Ernest Hemingway liebte Abenteuer, Stierkampf und Alkohol
Der Nobelpreisträger, den man auf Cocktails reduziert

von Werner Schneider

Bei wie vielen Nobelpreis- und Pulitzerpreisträgern fragt man sich noch Jahrzehnte nach deren Tod, was wohl ihr Lieblingscocktail gewesen sein mag, Mojito oder doch Daiquiri? Und welches sind die Originalrezepturen? Literaturfreunde des schnörkellosen Stils wissen, es handelt sich um den „alten Mann und das (Alkohol) Meer“, Ernest Hemingway. Der Sohn aus bestem Hause liebte Krieg, Abenteuer, das Boxen, den Stierkampf, die Jagd, schöne Frauen und das Trinken.

Ernest Hemingway (Juni 1958)Als Ernest Miller Hemingway wurde er am 21. Juli 1899 in Oak Park Illinois als Sohn eines angesehenen Landarztes (Clarence Edmonds Hemingway) und der gestrengen Mutter Grace Hall Hemingway (Tochter des wohlhabenden Messergroßhändlers Ernest Hall) geboren. Ihm war also eine geebnete Zukunft in die Wiege gelegt. Aber Ernest versuchte sich schon in der Highschool als Lokalreporter des Kansas City Stars. Und im Frühjahr 1918 meldete er sich als Freiwilliger des Roten Kreuzes nach Europa in den Krieg und kam an die Italienfront, wo er schwer verwundet wurde. Im Krankenhaus von Mailand verliebte er sich in die Krankenschwester Agnes von Kurowsky – unglücklich, denn sie erwiderte seine Avancen nicht. Diesen Abschnitt seines Lebens verewigte er zehn Jahre Später in dem Roman „In einem andern Land“. In diesem lässt er seine frühere Herzdame sterben, eine späte, literarische Rache…
Doch nicht so schnell. Nach seiner Rückkehr nach Amerika blieb Hemingway dem Journalismus treu, er heuerte erst beim Toronto Star an, dann wurde er Polizeireporter in Chicago.
Aber die USA hielten ihn nicht lange, er ging als Korrespondent nach Paris („Paris - ein Fest fürs Leben“). Dort schloss er sich der „lost generation“ an, wie Gertrude Stein die jungen Männer, meist Schriftsteller und Künstler nannte, die der Krieg ausgespien hatte, die sich in den Cafés herumtrieben und tranken. Zu dieser dem Alkohol zugetanen Runde gehörten auch Ezra Pound, James Joyce und F. Scott Fitzgerald. In den USA herrschte zu dieser Zeit die Prohibition, in Paris flossen Wein und Pastis. Für Hemingway und seine Konsorten hieß das Motto: „A man does not exist until he drinks“ („ein Mann existiert gar nicht, bis er trinkt“).
Hemingway gab den Journalismus auf und schleppte sich mehr oder minder mühsam als Schriftsteller durchs Leben, es war eine eher brotlose Zeit, denn seine Kurzgeschichten verkauften sich in den USA schlecht, ein Koffer mit Manuskripten wurde ihm gestohlen, in der deutschen Zeitschrift „Querschnitt“ erschienen Übersetzungen von seinen Werken.
Legendäre Barbesuche
Zwei Winter (1924 und 1925) verbrachte der Dichter im Vorarlbergischen Schruns, wo er den Roman „Fiesta“ schrieb, mit dem ihm 1927 der Durchbruch gelang. Sein schnörkelloser Stil hatte zigtausende Anhänger gefunden.
Ernest Hemingway war noch mit Hadley Richardson verheiratet, von der er sich 1928 scheiden ließ und Pauline Pfeiffer heiratete. Es zog ihn 1928 nach Kuba und auch nach Key West an der Südspitze Floridas. Hier wie dort wurden seine Barbesuche legendär. Er schrieb manisch und trank ausgiebig. Und er gab sich der Hochseefischerei hin. Über seinen Schreib- und Trinkrhythmus soll er gesagt haben: „Done at noon drunk at three“ („zu Mittag fertig, um drei Uhr betrunken“).
Noch einmal wandte sich der Poet dem Journalismus zu, als er als Korrespondent in den Spanischen Bürgerkrieg zog, an der Seite der Republikaner, versteht sich. „Wem die Stunde schlägt“ und „Die fünfte Kolonne“ beschreiben diesen Lebensabschnitt in einem der grausamsten Kriege auf dem europäischen Kontinent eindrucksvoll. Spanien bot neben Abenteuer (wenn man einen Bürgerkrieg so nennen kann) vor allem Drinks, Brandy und Wein. Kriegsberichterstatter aus aller Welt hielten sich an den Tresen der Hotelbars fest.
