Großes Alk-Info-Interview mit der deutschen Krankenkassen-Zentrale
„Beim Alkohol-Konsum ist die BRD im Spitzenfeld“

Die Krankenkassen-Zentrale in Deutschland informiert online über Gesundheit, Prävention, Ernährung und Versicherung. Selbstverständlich ist auch Alkoholmissbrauch ein Thema, das von mehreren Seiten beleuchtet wird. Ein großes Anliegen der digitalen Gesundheitsplattform ist, die Gefahren und die Auswirkungen des regelmäßigen Alkoholkonsums aufzuzeigen. Im großen „Alk-Info“-Interview geben die beiden Redakteurinnen Kirsten Tribe und Claudia Miersch von der Krankenkassen-Zentrale u. a. Auskunft darüber, dass Deutschland beim Alkoholkonsum weltweit an der traurigen 5. Stelle liegt, wie wichtig daher Prävention und Jugendarbeit ist, über das Therapieangebot in Deutschland und über die finanziellen Auswirkungen des Alkoholmissbrauchs.

„Alk-Info“: Was genau ist der Aufgabenbereich der Krankenkassen-Zentrale?
Kirsten Tribe & Claudia Miersch: Die Krankenkassen-Zentrale ist eine digitale Gesundheitsplattform mit den thematischen Schwerpunkten Gesundheit, Prävention, Ernährung sowie Versicherung. Die Redaktion der Krankenkassen-Zentrale beleuchtet vielfältige Aspekte der Gesundheitsbranche, zeigt aktuelle Ernährungstrends auf und thematisiert, im Rahmen von ausführlichen Specials, Elemente einer gesunden Lebensweise. Die Plattform bietet Ratgeber, Podcasts, Optionen für Versicherungsvergleiche, Tests und damit verbundene Services. Mit Videos, Listen und mehr stellt sie auch interaktive Elemente für Interessierte zur Verfügung. Mit ihrer hohen Reichweite möchte Kirsten Tribedie Krankenkassen-Zentrale einen Beitrag dazu leisten, die Eigenverantwortung und Gesundheitskompetenz der Menschen zu unterstützen.

Wie viele Mitarbeiter hat Ihr Unternehmen?
Die Krankenkassen-Zentrale beschäftigt knapp 50 Mitarbeiter.

Sie informieren auf Ihrer Webseite neben anderen Gesundheitsbereichen auch über Alkoholmissbrauch. Hat das einen besonderen Grund?
Als Gesundheitsplattform sehen wir eine wesentliche Aufgabe darin, für unsere Leser* vielschichtig zu berichten und dabei möglichst mehrere Blickwinkel zu beleuchten. Gesundheit fängt ja nicht erst da an, wo Krankheit aufhört. Vielmehr gilt es, die Entstehung von Krankheiten und Abhängigkeiten durch Prävention zu verhindern. Dazu gehört auch, über die Gefahren von Alkoholmissbrauch und Alkoholsucht sowie die damit verbundenen gesundheitlichen Folgen aufzuklären. Hilfreich sein kann dabei aus unserer Sicht die Wissensvermittlung – sie ist ein wesentlicher Bestandteil von Präventionsarbeit.

Glauben Sie, dass in Deutschland zu viel Alkohol getrunken wird?
Die Frage lässt sich eindeutig mit Ja beantworten. Leider stehen wir in Deutschland seit vielen Jahren beim weltweiten Alkoholkonsum mit an der unrühmlichen Spitze, aktuell auf Platz 5 nach Ländern wie z.B. Moldawien oder Nigeria. Während der weltweite Durchschnittsverbrauch (ab einem Alter von 15 Jahren) bei etwa 6,5 Litern reinem Alkohol liegt, werden in Deutschland pro Jahr sogar noch 4 Liter Reinalkohol mehr, also ganze 10,5 Liter, konsumiert. Auch wenn der Verbrauch tendenziell minimal abnimmt (2016: 10,6 l; 2015: 10,7 l), ist er dennoch eindeutig viel zu hoch.

