Studie über Alkohol und Herzerkrankungen im Alter
Schon kleine Mengen können schädlich sein
von Harald Frohnwieser
Ein Glas Rotwein vor dem Schlafengehen kräftige das Herz und sei auch für ältere Menschen gesund, hieß es bis jetzt. Eine These, die auch viele Ärzte vertraten. Doch eine Studie des Brigham and Women's Hospital in Boston, USA, räumt nun damit auf: Schon kleine Mengen an Alkohol können das Herz schädigen, vor allem das von älteren Menschen, ist das Fazit der Studienautoren, die 4.600 Probanden mit einem Durchschnittsalter von 75 Jahren untersuchten. Der österreichische Herzspezialist Prim. Doz. DDR. Manfred Wonisch stößt ins selbe Horn. Und sagt im „Alk-Info“-Gespräch, dass jene Meldungen, die bisher besagten, ein moderater Alkoholkonsum wäre gut fürs Herz, von Lobbyisten stammten, die der Weinindustrie nahestünden.
„Je mehr Alkohol die Studienteilnehmer konsumierten, desto tiefgreifender waren die Folgen auf die Struktur und Funktionsfähigkeit ihres Herzens“, zieht Alexandra Gonçalves Bilanz über ihre Studie, die sie im Auftrag des Brigham and Women's Hospital in Boston, USA, durchführte. Die angesehene Wissenschaftlerin und ihr Kollege Scott Solomon untersuchten die Wirkung des Alkohols auf den Herz-Kreislauf-System anhand von 4.600 älteren Menschen, die ein Durchschnittsalter von 75 Jahren aufwiesen. Zunächst befragten die Forscher die Probanden nach ihren Trinkgewohnheiten, dann untersuchten sie Struktur, Größe und die Funktion des Herzens. Das Ergebnis lässt aufhorchen. Alkohol in kleinen Mengen ist nicht, wie bisher immer wieder verlautbart wurde, gesund fürs Herz, sondern kann den Herzmuskel schwer schädigen.
Wobei besonders ältere Menschen gefährdet sind. Und hier sind es vor allem die Frauen, die davon betroffen sind. Bei ihnen kann sich bereits ein kleiner Drink pro Tag negativ auf den Herzmuskel auswirken, kamen die Studienautoren zum Ergebnis. Den Grund dafür sehen die Experten darin, dass der Körper im Alter länger braucht, um den Alkohol abzubauen. Was bedeutet, dass der Stoff mehr Schaden anrichten kann, wenn er länger im Körper ist. „Trotz der potenziell begünstigenden Wirkung eines geringen Alkoholkonsums bestätigen unsere Resultate eine mögliche Gefährdung der kardiologischen Struktur und Funktion durch erhöhte Mengen von Alkohol, insbesondere bei Frauen“, wird die leitende Studienautorin Alexandra Gonçalves vom Magazin „LiveScience“ zitiert.
Schon ein Glas Wein kann schädlich sein
Gonçalves räumt zwar ein, dass sich ein geringer Alkoholkonsum eventuell positiv auf das Herz mancher Menschen auswirken kann, jedoch muss sie gleichzeitig feststellen, dass noch unklar ist, ab welcher Menge ein gegenteiliger Effekt eintreten kann. Ihr Kollere Solomon ergänzt: „Frauen scheinen anfälliger zu sein für die herzschädigenden Effekte des Alkohols als Männer. Möglicherweise haben sie dadurch auch ein höheres Risiko einer alkoholischen Kardiomyopathie (Erkrankung des Herzmuskels, Anm.).“
Ein Ergebnis der Studie ist auch, dass der Effekt einer schädigenden Wirkung des Alkohols bei Frauen schon mit einem täglichen Glas Alkohol – das muss nicht unbedingt ein Hochprozentiger sein – einsetzt, bei Männer sind es zwei Gläser pro Tag.
Unterschiedliche Daten
„Es gibt keinen vernünftigen Grund, täglich Alkohol zu trinken“, sagt auch der Wiener Kardiologe Manfred Wonisch im „Alk-Info“-Gespräch. Warum es bisher galt, dass sich ein moderater Alkoholkonsum positiv auf das Herz auswirke, erklärt der Herzspezialist damit, dass für solche Studien nur einzelne Aspekte herangezogen wurden. Wonisch: „Da hat man sich zum Beispiel die Gefäßerweiterung angesehen, die der Alkohol in niedrigen Dosen bewirkt, was sich ja an und für sich gut auf den Körper auswirkt. Das wurde dann von Lobbyisten, die für die Weinwirtschaft tätig sind, verbreitet.“ Doch dass Alkohol ein Zellgift ist, wusste man immer, was aber gerne verschwiegen wurde, so der Mediziner. Außerdem bezogen sich solche Meldungen meist auf Menschen mittleren Alters. „Es gab darüber immer schon unterschiedliche Daten. Hieß es lange, dass geringe Mengen an Alkohol sogar positiv wären, schwenkt man jetzt wieder zurück“, so Wonisch.
Frauen sollten generell vorsichtig sein
Warum aber sind vor allem ältere Menschen von der Schädigung des Alkohols auf das Herz betroffen? „Je älter man ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, am Herzen zu erkranken“, erklärt Manfred Wonisch, „und regelmäßiger Alkoholkonsum kann dann eine zusätzliche Belastung mit großen Folgen sein. Alkohol kann somit auch in kleinen Dosen eine weitere Schädigung des Herzmuskels sein.“ Doch warum sind ältere Frauen einem höheren Risiko ausgesetzt, an einem Herzleiden zu erkranken wenn sie Alkohol trinken als Männer? „Bis zu einem mittleren Alter kommen bei Frauen weniger Herzerkrankungen vor als bei Männern. Doch ab 50 oder 60 fallen die Schutzhormone weg, dazu kommt, dass Frauen heute viel mehr rauchen als früher. Deshalb sollten Frauen generell vorsichtig sein“, erläutert der Kardiologe.
Dass Männer mehr Alkohol vertragen als Frauen ist bekannt. Wonsich: „Männer, die täglich 60 Gramm reinen Alkohol trinken, gehen das gleiche Risiko ein, an einem Herzleiden zu erkranken wie Frauen, die die Hälfte zu sich nehmen.“
Die American Heart Association empfiehlt zwar für Frauen ein Glas, für Männer zwei Gläser Alkohol am Tag, Manfred Wonisch ist auf diesem Gebiet einer anderen Ansicht: „Ich würde prinzipiell niemandem empfehlen, Alkohol zu trinken“, nimmt er all jenen die Hoffnung, dass sie ihrem Körper etwas Gutes tun, wenn sie zum täglichen Glas Bier, Wein oder Schnaps greifen.
Grafik: Thomas Frohnwieser (1)