Organische Schäden durch Alkoholmissbrauch
Nicht nur die Leber ist betroffen
von Harald Frohnwieser
Dass jeder Kapitalrausch die Hirnzellen schädigt und viele davon abtötet, ist hinlänglich bekannt. Auch dass die Leber, wenn sie regelmäßig mit Alkohol bombardiert wird, darunter leidet, ist kein Geheimnis. Aber ständiger Alkoholgenuss schädigt auch viele andere Organe des menschlichen Körpers. Und zieht zahlreiche Nachfolgekrankheiten mit sich. Hier eine Übersicht.
Leber: Die Leber ist das zentrale Organ für den Alkoholabbau, wobei Alkohol eine direkte Leberzellenschädigung bewirkt. Die Leber gilt als ein sehr geduldiges Organ, das viel aushält, doch nach einem jahrelangen Alkoholmissbrauch kann es zu einer Fettleber kommen, was sehr häufig vorkommt. Als Beschwerden treten ein Druckgefühl im Oberbauch, Völlegefühl, Appetitlosigkeit sowie Übelkeit auf. Bei konsequenter Abstinenz bilden sich diese Beschwerden im allgemeinen wieder zurück.
Sehr oft kommt es bei jahrelangem Alkoholmissbrauch auch zu einer Entzündung der Leber, auch als Alkohol-Hepatitis bekannt (siehe auch „Alkoholbedingte Leberentzündung bald therapierbar?“). In diesem Fall ist das Organ meistens deutlich vergrößert und kann in schweren Fällen als Gelbsucht sichtbar werden. Im Frühstadium kann sich die Leber bei einer entsprechenden Behandlung, bei einer strikten Diät und einer absoluten Abstinenz jedoch wieder zurückbilden. Symptome sind Ermüdung, Appetitverlust, reduzierte Abwehrkraft, Gelbsucht (Gelbfärbung der Haut und der Augen), Blähbauch, Darmblutungen, Beeinträchtigungen der Hirnleistung und Niereninsuffizienz.
Muss die Leber jedoch weiterhin regelmäßig Alkohol abbauen, kann es im schlimmsten Fall zu einem massiven Absterben der Leberzellen kommen. Die Zellen werden vom Organismus durch ein sogenanntes inaktives Bindegewebe ersetzt, das die Funktion der Zellen freilich nicht ersetzen kann. Früher oder später kommt es daher oft zu einer meist unheilbaren Leberzirrhose, wovon etwa zehn Prozent der Alkoholkranken betroffen sind. In diesem Fall kann nur noch einer Lebertransplantation das Leben des Patienten retten. Eine unbehandelte Leberzirrhose verläuft leider in den meisten Fällen tödlich.
Herz: Studien bewiesen, dass bis zu 43 Prozent der Herzmuskelschädigungen auf regelmäßigem Alkoholkonsum zurückzuführen sind. Hier kommt es zu einem Absterben von Herzmuskelgewebe (Herzmuskelschäden) und damit zu mechanischen und/oder elektrischen Funktionsstörungen des Herzens, wodurch die Herzkammern vergrößert werden. Daraus können sich sehr gefährliche und sogar tödliche Herzkrankheiten wie etwa Herzschwäche (Herzinsuffizienz), Rhythmusstörungen und Embolien in Herz und Lunge entwickeln. Wer daran erkrankt und dennoch weiter trinkt, hat eine sehr schlechte Überlebenschance. Aber: Untersuchungen belegen, dass sich die Herzmuskelzellen nach sechs Wochen absoluter Alkoholabstinenz langsam wieder erholen (siehe auch „Schon kleine Mengen können schädlich sein“).
Bauchspeicheldrüse: Entzündungen der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis) ist bei chronischen Alkoholikern oft anzutreffen. Typische Anzeichen dafür sind heftige, gürtelförmige Bauchschmerzen und ein veränderter Stuhl (Fettstuhl). Sehr oft ist eine entzündete Bauchspeicheldrüse bei Diabetiker und bei Menschen, die bereits eine Leberzirrhose haben. Die Heilungschancen sind leider in den meisten Fällen nicht sehr rosig (siehe auch „Wenn sich die Bauchspeicheldrüse selbst verdaut“).
Magen: Häufiger Alkoholgenuss führt oft zu einer Entzündung der Magenschleimhäute (Gastritis), was in der Folge häufig zu Entzündungen des oberen Dünndarms führt. Alkoholiker mit einem operierten Magen sind daher keine Seltenheit.
