„Monty-Python“ Graham Chapman war Alkoholiker
Ein einsamer Ritter der harten Getränke
von Harald Frohnwieser
Gemeinsam mit seinen fünf Kumpels von Monty-Python schrieb er Fernsehgeschichte und landete mit Kinofilme wie „Die Ritter der Kokosnuss“ oder „Das Leben des Brian“ Mega-Erfolge. Er schrieb makabre Sketche und outete sich zu einer Zeit, als Schwulsein noch verachtet wurde, öffentlich als Homosexueller. Doch Graham Chapman hatte noch ein Geheimnis, von dem seine Freunde lange nichts wussten – er war Alkoholiker und trank täglich zwei Flaschen Gin. Zwölf Jahre vor seinem Krebstod im Jahr 1989 schaffte der Komiker den Entzug, der ihn mit schweren Halluzinationen und heftigen Krämpfen malträtierte.
„Für gewöhnlich setzte es etwa eine halbe Stunde nach dem morgendlichen Aufstehen, wenn es mir nicht gelungen war, mindestens fünf Einheiten Gin zu kippen, einen Hustenanfall, der von trockenem Würgen, nochmal Husten, kaltem Schweiß und unkontrollierbarem Zittern begleitet war.“ So beschreibt Graham Chapman in seinen Lebenserinnerungen „Autobiografie eines Lügners“ gleich im Kapitel Null seinen Alltag mit dem Alkohol. Doch diesmal – es war der 26. Dezember 1977 um elf Uhr am Vormittag - war es anders, der Monty-Python-Komiker erzählt von seinem Entzug, zu dem er sich nach jahrelangem Alkoholmissbrauch entschlossen hatte. Es sind Szenen, die einem Psychothriller gleichen. „Der Schlafzimmerpfosten schlug nach mir, als ich an ihm vorüberging: eine milde Halluzination. Ich rang um genug Gleichgewicht für meinen Gang treppab.“ Doch die Halluzinationen ließen nicht nach, Eckpfosten griffen nach ihm, bedrohliche Schatten brachten ihn fast um den Verstand. Also zurück ins Bett.
„Vierundvierzig Stunden fiebriger Paranoia, sowie akustischer und taktiler Halluzinationen folgten in diesem unruhigen Bett.“ Chapman, der die Folgen seines Entzuges tapfer über sich ergehen ließ, glaubte schon, alles überstanden zu haben. Freunde kamen zu Besuch, Chapman schenkte ihnen Drinks ein, trank selbst aber Wasser und entschuldigte sich für seine leicht zittrigen Finger.
Da fiel eine Weihnachtskarte, über die er sich sehr gefreut hatte, um. Der Schauspieler wollte sie aufheben – und ging mitsamt einigen Gläsern und einem Freund, der ihn auffangen wollte, zu Boden. „Als ich aufwachte, blitzten blaue Lichter“, erinnerte sich Chapman später, „draußen war ein Krankenwagen. Was wollen die hier?“ Kurze Zeit später war er im Krankenhaus. „Ich wusste, dass ich meinen heldenhaften Kampf mit den Brennereien dieser Welt verloren hatte. Vielleicht waren zwei Flaschen Gin am Tag doch etwas zu heftig gewesen.“
Vom Medizinstudenten zum Komiker
Graham Chapman kam am 8. Jänner 1941 im englischen Leicester zur Welt und begann sein Medizinstudium in Cambridge, das er später in London fortsetzte. In Cambridge freundete er sich mit einem Jurastudenten an: John Cleese, einer seiner späteren Partner der Komikertruppe Monty Python. Beide traten in einem Amateur-Theater auf und schrieben ab 1960 Sketche für den staatlichen TV-Sender BBC. 1969 gründete Chapman gemeinsam mit Cleese, Eric Idle, Terry Jones, Michael Palin und Terry Gilliam die Komikertruppe, die weltweit bekannt wurde. Ihre Fernsehsendungen mit dem Namen „Monty Pythons Flying Circus“ wurden weltweit ausgestrahlt, ihre Kinofilme „Die Ritter der Kokosnuss“, „Das Leben des Brian“ (Chapman spielte darin die Titelrolle), „Monty Pythons wunderbare Welt der Schwerkraft“ sowie „Der Sinn des Lebens“ wurden zu Kassenschlagern.