Soll, was Alkoholmissbrauch betrifft, mehr in die Prävention investiert werden?
Ja unbedingt, da reicht im Prinzip ein Blick auf die nackten Zahlen: Im aktuellen Jahrbuch 2020 des DHS e.V. (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen) heißt es, dass schädlicher Alkoholkonsum in Deutschland insgesamt einen wirtschaftlichen Schaden von circa 57 Milliarden Euro anrichtet. Demgegenüber stehen jährliche Gesundheitsausgaben von rund 390 Milliarden Euro (2018). Für die Prävention in den Lebenswelten und Gesundheitsförderung wurden, laut GKV-Spitzenverband, hingegen 544 Millionen Euro ausgegeben. Das klingt zunächst recht viel, am Ende bedeutet das für gesetzlich Versicherte aber weniger als 7,50 Euro für alle Präventionsangebote zusammen.
Der Ansatz, hauptsächlich das Gesundheitswesen in Präventionsaufgaben einzubeziehen, erscheint wenig sinnvoll. In anderen Ländern haben sich Fachleuten zufolge Maßnahmen der Verhältnisprävention bereits als wirkungsvoll erwiesen: Für eine erfolgreiche Strategie gegen Alkoholmissbrauch sollten daher unter anderem der Zugang Gegenüberstellung der Kosten durch Alkoholmissbrauchs und Kosten der Präventionsmaßnahmenzu Alkohol eingeschränkt und, ähnlich wie bei Tabak, die Werbung für alkoholische Getränke verboten werden. Bleibt alles wie beim alten, ist eine deutliche Verbesserung der Lage kaum zu erwarten. Experten empfehlen zudem die Erhöhung der Alkoholsteuer, das sei vom Aufwand recht günstig sowie schnell und einfach umzusetzen. Die WHO stellt Europa aber leider allgemein ein schlechtes Zeugnis aus beim Stand zur Verbesserung der Verhältnisprävention, für Deutschland wird die Situation allerdings ganz besonders schlecht eingeschätzt.

Wie könnte man speziell Jugendliche besser erreichen und sie über die Gefahren von Alkoholmissbrauch informieren oder zu warnen?
Je früher Jugendliche mit Alkoholmissbrauch anfangen, desto schlimmere Auswirkungen kann es auf ihre Entwicklung haben. Daher ist es ist wichtig, soziale Angebote und Kampagnen präventiv in den Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen anzusiedeln und zu fördern: in den Schulen, Jugendzentren, Sportvereinen oder über Streetworker. Sinnvoll bei älteren Jugendlichen oder jungen Erwachsenen können auch Aktionen sein, die direkt in den Clubs, Diskotheken, Konzerten oder Festivals von der gleichen Zielgruppe, also den sogenannten Peers, mitgetragen und durchgeführt werden. Entscheidend ist, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger zu agieren, sondern den jungen Menschen möglichst auf Augenhöhe zu begegnen. Als Elternteil ist letztlich jeder selbst gefragt und sollte daher durchaus auch den eigenen Alkoholkonsum kritisch betrachten und prüfen, ob die Vorbildrolle gegeben ist. Denn die eigenen Kinder und Jugendlichen kopieren das elterliche Verhalten und orientieren sich zuerst an ihnen. Mütter und Väter sollten regelmäßig Gespräche mit ihren Kindern führen und dabei auch die Trinkgewohnheiten der Jugendlichen beleuchten.
Wichtig ist vor allem, über die kurz- und langfristigen Wirkungen und Risiken von Alkohol aufzuklären, aber immer auf Augenhöhe. In den meisten Fällen fangen Jugendliche durch Gruppenzwang an zu trinken. Deshalb ist es außerdem wichtig, auf den Freundeskreis des Kindes zu achten, um negative Einflüsse möglichst zu vermeiden.

Ist das Therapieangebot für Alkoholabhängige in Deutschland ausreichend?
Es wäre schön, wenn die Antwort ganz einfach ja lauten könnte, aber so einfach ist es eben nicht. Die Angebote zur Therapie reichen offensichtlich nicht aus. Das zeigt sich u.a. an den Zahlen der Deutschen Suchthilfestatistik (DSHS) vom Herbst 2019 für das Jahr 2018: 891 ambulante* und 137 stationäre* Einrichtungen haben Sucht-Behandlungen durchgeführt. Die Hauptdiagnose betraf dabei Störungen mit Alkohol, also etwa 31.000 oder knapp 65% aller Patienten. In stationären Einrichtungen wurden demnach nur ein Bruchteil der Menschen behandelt, denn im selben Zeitraum gab es 1,6 Millionen Alkoholabhängige und dazu nochmal 1,4 Millionen Menschen mit missbräuchlichem Trinkverhalten (laut Jahrbuch Sucht DHS e.V. 2020). Es ist also reichlich Luft nach oben. Hinzu kommt, dass es ja mittlerweile nicht mehr nur die eine anerkannte Therapie gibt, die im Ergebnis auf eine absolute Abstinenz hinausläuft. In den vergangenen Jahren haben Programme von sich reden gemacht, die Alkoholikern weiter das Trinken ermöglichen – in Maßen, mit Selbstverantwortung und nach persönlichen Zielen. Auch wenn die Meinungen dazu weit auseinandergehen, zeigen die Erfahrungen von Betroffenen, Angehörigen und Therapeuten, dass für so manchen dieser Weg leichter zu bestreiten ist. Bislang ist eine begleitende Therapie dieser Art in Deutschland, der Schweiz und Österreich grundsätzlich möglich, aber noch nicht in allen Regionen der Länder gleichermaßen verfügbar.
*So viele Einrichtungen haben ihre Zahlen zurückgemeldet