Jagdtrophäen und viele Drinks
Die literarischen Eindrücke aus Spanien brachte Hemingway auf seiner Finca Vigia auf Kuba zu Papier. Die Räume waren mit Jagdtrophäen geschmückt und der Dichter, so wird berichtet, schrieb an einem Stehpult Seiten um Seiten voll, strich alles auf ein Minimum zusammen und entschwand zu seinen geliebten Drinks. „My Mojito in La Bodeguita. My Daiquiri in La Floridata“ steht auf einem goldgerahmten Schild, das die Bar La Bodeguita noch heute in Havanna ziert. Auch so kann man Ordnung in sein Leben bringen…
In der Finca Vigia lebte Hemingway bereits mit seiner dritten Frau, der Journalistin Martha Gellhorn.
1934 führte den Natur- und Jagdliebhaber eine Reise nach Kenya in Afrika. Die Safari wurde unter anderem von Baron Bror von Blixen-Finecke, dem Ehemann von Karen Blixen (Filmfreunden bekannt) geleitet. Sie diente als Vorlage für die Kurzgeschichte „Das kurze glückliche Leben von Francis Macomb“.
Der Zweite Weltkrieg zog Hemingway wieder als Kriegsberichterstatter an. In einem posthum veröffentlichten Brief prahlte der offensichtlich bereits vom Alkohol umnebelte Mann, er habe „122 deutsche Soldaten getötet“. Nachforschungen – auch in Deutschland – ergaben, dass es sich hier eher um eine „fiktive“ Behauptung gehandelt haben müsse.
1948 verliebte sich Hemingway in Venedig in eine 18-jährige Frau, Adriana Mancich. Diese platonische Liebe gefährdete sogar seine Ehe, erhalten ist ein intensiver Briefwechsel und der Roman „Über den Fluss und in die Wälder“.
Depressiv und leberkrank
Noch einmal reiste Hemingway nach Afrika und zwar nach Uganda, wo er zwei Flugzeugabstürze überlebte.
1953 erhielt der Dichter den Pulitzer-Preis, 1954 den Literatur-Nobelpreis. Da hatte er „Der alte Mann und das Meer“ geschrieben.
Und er wusste, dass es mit seiner Gesundheit schon längst nicht mehr stimmte. Er war eine Art Hypochonder, der die Signale des Körpers bewusst ignorierte. Gutes Essen und viel Trinken, dazu eine gewisse Rastlosigkeit. Nach seiner Zeit in der Finca Vigia, die seine vierte Frau Mary Welsh dem kubanischen Staat schenkte, fühlte sich Hemingway nirgends mehr zu Hause. Man sprach von einem intensiven, aber „melancholischem“ Leben. Zu diesem Zeitpunkt war Hemingway vermutlich bereits schwer depressiv (sein Vater hatte sich 1928 erschossen) und auch leberkrank. Mary Welsh wollte ihren Mann in den USA behandeln lassen, doch auch das brachte keine Besserung. Denn das ärztliche Verbot all der Dinge, die er liebte, ertrug er kaum. Man könnte seinen Zustand eine bipolare Störung nennen.
Der Nobelpreisträger hatte eine „glatte, braune Geliebte“ an seiner Seite, ein Jagdgewehr. Mit diesem setzte er am 2. Juli 1961 in Ketchum, Idaho, seinem Leben ein Ende.
Nicht zu Ende ist – und damit gehen wir wieder zum Anfang dieser Geschichte zurück – der Streit darüber, welchen Drink Hemingway nun tatsächlich bis heute berühmt gemacht hat. Tatsache ist, Daiquiris und Mojitos gab es lange vor Hemingways Liebe zu ihnen. Ob er spezielle Rezepturen dazu hinterlassen hat, soll hier nicht breit getreten werden. Es war wohl auch nicht Hemingways Lieblingsthema, denn seichte Unterhaltungen hasste er. Er wollte große Geschichten, nicht über Details wie Minzblätter reden. Und jene Bars, in der er sich volllaufen ließ, wie etwa die des Ritz in Paris, wo er sich mit Bloody Marys abfüllte, danken es ihm noch heute.

Foto: commons.wikimedia.org / Lloyd Arnold (1)