Burnout und Alkohol
Ins Out gekickt
von Harald Frohnwieser
Einst war es die „Managerkrankheit“ und der Herzinfarkt galt als Synonym für hochbezahlte Arbeitskräfte, die ihr Büro mit ihrem Zuhause vertauschten. Mittlerweile weiß man jedoch längst, dass Burnout nicht nur jene aus der Chefetage sondern jeden Menschen treffen kann - jeder Fünfte bis Sechste ist hierzulande Burnout gefährdet. Der dänische Pharmakonzern Lundbeck bat zu diesem Thema erneut in Wien zu einem Presseforum, bei dem drei Fachleute über Burnout, seine Entstehung und seine Kosten sprachen. Dass dabei auch über Alkohol und andere Drogen geredet wurde, war zu erwarten. Denn viele der Burnout-Patienten greifen zur Selbstmedikation und bekämpfen ihre Krankheit mit Alkoholika, aber auch mit Amphetamine oder Kokain. Womit ein Teufelskreislauf beginnt…
„Burnout entsteht nicht plötzlich, es kommt also nicht quasi aus dem Nichts. Es nimmt in der Regel eine über längere Zeitstrecken hinweg reichende Entwicklung, die im Gesunden beginnt und im Kranken endet“, weiß der ärztliche Leiter des Anton-Proksch-Instituts (API) in Wien, Prof. Michael Musalek, in dessen Institut seit einigen Jahren nicht nur Alkoholkranke, sondern auch Menschen, die völlig ausgebrannt sind, stationär aufgenommen werden. Das sind immerhin 40 Prozent aller API-Patienten. Musalek kennt drei Stadien, die für eine Burnout-Erkrankung signifikant sind. In der ersten Phase, dem sogenannten „Problemstadium“ merkt der Betroffene noch nichts von einer Überbelastung. Ganz im Gegenteil, er lebt und arbeitet frei nach dem Motto: „Ich kann alles!“ Aber es gibt Alarmzeichen, die vom beginnenden Burnout warnen: „Es werden nicht nur die eigenen Bedürfnisse, sondern auch die Beziehungen zu Mitmenschen vernachlässigt. Im emotionalen Bereich findet sich eine erhöhte Reizbarkeit. Die Betroffenen beklagen Unruhe und Spannungszustände, nicht selten auch Schlafstörungen, die sich vorzugsweise als Einschlafstörungen manifestieren“, so Musalek.
Ist im ersten Stadium noch keine Rede von einer Erkrankung, so geht es in Stadium 2 bereits mit voller Kraft zur Sache. Musalek: „In diesem ,Übergangsstadium ist dem Betroffenen die arbeitsbedingte Überlastung und Überforderung bereits bewusst, er hat aber noch den Eindruck, dass er das alles schaffen kann. Die eigenen Bedürfnisse werden noch weiter vernachlässigt, ebenso die Beziehungen zu den Mitmenschen. Die Folgen sind völlige Zentrierung auf die Arbeit und zunehmend sozialer Rückzug.“ Zu den Einschlafstörungen des ersten Stadiums gesellen sich nun oft auch Durchschlafstörungen, psychosomatische Beschwerden treten auf.