Nicht jeder Alkoholkranke ist dazu bereit, sich für acht bis zehn Wochen in eine Therapieeinrichtung zu begeben. Sollen daher nicht klassische Therapieangebote wie etwa Selbsthilfegruppen (Anonyme Alkoholiker, Guttempler, Blaues Kreuz etc.) mehr unterstützt werden?
Es kommt sicher immer auf den Einzelfall und die persönlichen Umstände an, aber es gibt viele gute Gründe, die für einen stationären Aufenthalt sprechen. Eine stationäre Therapie bietet unter anderem die Möglichkeit, aus einem Umfeld herauszukommen, wo Angehörige einfach hilflos sind und nicht weiter wissen oder von dem eher wenig Unterstützung zu erwarten ist. Außerdem kann sofort ein Arzt zur Stelle sein, wenn gravierende Entzugserscheinungen zu erwarten sind und z.B. mit Krampfanfällen oder Autorin Dr. Claudia Miersch, Krankenkassen-Zentrale.de Schwerpunkt ErnährungswissenschaftenDelirien gerechnet werden muss. Auch bei Mehrfachabhängigkeiten und psychischen Auffälligkeiten oder Störungen ist ein stationärer Aufenthalt dringend angeraten.
Die Selbsthilfegruppen und -projekte rücken dafür bei anderen Fragen in den Fokus: Der Erfahrungsaustausch unter Gleichgesinnten bzw. Leidensgenossen kann Alkoholsüchtigen im Alltag enorm helfen, denn sie lernen voneinander und stärken sich gegenseitig. Betroffene wissen, dass immer jemand für sie da ist, denn häufig besetzen diese Vereine und Gruppen auch Not-Telefone oder bieten Chats über das Internet an. Außerdem stehen die Angebote meist nicht nur den alkoholkranken Menschen selbst zur Verfügung, sondern auch Angehörigen. Sie können ebenfalls beraten und unterstützt werden. Insbesondere unter dem Blickwinkel der kommunalen Alkoholsuchtprävention sind Gruppen vor Ort gefragt und könnten vielfach noch stärker in die kommunale Präventionsarbeit eingebunden werden.
Die Bedeutung der Kommunen erkennt offenbar auch die Private Krankenversicherung, die gemeinsam mit der BZgA die Kampagne KENN DEIN LIMIT ins Leben gerufen hatte. So wurde vom PKV Verband angekündigt, dass es ab Mitte 2020 für Kommunen ein digitales Angebot speziell zur Alkoholprävention geben wird, das die Netzwerkarbeit fördern und erleichtern soll. Es steht bundesweit zur Verfügung. Ziel ist es, die Experten vor Ort noch besser zu vernetzen, um die Ressourcen und und Kompetenzen zu bündeln: Neben städtischen Abteilungen wie Jugend- und Ordnungsamt ist angedacht, auch Ärzte, Therapeuten, Betriebe, Vereine sowie Angebote von Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen einzubeziehen.