„Er schien sich ständig treiben zu lassen…“
Dass Graham, der sich 1970 öffentlich als Homosexueller outete, Probleme hatte, wussten seine Kollegen, aber dass er Alkoholiker war, konnte er lange vor ihnen verbergen. „Graham war eine sehr frustrierende Person. Ich kam nie dahinter, wer er wirklich war. Er schien sich einfach treiben zu lassen und nuckelte ständig an seiner Pfeife“, urteilte John Cleese in einer TV-Dokumentation über Monty Python über seinen Freund. Und weiter: „Es waren die einfachen Dinge, die ihm Probleme bereiteten. Er war nicht leistungsfähig, und das meine ich nicht im preußischen Sinn. Er war einfach nicht funktionsfähig.“ Auch Truppenmitglied Terry Jones hatte mit seinem Kumpel Probleme: „Graham war ein Mysterium. Die wenigen Male, die wir zusammen zu Mittag aßen, hatten wir uns nicht viel zu sagen.“
Gin-Tonic schon am Vormittag
Zu diesem Zeitpunkt war Graham Chapman längst dem Alkohol verfallen. Eric Idle stellte in der TV-Doku fest, dass sie viel zu lange nichts von seiner Sucht bemerkt hatten. „Dass Graham ein Alkoholproblem hatte merkten wir erst, als er bellend auf dem Boden lag und Mädchen unter dem Rock griff.“ Der Autor Barry Cryer steckte oft mit Chapman zusammen. Auch er nahm in der Fernsehdoku über die Spaßtruppe Stellung zu seinem Freund: „Graham wurde nicht unangenehm, wenn er betrunken war, sondern eher lustig. Er neigte dazu, seine Hosen runter zu lassen und obszöne Lieder zu singen.“ Cryer schrieb auch viel mit Chapman zusammen, eine Arbeit, die für den Autor keine Honigschlecken war. „Wenn wir uns morgens um halb zehn trafen, kippte er sich schon Gin-Tonic in sein Getränk“, erzählte er, „und für eineinhalb Stunden lief Graham auf Hochtouren und sprudelte über vor Energie. Doch um 12 Uhr Mittags sagte er ,Komm, nur noch einen Drink' – und der Tag war gelaufen. Wir verbrachten einen sehr angenehmen Nachmittag, aber die Arbeit konnte man vergessen.“
John Cleese konnte Ähnliches berichten: „Er wusste nachmittags nicht mehr, was wir morgens geschrieben hatten. Es war sehr schlimm.“
„Es war fast eine tödliche Dosis“
1977 wagte Chapman endlich seinen Entzug, und zwar mit Erfolg. Das Krankenhaus, in dem er nach seinem Zusammenbruch eingeliefert wurde, stellte ihn wieder her. In einem Fernsehinterview drei Jahre später bekannte sich der Komödiant zu seiner früheren Alkoholsucht: „Ja, ich trank in der Tat eine ganze Menge. Es waren ungefähr zwei Liter Gin am Tag, was fast eine tödliche Dosis war.“ Den Grund dafür suchte Chapman bei sich selbst, gab niemand anderem die Schuld für sein exzessives Trinken: „Tief in meinem Inneren war ich wohl ziemlich verunsichert. Ich hatte nicht das Gefühl, diesen Erfolg verdient zu haben. Wahrscheinlich war das der Grund.“
1983 löste sich Monty Python auf, die Mitglieder wollten ihre eigene Karriere vorantreiben. Mit ein Grund für die Auflösung war auch der schlechte Gesundheitszustand ihres Kumpels Chapman, dessen Körper sich nach der jahrelangen Schädigung durch Alkohol und Nikotin nicht mehr erholen konnte.
Trauerfeier als skurriles Spektakel
1988 entdeckten die Ärzte einen bösartigen Tumor an den Mandeln, bald bildeten sich auch Geschwüre im Rachen und an der Wirbelsäule, was ihn in den Rollstuhl zwang. Am 4. Oktober 1989 – nur einen Tag vor dem 20. Jubiläum von Monty Python – starb Graham Chapman an den Folgen seiner Krankheit. Im darauffolgenden Dezember versammelten sich die fünf Python-Mitglieder bei einer Trauerfeier für ihren Freund, was, ganz im Sinne ihrer Fans, zu einem skurrilen Spektakel ausartete. John Cleese, der die vielbeachtete Trauerrede hielt, wandelte Passagen des berühmten Papageien-Sketches, dessen Mitautor Graham Chapman war, ab, indem er u. a. sagte: „Er ist nicht mehr, des Lebens beraubt, ruht in Frieden, gab den Löffel ab, ging über den Jordan, biss ins Gras, nahm den letzten Atemzug, ging, um den Hauptabteilungsleiter für leichte Unterhaltung im Himmel zu treffen.“ Cleese schloss seine Rede mit den Worten: „Er ist weg. Er ist ein Ex-Chapman. Alles, was wir von ihm haben, ist jetzt unsere Erinnerungen. Aber es wird einige Zeit dauern, bis sie verblassen.“
Makabre Scherze mit der Urne
1998 kamen die fünf Überlebenden nochmals für einen Sketch in Aspen, Colorado, USA, zusammen. Und es wäre nicht Monty-Python, hätten John Cleese, Eric Idle, Terry Gilliam, Michael Palin und Terry Jones Schockierendes im Gepäck: Sie verstreuten die Asche Chapmans Urne auf dem Boden, kehrten sie unter einen Teppich und saugten sie schließlich auf. Was viele Zuschauer schockte, dürfte Graham Chapman, hätte er diese Szene gesehen, wohl zum Lachen gereizt haben. War er doch ein genialer Erfinder von so manch makaberen Scherzen.
Die am 29. Juli 2014 letzte Show der Komikertruppe wurde weltweit ausgestrahlt und stand unter dem Motto „One Down Five to Go“ („Einer ist schon unten, die anderen fünf sind auf dem Weg dorthin“). Was wohl als eine Hommage an ihr verstorbenes Mitglied Graham Chapman verstanden werden kann.
Foto: Columbia Tristar (1)