Edgar Allan Poe
Düsteres Schicksal, düstere Werke
von Harald Frohnwieser
Edgar Allan Poe war Journalist, Literaturkritiker und Schriftsteller. Und er war Alkoholiker. Immer wieder sorgte der begnadete Dichter, zu dessen bekanntesten Werken das ebenso düstere wie beklemmende Gedicht „Der Rabe“ zählt, mit seinen Exzessen für negatives Aufsehen. Als er im Alter von 40 Jahren starb, war er ein gebrochener Mann, der sich nach mehreren Schicksalsschlägen buchstäblich zu Tode trank.
Der Friedhof der Westminster Hall in Baltimore, USA. Jedes Jahr huscht am 19. Jänner eine schwarze, vermummte Gestalt im Dämmerlicht zu einem Grab, legt drei Rosen nieder und verschwindet wieder. Keiner kennt den sogenannten „Poe-Toaster“, der seit mehr als 60 Jahren dem dem 1849 verstorbenen Schriftstellers Edgar Allan Poe gedenkt.
Schon kurz nach seinem Ableben begann die Mystifizierung des Autors. Ein Alkoholiker sei er gewesen, ein ganz übler Säufer, noch dazu opiumabhängig und vom Wahnsinn befallen. Behauptungen, die eifersüchtige Kollegen des Dichters, dessen düstere Werke wie „Der Untergang des Hauses Usher“, „Doppelmord in der Rue Morgue“, „Das Pendel des Todes“ oder „Der Rabe“ in keiner anständigen Bibliothek fehlen dürfen, in Umlauf gebracht. Und tatsächlich, Poes Lebenslauf könnte aus einem seiner eigenen Romane entsprungen sein.
Edgar Allan Poe, 1809 in Boston, USA, geboren, kam als Sohn einer aus England stammenden Schauspielerin und eines aus Baltimore stammenden Schauspielers zur Welt. Als er ein Jahr alt war, verließ der Vater die Familie, was danach aus ihm wurde, kam nie ans Tageslicht. 1811 verstarb Poes Mutter an Tuberkulose, der Zweijährige und seine beiden Geschwister blieben mittellos zurück und kamen zu Zieheltern, das kinderlose Ehepaar Frances und John Allan, ein erfolgreicher Kaufmann, nahmen den kleinen Edgar bei sich in Richmond auf. John Allans Verhältnis zu dem Jungen war recht zwiespältig – einerseits verhätschelte er ihn, andererseits war er übermäßig streng mit ihm und bezeichnete ihn stets als sein „Mündel“. Obwohl Edgar nicht adoptiert wurde, nahm er den Zweitnahmen Poe an.
Die Schulden und der Suff
1815 zogen die Allans aus geschäftlichen Gründen nach London, Edgar kam zunächst auf ein Internat in Schottland, bald darauf übersiedelte er in ein Internat nach Chelsea nahe London. Als es 1819 zu einer Wirtschaftskrise kam, beendeten die Allans ihren Englandaufenthalt und kehrten in nach Richmond zurück. In den USA genoss Poe eine gute Erziehung, seine sprachliche Begabung und seine sportlichen Erfolge ließen ihn zu einem beliebten Jungen werden. Ein Schulkamerad berichtete, dass kein anderer Junge einen so großen Einfluss auf ihn gehabt hätte wie Edgar.
Mit 17 kam Poe auf die Universität von Virginia, wo er neue Sprachen studierte. Doch schon machte er 2000 US-Dollar Schulden, da, wie vermutet wurde, ihm sein Ziehvater zu wenig Geld mitgab. Und er begann mit dem Trinken: Seine Kommilitonen waren sehr betucht, Geld spielte keine, Exzesse dafür aber eine umso größere Rolle. Nach einem Zerwürfnis mit John Allan ging Edgar Allan Poe nach Boston zurück und brachte 1827 seinen ersten Gedichtband auf eigene Kosten heraus. Verdient hatte er damit freilich kaum etwas. Nach mehreren Jahren bei der Armee kehrte er nach Baltimore zurück, gerade rechtzeitig, um am Begräbnis seines verstorbenen Bruders, der sich im Alter von 24 Jahren buchstäblich zu Tode soff, teilzunehmen.