Übernehmen alle Versicherungen in Deutschland die Kosten für eine Therapie?
Alkoholismus gilt weltweit als anerkannte Krankheit. Daher werden in der Regel Entgiftung bzw. Entzug für gesetzliche Versicherte von den Krankenkassen übernommen, sowohl bei einer Akutbehandlung im Krankenhaus, als auch dem stationären Aufenthalt beim Entzug und den notwendigen Medikamenten. Teilweise werden die Träger der Sozialhilfe zuständig, beispielsweise wenn trotz der gesetzlich vorgeschriebenen Krankenversicherungspflicht keine Krankenversicherung vorliegt. Bei den meisten der Privaten Krankenversicherungen hingegen ist, nach unserem Kenntnisstand, diese Leistung in vielen Fällen kein Bestandteil des Tarifvertrages und wird daher nur in Kulanzfällen übernommen. Alternativ ist eine Eigenfinanzierung als Selbstzahler für Privatkliniken möglich, allerdings kann ein stationärer Aufenthalt schnell mehrere Zehntausend Euro kosten. Die Entwöhnungsbehandlung fällt dagegen in die Zuständigkeit der Rentenversicherung als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Sie muss im Vorfeld beantragt werden, denn es gibt einige Bedingungen und Voraussetzungen. Dieser Teil der Alkoholtherapie wird eher ambulant, zum Teil aber auch (teil-) stationär durchgeführt. Wird der Antrag abgelehnt und die Kosten nicht übernommen, weil z.B. die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, müssen normalerweise die Krankenkassen oder Sozialhilfeträger die Kosten übernehmen.

Eine Alkoholtherapie wirkt nicht immer beim ersten Mal. Wie oft übernimmt eine Versicherung die Kosten für eine Therapie? Gibt es Grenzen?
Die Antwort darauf ist gar nicht so einfach. Geht es um eine Entgiftung, gibt es im Grunde keinerlei Einschränkungen. Da eine Entgiftung allein aber nicht als erfolgversprechende Therapie gilt, zählt zur Alkoholtherapie die anschließende Entwöhnungstherapie. Und da wird es aufgrund der Zuständigkeiten und Bedingungen etwas komplizierter. Wie schon in der vorherigen Frage thematisiert, wird die Entwöhnung eingestuft als Teil der Rehabilitation, die in speziellen Einrichtungen stattfindet und häufig über mehrere Wochen oder sogar Monate andauern kann, ambulant oder teilweise stationär. Dies ist gesetzlich geregelt und fällt in den Aufgabenbereich der Rentenversicherungsträger. Da heißt es, dass alle 4 Jahre eine Rehabilitation beantragt werden kann. Die kann aber auch, wie bereits erwähnt, abgelehnt werden. Gründe dafür sind u.a., dass die Wartezeit der 4-Jahresfrist oder weitere relevante Bedingungen nicht erfüllt sind oder weil nicht mit einer zufriedenstellenden Teilnahme gerechnet wird.
Es gibt auch noch ein paar weitere Gründe, die zur Ablehnung führen können. Wenn die Therapie vor dem Ablauf der vierjährigen Frist erneut aus medizinischer Sicht nötig wird, um die Gesundheit wiederherzustellen, kann die Genehmigung dennoch erteilt werden. Haben jedoch die Krankenkasse oder ein anderer Träger zu entscheiden, muss durch Ärzte oder Gutachter nachgewiesen werden, dass eine dringende medizinische Notwendigkeit besteht. Je nach Art der mit der Entwöhnung einhergehenden Psychotherapie werden durch die Krankenkassen regulär 60 bis 160 Stunden genehmigt, es können aber auch durch Verlängerungsanträge bis zu 300 Stunden bewilligt werden. Grundsätzlich ausgenommen von Reha-Maßnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung sind all jene, die bereits das Rentenalter erreicht haben oder vorzeitig aus dem Berufsleben ausgeschieden sind und Anspruch auf entsprechende Ersatzleistungen haben, bis sie die Altersrente erreichen. Das trifft auch auf Beamte zu, die versicherungsfrei in der gesetzlichen Rentenversicherung geworden sind sowie Menschen, die sich in Haft befinden oder im Ausland aufhalten.