Mit dem Burnout kommt auch der Alkohol
In dieser Phase wird oft der Grundstein für eine Alkoholabhängigkeit gelegt, sind internationale Burnout-Experten und Suchtforscher überzeugt. „Häufig kommt mit dem Burnout auch der Alkohol“, weiß der Hamburger Professor Matthias Burisch. In einem Interview zu diesem Thema sagt der renommierte Psychologe über Burnout-Erkrankte: „Abends leeren sie die Minibars, morgens schlucken sie Aufputsch-Medikamente. Das beschleunigt den Zerfall.“
Dazu Michael Musalek: „Im zweiten Stadium wird häufig zu Alkohol gegriffen, um endlich wieder ein- und auch durchschlafen zu können. Aber auch andere Substanzen, wie Amphetamine oder Kokain werden häufig genommen. Opiate kommen auch vor, aber etwas weniger. Und so manche, die sich in dieser zweiten Phase befinden, versuchen Entspannung beim Glücksspiel, manche entwickeln auch eine ausgeprägte Kaufsucht.“
Auch junge Menschen sind betroffen
Was den Alkohol betrifft, so melden sich auch in diversen Burnout-Foren Betroffene zu Wort, die über ihren Umgang mit Bier, Wein und Co. berichten. „Ich trinke mehr, seit es richtig stressig ist“, bekennt ein User, und ein anderer schreibt: „Ich habe auch den Alkohol schon genutzt um zur Ruhe zu kommen und schlafen zu können.“ Es sind aber auch viele Junge darunter, die den Alkohol zum „Runterkommen“ bewusst einsetzen. So hat zum Beispiel das Mannheimer Zentralinstitut für seelische Gesundheit festgestellt, dass sich 30 Prozent der Studenten zu regelmäßigen Saufgelagen bekennen. Im Hochschulfernsehen einer deutschen Universität erzählt eine Studentin, die anonym bleiben wollte, dass der Griff zur Flasche für sie längst zur Normalität geworden ist. „Ich gehe gern mal einen trinken um einen Ausgleich zur Uni zu bekommen, weil es mir einfach zu viel wird.“
Das dritte Stadium lässt sich laut Musalek mit folgenden Worten zusammenfassen: völlige Erschöpfung, Arbeitsunfähigkeit, Depression, paranoide Ideen, chronische Schmerzzustände und weiterhin einen völligen Rückzug.
Mag. Kurt Mayer ist Berater für Strategieentwicklung und strategisches Management und geschäftsführender Gesellschafter der Integrated Consulting Group (ICG). Er kritisiert, dass die Gesundheitssysteme und die Politik nur sehr zögerlich handeln. Dabei sind die Kosten, die eine Burnout-Erkrankung verursacht, enorm hoch. Wobei sie sich bei einer Früherkennung noch im moderaten Bereich befinden: sie liegen zwischen 1.500 bis 2.300 Euro, bei einer zeitverzögerten Diagnose muss man schon mit wesentlich mehr rechnen: 12.400 bis 17.700 Euro kosten Therapie und Krankenstandtage. Kommt es aber erst in der Akutphase zu einer Behandlung, dann kann man mit mehr als 100.000 Euro pro Betroffenen rechnen. Mayer: „Psychische Erkrankungen kosten entwickelten Staaten, darunter auch Österreich, etwa 4 bis 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), aber nur 0,5 Prozent des BIP werden für alle psychischen Erkrankungen in die Prävention investiert.“
Burnout bei Früherkennung gut behandelbar
Auch Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Lalouschek vom Interdisziplinären Gesundheitszentrum the Tree betont, wie wichtig eine Früherkennung ist: „Die rechtzeitige Prävention sowohl für Betroffene als auch für Unternehmen ist entscheidend – Selbstreflexion und ausreichende Regeneration auf der einen Seite, gesundheitsfördernde Organisationsentwicklung auf der anderen sind die wichtigsten 'Werkzeuge' der Prävention.“ Denn die Aussichten, eine Burnout-Erkrankung erfolgreich zu behandeln, sofern sie rechtzeitig erkannt wird, stehen gar nicht so schlecht. Lalouschek: „Burnout kann in den meisten Fällen gut behandelt werden. Erfolgt jedoch über einen längeren Zeitraum keine adäquate Therapie bzw. kein adäquates Gegensteuern, so kann die Chronifizierung – verbunden mit massiven beruflichen und sozialen Folgewirkungen – zu anhaltenden psychischen Erkrankungen wie Depression, Angststörungen oder Suchtverhalten, sowie zu Berufsunfähigkeit und bis hin zur massiven Bedrohung oder gar Zerstörung des gesamten Lebensgefüges führen.“
Und wenn ein Burnout-Erkrankter nicht nur wegen seiner Erschöpfung behandelt werden muss, sondern auch noch wegen einer Alkohol-, Tabletten- oder Kokainsucht, dann kommt das erst recht teuer. Doch anstatt in die Prävention zu investieren, wird lieber weg geschaut, um dann über die hohen Kosten zu jammern. Doch das kennt man ja bereits: Noch immer gibt es in Österreich keine ausreichende Prävention, um die Kinder und Jugendlichen, aber auch die vielen Erwachsenen über die Gefahren des Alkohols aufzuklären. Warum soll es ausgerechnet bei Burnout anders sein?
Fotos: Franz Weingartner (1), Anna Stöcher (1) Grafik: Thomas Frohnwieser (1)