Erschreckende Studienergebnisse:
Alkohol – die tödliche Gefahr
von Harald Frohnwieser
Heroin, Crack oder Ecstasy zählen zweifelsohne zu den tödlichsten Rauschgiften, die derzeit im Umlauf sind. Doch laut einer im britischen Fachmagazin The Lancet publizierten Studie führt Alkohol die Liste der schädlichsten Suchtstoffe an. Und eine brandneue Studie weist nach, dass Alkoholiker 20 Jahre früher sterben als der Durchschnitt.
Sauflieder wie „Heute blau, und morgen blau und übermorgen wieder…“ gaukeln uns eine heile Welt vor, die ohne dem Stoff, aus dem die Träume sind, trist und sinnentleert wäre. Eine Idylle, die freilich nicht stimmt. Und nie gestimmt hat. Im Gegenteil: Wer regelmäßig zu tief ins Glas schaut, begibt sich auf eine gefährliche Gratwanderung. Denn, wie Forscher jetzt herausgefunden haben, wirkt Alkohol auf den ersten Blick zwar nicht tödlicher als Heroin, Crack oder Ecstasy, doch wenn man die sozialen Auswirkungen mit einbezieht, wird chronisches Saufen zu einer höchst gefährlichen Sache. Alkohol, so die Experten, sei deshalb so gefährlich, weil er weltweit verbreitet ist und sich nicht nur auf die Konsumenten selbst, sondern auch auf deren Umfeld verheerend auswirkt.
Dazu kommt, dass Alkohol bei Gesetzesübertretungen viel öfter eine Rolle spielt, als bei Drogen, Heroin mit eingeschlossen. „Man bedenke nur, was alkoholbedingt bei vielen Fußballspielen so abgeht“, kommentierte der Professor für Psychiatrie und Sucht von der Amsterdamer Universität, Wim van den Brink, die Studie seiner britischen Kollegen und spielt damit auf Randale in oder vor den Stadien an, die auch schon Todesopfer forderten.
Aufklärung und höhere Preise
Angesprochen wird in der Studie auch, dass der Besitz von Marihuana in Großbritannien seit 2011 härter bestraft wird als in den Jahren zuvor, der Konsum von Alkohol hingegen allgemein anerkannt wird. Das trifft freilich nicht nur auf Großbritannien zu, das wird in fast allen westlichen Ländern so gehandhabt. Dazu Wim van den Brink: „Was Regierungen für illegal erklären stützt sich nicht immer auf die Wissenschaft.“ Mit ein Grund dafür dürften die Steuereinnahmen aus dem Geschäft mit dem Alkohol sein.
Erstaunlich ist, dass Forscher verbotene Drogen wie Marihuana oder LSD als weniger zerstörerisch einschätzen als den Alkohol. Dazu Wim van den Brink: „Legale Drogen verursachen mindestens genauso viel Schaden wie illegale.“ Doch vom Alkoholgenuss abraten will man dennoch nicht, eine Prohibition, wie einst in den USA, führe zu nichts. „Alkohol ist in unserer Kultur verwurzelt, er kann nicht einfach entfernt werden“, meint Leslie King, einer der Studie-Autoren. King plädiert dafür, die Vieltrinker ins Visier zu nehmen und all jenen, die hin und wieder mal ein Glas Bier oder Wein genussvoll trinken, ihren Spaß zu lassen. Der Wissenschaftler ist auch der Ansicht, dass Regierungen auf mehr Aufklärung setzen und gleichzeitig die Preise für Alkohol anheben sollen.
Alkoholiker sterben 20 Jahre früher
Eine durchaus verständliche Meinung, wenn man sich eine neue Studie, die im Raum Lübeck in Deutschland durchgeführt wurde, genauer ansieht. Experten erhoben die Gesundheitsdaten von 4070 Personen, davon waren 149 Menschen – sie wurden 14 Jahre lang von den Forschern beobachtet - Alkoholiker. Untersucht wurde von den deutschen Wissenschaftlern auch die Auswirkung des Alkohols auf die Lebenserfahrung. Wobei die Forscher zu einer aufsehenerregenden Erkenntnis kamen: Alkoholiker haben eine um 20 Jahre geringere Lebenserwartung als Menschen, die nie vom Alkohol abhängig waren. Während Frauen im Schnitt 82 und Männer 77 Jahre alt werden, sterben im trinkende Frauen mit 60, trinkende Männer bereits mit 58 Jahren. Wobei die Sterberate von Alkoholikerinnen verglichen mit nicht trinkenden Frauen um das 4,6-fache höher ist. Bei den Männern, die sich regelmäßig betrinken, liegt die Zahl etwa zwei Mal so hoch, „Frauen scheinen schneller und stärker als Männer mit Erkrankungen auf den Alkoholkonsum zu reagieren“, so einer der Forscher. Eine US-Studie, die im Jänner 2013 veröffentlicht wird, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis.
Hohe Dunkelziffer
Akute Todesfälle aufgrund einer Alkoholvergiftung sind freilich selten, da sich der Organismus bei einer Überdosierung meist durch Erbrechen schützt. Der Promillebereich bei den akuten Todesfällen durch Alkohol liegt zwischen 1,8 und 6,7.
Wie viele Österreicher pro Jahr an einer akuten Alkoholvergiftung sterben, lässt sich nicht genau festlegen. Laut einer gerichtsmedizinischen Erhebung, die in den Jahren 1984 bis 1997 durchgeführt wurde, waren das 100 Menschen pro Jahr. Eine Zahl, die freilich mit Vorsicht zu genießen ist. Denn Verstorbene, die zum Obduktionszeitpunkt weniger als 3,5 Promille Alkohol im Blut hatten, wurden dabei nicht berücksichtigt. In der Schweiz hingegen sieht man genauer hin. Das Ergebnis: 3,4 Prozent aller Todesfälle sind in unserem Nachbarstaat alkoholbedingt. Überträgt man diesen Prozentsatz auf Österreich, so ergibt das 2550 Todesfälle, die aufgrund des Alkohols eintraten. Die Dunkelziffer dürfte aber noch höher sein. Ungeachtet dessen werden wohl weiterhin Lieder, die vom übermäßigen Wein- oder Bierkonsum handeln, nach Herzenslust gegrölt. Wobei ein beliebtes Wienerlied nicht selten zur traurigen Realität wird: „Es wird a Wein sein, und wir wer'n nimmer sein…“
Foto & Grafik: Thomas Frohnwieser (2)