Alkohol gehört in unseren Breiten einfach dazu, wer jedoch davon abhängig wird, wird oft stigmatisiert. Wie kann man Alkoholmissbrauch enttabuisieren?
Wie bei fast allen Themen, die mit Tabus belegt sind heißt es, offen darüber zu reden, sich zu informieren und vor allem hinzuschauen. Dadurch, dass Alkoholstörungen bei uns so verbreitet sind, gibt es ja viele direkt und indirekt Betroffene, die darunter leiden: Das sind zum einen natürlich die alkoholkranken Menschen selbst, aber eben auch die Partner, Kinder, Freunde oder Kollegen. Alkohol ist ja immer und überall verfügbar, es ist schwer, sich dem im Alltag zu entziehen. Menschen mit Suchttendenzen fällt das besonders schwer. Sie gestehen sich ihre Abhängigkeit lange selbst nicht ein, können aber andere im schlimmsten Fall in Gefahr bringen. Daher ist es unser aller Verantwortung, einen problematischen Konsum zu erkennen, anzusprechen und ihn nicht einfach zu ignorieren. Alkoholismus ist ja ein anerkanntes Krankheitsbild und damit nichts, wofür man sich schämen müsste. Wir müssen auch davon wegkommen, zu sagen, dass Alkohol ‘einfach dazugehört’. Er ist schließlich die weit verbreitetste Droge, aber mit einer unglaublich hohen Akzeptanz in der Bevölkerung verbunden. Es ist schon kurios: Die Droge Alkohol ist anerkannt, kostet uns jedes Jahr zehntausende Tote und verursacht wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe.
Auf der anderen Seite werden endlose Debatten darüber geführt, dass Cannabis keinesfalls legalisiert werden darf, obwohl sogar Studien einen medizinischen Nutzen belegen, im Vergleich zu Alkohol. So soll das rauschfreie Cannabinoid CBD bei Suchterkrankungen in Studien den Effekt nachgewiesen haben, die Neurodegeneration (den Untergang von Nervenzellen, ausgelöst durch Alkohol) zu senken. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Umdenken gefordert, was die Präsenz und den Umgang mit Alkohol betrifft: Er ist einfach schädlich und birgt ein enorm hohes Risiko für gesundheitliche Folgeschäden. Da ist auch ganz klar die Politik gefragt, endlich für adäquate Maßnahmen in der Verhältnisprävention zu sorgen und diese umzusetzen.

Gibt es seitens der Versicherungen Zahlen darüber, was den Steuerzahler in Deutschland Alkoholmissbrauch jährlich kostet (Unfälle, Frührenten wegen Alkoholismus, Rentenzahlungen an Hinterbliebene von Menschen, die durch Alkoholmissbrauch zu früh verstarben etc.)?
Es gibt natürlich jede Menge Statistiken, die einen Zusammenhang mit Alkohol herstellen, aber nicht alle können hier aufgezählt werden. Daher haben wir uns auf die folgende Auswahl beschränkt: Wie schon an anderer Stelle erwähnt, hat der Gesundheitsökonom Dr. Tobias Effertz ermittelt, dass der hohe Alkoholverbrauch in Deutschland einen enorm hohen nachteiligen Einfluss auf die Wirtschaft hat und Schäden von mehr als 57 Milliarden Euro pro Jahr verursacht. Darin schlagen u.a. 13.400 Unfälle mit Personenschäden unter Einfluss von Alkohol zu Buche, in 30 Prozent davon waren Fahrradfahrer verwickelt. Bei mindestens 14.000 Menschen, die 2019 verstarben, war die Todesursache direkt auf psychische oder Verhaltensstörungen durch Alkohol bzw. alkoholbedingte Krankheiten zurückzuführen. Auch die Arbeitswelt ist betroffen, z.B. durch Produktivitätsverluste. So hat der DAK Gesundheitsreport 2019 zum Beispiel zutage gefördert, dass alkoholabhängige Erwerbstätige etwa zweimal so häufig krankgeschrieben sind, wie ihre Kollegen.
Alarmierend ist, dass bei 74 Prozent aller direkten Krankmeldungen mit Suchtproblemen Alkohol die Ursache ist. Die Deutsche Rentenversicherung belegt, dass die Zahl der Frühverrentungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in den letzten Jahren stark angestiegen ist und sich seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt hat. Meist stehen die vorzeitigen Verrentungen in Verbindung mit psychischen Störungen, die häufig auf Alkoholabhängigkeit zurückzuführen sind. All diese Zahlen und Fakten zeigen, wie sehr unsere gesamte Volkswirtschaft leidet und dass hier unbedingt mehr getan werden muss, um die Folgeschäden und -kosten für uns alle zu minimieren. Hier ist an erster Stelle die Politik gefragt, tatsächlich wirksame Maßnahmen zu ergreifen und nicht nur Willensbekundungen zu veröffentlichen. Schließlich sind die ursächlichen Risikofaktoren für Alkoholmissbrauch und riskanten Alkoholkonsum größtenteils vermeidbar und damit ein realistisches Szenario.

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