Nach zwei weiteren, ebenfalls erfolglosen Gedichtbänden veröffentlichte er eine Erzählung in einer Zeitung, 1836 heiratete er seine Cousine Virginia. Auf der Heiratsurkunde wird ihr Alter mit 21 Jahren angegeben, in Wirklichkeit war Virginia erst 13 Jahre alt. 1837 gingen die Eheleute nach New York eineinhalb Jahre später heuerte Edgar Allan Poe als Redakteur bei einem Magazin in Philadelphia an. Hier lernte er unter anderem auch den Dichter Charles Dickens kennen, den er sehr verehrte. Dickens versprach, dass er sich darum kümmern werde, dass Poes Erzählungen auch in England veröffentlicht werden. Dies geschah auch, doch Poe bekam dafür keinen Cent. Ein internationales Copyright gab es damals noch nicht.
Alkoholexzesse
Die Jahre in Philadelphia waren geprägt von Alkoholexzessen, wobei man bedenken muss, dass dies im puritanischen, streng vom Glauben geprägten Philadelphia Auslegungssache war. Zeitzeugen berichteten, dass Poe schon nach einem Glas Wein sturzbetrunken war, was entweder auf eine Alkoholunverträglichkeit hinwies oder darauf, dass es sich vorher schon heimlich einige Gläser genehmigte. Jedenfalls war der Journalist, Literaturkritiker und Schriftsteller in Philadelphia bald seinen guten Ruf los, und so zogen die Poes nach New York, wo er für den Evening Mirror als Journalist arbeitet und sein Gedicht „Der Rabe“ veröffentlichte, das ihn als Lyriker bekannt machte. Die Poes lebten die meiste Zeit, die sie in New York verbrachten, in einem kleinen Landhaus am Stadtrand.
Tod der Ehefrau
Doch das Glück währte nicht lange. 1847 stirbt Poes Ehefrau Virginia an einem Blutsturz. Nun verliert Poe, nach dem Tod seiner Eltern, seines Bruders und seiner Ehefrau, endgültig den Boden unter den Füßen. Er suchte eine neue Partnerin, glaubte, sie nach zwei erfolglosen Versuchen in der Dichterin Sarah Helen Whitman gefunden zu haben, doch die Angebetete löste die Verlobung schon nach kurzer Zeit, da sie – nach einigen anonymen Hinweisen – Zweifel an der Zuverlässigkeit Poes hegte. Außerdem war ihre Mutter gegen diese Verbindung. 1849 trifft Poe auf eine Jugendliebe wieder, verlobte sich mit ihr, doch das Schicksal nahm bereits seinen Lauf.
Verwirrt und am Ende
Am 27 September 1849 machte sich der Dichter zu seinem Haus in New York auf, um die Vorbereitungen für seine bevorstehende Hochzeit voranzutreiben. Am 3. Oktober wurde er vor einem Lokal in einem völlig verwirrten, abgerissenen Zustand aufgegriffen und – nachdem ein Verwandter es ablehnte, sich um ihn zu kümmern – in ein Krankenhaus gebracht, wo er wenig später im Alter von nur 40 Jahren verstarb. Schon bald gab es zahlreiche Theorien über seine Todesursache: Cholera, Tollwut, Syphilis, Diabetes und, natürlich, Alkoholismus wurden im Umlauf gebracht. Woran er tatsächlich starb, ist bis heute nicht geklärt. Sein Nachlassverwalter, ein konservativer Christ, sorgte dafür, dass sich Poes Ruf als sündiger Trinker in den USA verfestigte, durch die Übersetzungen Poes Werken von Charles Baudelaire und Stéphane Mellarmé ins Französische wurde Edgar Allan Poe auch in Europa bekannt. Heute gilt er als einer der bedeutendster Schriftsteller, der es blendend verstand, mit seinen düsteren Werken für Gänsehaus zu sorgen.
Foto: commons.wikimedia.org / W.S. Hartshorn (1)