Nerven: Unter Polyneuropathie versteht man die Schädigung der Nervenbahnen. Sie wird auf die toxische (vergiftete, schädigende) Wirkung des Alkohols beziehungsweise seiner Abbauprodukte zurückgeführt. Alkoholbedingte Stoffwechselstörungen (Mangel an Vitamin B) betrifft am häufigsten die Beine, Symptome sind Schmerzen, Kribbeln, Taubheitsgefühl sowie plötzliche Muskelbeschwerden und Muskelkrämpfen. Die Heilungschancen stehen bei einer Abstinenz sehr gut, die Beschwerden bilden sich jedoch erst nach einigen Monaten zurück.
Gehirn: Alkoholmissbrauch schädigt die Hirnzellen, viele davon werden abgetötet. Bei chronischem Verlauf treten daher oft Alkoholpsychosen auf. Hinsichtlich der Folgen wird zwischen dem organischen Psychosyndrom und der Alkoholdemenz unterschieden. Unter einem organischen Psychosyndrom versteht man eine Persönlichkeitsveränderung sowie eine Schwäche der Hirnleistung. Das organische Psychosyndrom hat bei einer Abstinenz eine recht günstige Aussicht auf Heilung.
Anders ist es bei einer alkoholischen Demenz, die nicht heilbar ist. Durch diese massive Schädigung des Gehirns kommt es zu einem vereinfachten Denken, zu Erinnerungsstörungen oder -verlusten, zu einer Verminderung der intellektuellen Leistung, zu ausgeprägten Gefühlsschwankungen (von der völligen Gleichgültigkeit bis zum Erregungszustand) sowie zu einer Einengung bewussten Handelns und Erlebens. Eine Alkoholdemenz kommt in den meisten Fällen jedoch nur in einem höheren Lebensalter vor und ist zum Glück sehr selten.
Bei einer abrupten Alkoholabstinenz kommt es bei Alkoholikern nicht selten zu einem Delirium tremens, es kann aber auch, wenn auch recht selten, während des Trinkens ausbrechen. Hauptsymptome sind das Zittern der Hände, unkontrollierte Schweißausbrüche, schwere Schlafstörungen, örtliche und zeitliche Desorientierung sowie Halluzinationen, die meist optisch auftreten: Der Kranke sieht meist kleine, bewegte Dinge wie etwa sich bewegende Tiere. Nicht umsonst spricht man von „weißen Mäusen“. Etwas seltener sind akustische Halluzinationen – man hört entweder Stimmen oder Musik. Auch Körperhalluzinationen können mitunter auftreten. Hier werden eingebildete Veränderungen des eigenen Körpers – wachsende Hände oder schrumpfende Füße – wahrgenommen. Ein Delirium tremens tritt oft bei klarem Bewusstsein auf und kann einige Tage dauern.
Bei Alkoholiker, die jahrelang getrunken hatten und ihren Alkoholkonsum ganz plötzlich stoppen, kann es zu epileptischen Anfällen kommen. Bei der Epilepsie kommt es zu anormalen elektrischen Impulsaktivitäten im Gehirn. Auslöser sind abnorme, gleichzeitige elektrische Entladungen von Nervenzellen (Neuronen). Als Folge treten unkontrollierte Nerven- oder Muskelerregungen mit Verkrampfungen oder rhythmischen Zuckungen auf. Es kann auch zu Atmungsstörungen kommen. Meist stürzt der Betroffene zu Boden und verliert dabei das Bewusstsein. Vorwarnungen (seltsames Gefühl in der Bauchgegend, extreme Müdigkeit, Kopfschmerzen, Halluzinationen) können, müssen aber nicht unbedingt auftreten. Die Anfälle sind in der Regel nach wenigen Minuten wieder vorbei.
Ein weiteres Symptom einer Gehirnschädigung durch den Alkohol kann ein alkoholischer Eifersuchtswahn sein, bei dem der Betroffene ist zum Beispiel felsenfest davon überzeugt ist, dass ein Partner, seine Partnerin ihn betrügt, wovon er sich auch bei augenscheinlichen Gegenbeweisen nicht davon abbringen lässt. So kann es beispielsweise dazu kommen, dass ein Alkoholiker seiner Frau unterstellt, sie habe ihn betrogen, auch wenn sie nur wenige Minuten außer Haus für einen kleinen Einkauf außer Haus war. Auch wenn ihm die Gattin ihre Einkaufstasche zeigt, lässt sich der Kranke nicht von seiner Wahnvorstellung abbringen.
Immunschwäche: Alkoholiker, die wenig essen und sich über eine längere Zeit hindurch fast nur noch flüssig, sprich vom Alkohol, ernähren, haben meist einen geschwächten Körper und somit auch ein sehr geschwächtes Immunsystem. Hier muss es zwar nicht unbedingt zu häufigen Erkältungskrankheiten kommen, aber mit Infektionskrankheiten wie etwa die Lungentuberkulose (TBC) kann sich ein Alkoholkranker durchaus anstecken.
Grafik: Thomas Frohnwieser (1)
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