Buster Keaton: Stummfilmstar & Alkoholiker:
Der Mann, der niemals lachte
von Harald Frohnwieser
Er zählte neben Charlie Chaplin, Laurel und Hardy, Harold Lloyd und Ben Turpin zu den absoluten Stars der Stummfilmära, durch seine subtile Komik ging Buster Keaton, der vor der Kamera auch in den haarsträubendsten Situationen niemals eine Miene verzog, dem auch niemals ein Lächeln auskam, als Legende in die Filmgeschichte ein. Doch so sehr er die Menschen auch zum Lachen brachte, so traurig verlief nach seinen großen Erfolgen sein Leben: Der Sohn eines Alkoholikers stürzte nach dem Siegeszug des Tonfilms tief ab, ließ sich zwei Mal scheiden und griff, wie sein Vater, zur Flasche.
Buster Keaton kam als Joseph Frank Keaton am 4. Oktober 1895 als Sohn zweier Varietékünstler in einem kleinen Ort im mittleren Westen der USA zur Welt. Schon als Vierjähriger stand er mit seinen Eltern auf der Bühne – und wurde von ihnen als eine Art Wurfpaket benutzt und als „menschlicher Mop“ brutal in die Kulissen geschleudert. Das Publikum amüsierte sich darüber, aber der kleine Joseph hatte dabei oft große Schmerzen. „Ich durfte mir das aber nie anmerken lassen, also verzog ich keine Miene“, erinnerte er sich später an jene Zeit, in der sein späteres Markenzeichen heranreifte. Eine Organisation zum Schutz der Kinder zeigte die Eltern an, doch die gaben ihren ältesten Sohn ganz einfach als kleinwüchsigen Erwachsenen aus. Sie kamen mit nur einem Auftrittsverbot im Staat New York relativ glimpflich davon.
Im Alter von 21 Jahren hatte Joseph, der sich nun Buster nannte, die Nase von seinem alkoholkranken Vater voll und ging nach New York, wo er in einer Musik-Revue auftreten sollte, traf aber einen Jugendfreund, der in einem Filmstudio arbeitete und ihn dorthin einmal mitnahm. Hier begegnete Keaton den Filmkomiker Roscoe Arbuckle, der ihm spontan anbot, in seinem aktuellen Film mitzuspielen. Keaton war von der Technik der aufblühenden Filmindustrie begeistert und sagte zu: „The Butcher Boy“ gilt als Keatons Filmdebüt. Und schien hier trat der spätere Star mit einer unbeweglichen Gesichtsmiene auf, die ihm später den Spitznamen „Stoneface“ einbrachte.
Waghalsige Stunts
1918 rückte er als Soldat des 1. Weltkrieges an nach Frankreich ein, ein Jahr später kehrte Buster Keaton nach Amerika zurück und drehte zahlreiche Kurzfilme. Schon bald war Keaton aber nicht nur ein beliebter Hauptdarsteller, der von Hausdächern stürzte, sich vor Autos warf oder dem hunderte Polizisten auf den Fersen waren („The Cops“, 1922), er betätigte sich auch als Regisseur und schrieb die Drehbücher. Obwohl er von Letzteren nicht allzu viel hielt, Keaton hasste Bücher, die ihm jedes Detail, das er machen sollte, genau vorschreiben. „Ein guter Film muss auf eine Serviette passen“, war Buster Keaton, der mittlerweile ein eigenes Studio besaß, überzeugt. Zu seinem Ruhm trug sicher auch bei, dass er die waghalsigen Stunts seiner Filme nicht nur erfand, sondern sie auch selbst ausführte. Was mitunter lebensgefährlich war: Bei einer Szene zu „Our Hospitaly“, die an einem Wasserfall spielte, schluckte er so viel Wasser, dass sein Magen ausgepumpt werden musste.
1926 wurde er zum Tagesgespräch, weil Keaton für seinen Film „The General“, der zur Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges spielte, eine entführte Dampflokomotive über eine Brücke ins Wasser stürzen ließ. Der Streifen ging als bis dato teuerster Stummfilm in die Film-Geschichte ein, doch das Publikum konnte sich dafür nicht begeistern, der Film wurde ein Flop. Keatons Produzent Joseph Schenck übernahm nun verstärkt die Kontrolle über das Studio und engagierte gegen Keatons Willen Drehbuchautoren, doch auch der nächste Film, eine Komödie, war nicht sehr erfolgreich. Bald darauf stürzte in dem Film „Steamboot Bill jr.“ (1928) eine ganze Hausfassade auf Keaton, dessen Kopf am Ende der waghalsigen Szene durch ein Giebelfenster lugte. Eine Szene, die durchaus tödlich hätte enden können. Doch die Kosten für den Film waren enorm und konnte auch durch die Einnahmen an den Kinokassen nicht gedeckt werden.
Ein schlimmer Fehler
Dem gefallenen Stummfilmstar blieb nichts anderes übrig, als sein Studio zu verkaufen. Keaton dazu in einem späteren Interview: „1928 machte ich den schlimmsten Fehler in meiner Karriere. Ich gab mein eigenes Studio auf, um Filme für Metro-Goldwyn-Mayer zu machen.“ Ein Fehler, den er sehr bereuen sollte: Keaton musste sich einem starren Studio-System unterwerfen, mit dem er nichts anfangen konnte. An seine großen Erfolge von einst konnte er auch nicht mehr anknüpfen. Und als dann auch noch der Tonfilm Ende der 1920er Jahre die Kinos eroberte, wurde Keaton nur noch für winzige Rollen beschäftigt. Der einst gefeierte Schauspieler und Regisseur beschränkte sich bald darauf, Gags für andere Filmkomiker zu schreiben. MGM feuerte ihn Jahre später, weil er zu oft betrunken war.
Es sollte viele Jahre dauern, bis der Stummfilmstar aus der Versenkung wieder auftauchte. Sein Haus in Kalifornien verkaufte er 1952 an den Hollywood-Star James Mason, der in einer Abstellkammer längst vergessene Kopien entdeckte, diese einem Sammler übergab, der wiederum nach einem Deal mit Keaton die Filme in Programmkinos zeigte – und plötzlich lachten die Leute wieder über den Mann, der selbst niemals vor der Kamera lächelte. 1959 erhielt Keaton einen Ehrenoscar und war auch als Schauspieler wieder gefragt, er wurde zu einer lebenden legende.
Alkohol und Psychiatrie
Doch die Zeiten des Misserfolgs hatten ihre Spuren hinterlassen. Zwei seiner Ehen scheiterten und Buster Keaton wurde, so wie auch sein Vater, zum Alkoholiker. Sein Trinken verschaffte ihn sogar einen Aufenthalt in einer Psychiatrie. In seinen letzten Lebensjahren verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zusehends, die Diagnose Lungenkrebs wurden ihm von seiner 3. Ehefrau und seinem Arzt allerdings verschwiegen. 1965, kurz vor seinem Tod, drehte er noch einen Film unter der Regie des Beatles-Regisseurs Richard Lester („A hard Days Night“, „Help“): Die Stunts in „Toll trieben es die alten Römer“ konnte Keaton freilich nicht mehr selber machen, er ließ sich doublen. Der Film kam erst nach seinem Tod am 1. Februar 1966 in die Kinos.
Inzwischen gilt Buster Keaton längst nicht nur als genialer Komiker und Regisseur, sondern auch als Visionär. Seine Filme waren mehr als nur Slapstick, sie waren feinsinnige und hintergründige Kunstwerke, die ihr Publikum schon damals berührten. Und es immer noch tun.
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