderten Antrieb und die gesenkte Stimmungslage im frühen Entzug erklären, als auch die später häufig bei Suchtpatienten auftretende Rastlosigkeit und gestörter Impulskontrolle“, sagt Professor Dr. med. Falk Kiefer, Direktor der Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim.
Glückshormon Dopamin
Was aber genau sind Dopamine? Neuronen, in denen Dopamin vorkommt, nennt man dopaminerg. Sie befinden sich im Zentralnervensystem und hier vor allem im Mittelhirn. Von dort steigen wichtige dopaminerge Systeme in Zwischenhirn und ins Endhirn auf. Das Dopamin beeinflusst die Motorik und steht auch im Zusammenhang mit Psychosen. Dopamine greifen auch in den Hormonhaushalt ein. Gemeinhin gilt Dopamin als Glückshormon. Wer ausreichend davon hat, kann leicht wie auf Wolken schweben. Wird Alkohol getrunken, so wird mehr Dopamin ausgeschüttet, man fühlt sich noch besser, freilich nur kurzfristig. Aufgrund dieses Wohlbefindens schütten die sendenden Nervenzellen im Belohnungssystem etwa 200 Mal mehr Dopamin aus als üblich. Diese hohe Dopaminmenge dockt an ganz speziellen Stellen der Empfängerzellen an, den sogenannten Rezeptoren, was ein verstärktes Signal von einer Zelle zur anderen zur Folge hat. Dadurch wiederum lernt das Hirn sehr schnell, eine Alkoholflasche oder ein Weinglas als einen sehr wichtigen Reiz wahrzunehmen.
Verstärktes Verlangen nach Alkohol
Nach einer Weile wehrt sich das überforderte Hirn gegen diese Reizüberflutung und reduziert die Zahl der Rezeptoren, was zu einer Abschwächung des Signals führt. Das Hirn jedoch hat sich bereits an die stärkeren Signale gewöhnt und empfindet somit ein Belohnungsdefizit. Was wiederum ein verstärktes Verlangen nach dem bereits konsumierten Alkohol auslöst. Forscher haben herausgefunden, dass bei Alkoholikern, die seit einem kurzem Zeitraum abstinent sind, genügt, ein Foto, auf dem ihr ehemaliges Lieblingsgetränk abgebildet ist, anzuschauen und schon wird die erhöhte Dopaminausschüttung aktiviert. Somit ist Dopamin ein wichtiges Hormon, was die Entstehung einer Sucht, aber auch den Rückfall betrifft.
Alkohol verlor nach und nach an Bedeutung
Psychologen haben im Rahmen eines Verhaltenstrainings ehemals alkoholabhängigen Patienten deren jeweiliges Lieblingsgetränk gereicht, sie mussten das Wein-, Bier- oder Schnapsglas in Händen halten, mussten daran riechen, es immer wieder ansehen, nur trinken durften sie es nicht. Nach einiger Zeit stellten sie fest, dass die Dopaminausschüttung bei ihren Patienten weniger wurde. Der Alkohol hatte mehr und mehr die Bedeutung für sie verloren, was einen schnellen Rückfall verhindern kann.
Auf ihre Studienergebnisse aufbauend wollen Natalie Hirth und ihre Kollegen neue Verhaltensexperimente entwerfen, um den Zusammenhang zwischen einem erhöhten Dopamin und einem Rückfall in die Alkoholsucht zu erforschen. Die engagierten Wissenschaftler hoffen, dass sie neue Wege finden, die einen Rückfall zur Gänze verhindern.

Grafik: Thomas Frohnwieser (1), commons.wikimedia.org (1)

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