Öffentliches Trinken am Wiener Praterstern ist nun verboten
Erstes Alkoholverbot ab sofort in Wien
von Harald Frohnwieser
Jahrelang hat sich die rot-grüne Regierung in der österreichischen Bundeshauptstadt dagegen gewehrt. Hat abgeschwächt, die Probleme heruntergespielt. Und immer wieder argumentiert, dass ein Alkoholverbot nichts bringen würde. Doch die Probleme, die Obdachlose und Kampftrinker am Wiener Bahnhof Praterstern seit Jahren verursachten, wurden so wie der Unmut der Anrainer und der vielen Menschen, die den Bahnhof täglich frequentieren, immer größer. Jetzt wagt die rote Bürgermeisterpartei einen Alleingang und hat gegen die Zustimmung des grünen Koalitionspartners nun doch ein Alkoholverbot beschlossen, das Ende April 2018 in Kraft tritt. Gefordert hat dies die Oppositionspartei FPÖ freilich schon seit vielen Jahren.
„Super, besser spät als nie“, kommentiert mit knappen Worten Wolfgang Seidl von der FPÖ den Beschluss gegenüber „Alk-Info“. Der Parteichef von Wien-Leopoldstadt, wo sich der Praterstern befindet, konnte schon vor einigen Jahren nicht verstehen, warum sich die Wiener Stadtregierung so vehement gegen ein Alkoholverbot sträubt. „Graz schafft es, Innsbruck schafft es, Dornbirn schafft es und Eisenstadt auch. Und wenn es in diesen Städten möglich ist, dann kann das doch für Wien auch kein Problem sein“, sagte er bereits 2016 zum „Alk-Info“-Reporter. Und weiter: „Wir wissen doch alle, was sich hier Tag für Tag abspielt.“
Abgespielt hat sich an diesem Verkehrsknotenpunkt, der täglich von mehr als 150.000 Menschen frequentiert wird und auch das Eingangstor zum berühmten Wiener Prater mit seinem Vergnügungspark und dem Riesenrad ist, genug: Immer wieder sorgten betrunkene und mitunter randalierende Obdachlose für Polizeieinsätze. Aus diesem Grund trat schon vor Jahren der Initiator der Petition „Alkoholverbot am Praterstern“, Thomas Preissl, für ein öffentliches Trinkverbot an dem berüchtigten Hotspot ein. Preissl damals zu „Alk-Info“: „Hier gibt es täglich Schlägereien und Körperverletzungen. Vor allem Frauen beschweren sich, weil es hier oft zu Belästigungen kommt und Mütter sorgen sich um ihre Kinder.“ Preissl nannte damals auch Zahlen. So gab es allein im Jahr 2013 seitens der Polizei 44.074 Amtshandlungen, 6299 Verwaltungsübertretungen und 2106 Anzeigen.
Alkoholverbot auch in der näheren Umgebung
Lange hat es also gedauert, dass die Bürgermeisterpartei darauf reagiert hat, aber nun hat der neue Wiener Parteichef der regierenden SPÖ, Michael Ludwig, sich für das Alkoholverbot für den Praterstern ohne Zustimmung seines grünen Koalitionspartners ausgesprochen. Wobei nicht nur im Bahnhofsbereich kein Alkohol mehr getrunken werden darf, sondern auch in der näheren Umgebung bis hin zur Venediger Au direkt vor dem Prater ist öffentliches Trinken ab sofort verboten. „Ich will die Aufenthaltsqualität der Wiener Plätze steigern, und der Praterstern ist mir da besonders wichtig“, betont Ludwig, der im Mai 2018 Michael Häupl als Wiener Bürgermeister beerbt, gegenüber der Kronen Zeitung. Ludwig hat sich im Vorfeld die Situation in München angeschaut: „Ich habe mit Dieter Reiter, dem Oberbürgermeister von München, gesprochen. Dort wurde das Alkoholverbot beim Hauptbahnhof umgesetzt, mit großem Erfolg“.
Alkohol weiterhin im Supermarkt und in der Gastronomie
Ein Verkaufsverbot wird es jedoch nicht geben. Im Supermarkt, der sich im Inneren des Bahnhofs befindet, werden auch weiterhin alkoholische Getränke angeboten, und auch die Gastronomie ist vom Verbot nicht betroffen. Wobei der Alkohol aber nur in der Gaststätte oder beim Kiosk getrunken werden darf. Wer zuwiderhandelt wird tief in die Tasche greifen müssen. Wer beim ersten Mal erwischt wird, muss 70 Euro Geldstrafe zahlen, ein wiederholter Verstoß kann bis zu 700 Euro kosten. Wobei man darauf setzt, dass die Polizisten ausreichend Erfahrung mit dieser Klientel hat und weiß, wann hart bestraft werden muss oder ob eine Wegweisung ausreicht.
Grüne und NEOS sind dagegen
Was bei Anrainern und Fahrgästen für großes Aufatmen auslöst, sorgt beim grünen Koalitionspartner für Verstimmung. „Es kann nicht im Sinn der Stadt Wien sein, den bisher bewährt sachlichen Weg zu verlassen und populistische Scheinlösungen anzubieten“, wettert die grüne Sozialsprecherin Birgit Hebein in Richtung SPÖ. Auch ihre Parteikollegin, Bezirksvorsteherin Uschi Lichtenegger, kann mit dem Verbot nichts anfangen: Es könne nicht Ziel nachhaltiger Politik sein, „Alkoholkranke in die an den Praterstern angrenzenden Wohn- und Grüngebiete bzw. an andere Orte in Wien, an denen leicht zugänglich Alkohol verkauft wird, zu vertreiben“. Hebein und Lichtenegger hätten viel lieber Gegenstrategien wie den Ausbau sozialer und gesundheitsbezogener Angebote für Alkoholkranke direkt am Praterstern. Auch für die NEOS macht das Verbot keinen Sinn. Deren Wiener Parteichefin Beate Meinl-Reisinger bezichtigt Ludwig als Populisten, der die wahren Probleme der Stadt zu kaschieren versuche.
Auch in Wien-Floridsdorf wird Alkoholverbot überlegt
Apropos Szeneverlagerung. Eine solche befürchtet nun auch der rote Bezirkschef vom 21. Wiener Gemeindebezirk Floridsdorf, Georg Papai, und fordert deshalb ein Alkoholverbot am Bahnhof Floridsdorf. „Durch das Alkoholverbot am Praterstern könnte sich die derzeit weitgehend friktionsfreie (problemfrei, Anm.) Situation am Franz-Jonas-Platz (hier befindet sich der Bahnhof Floridsdorf, Anm.) schlagartig ändern“, befürchtet der Bezirkschef, der sich noch vor gar nicht so langer Zeit gegen ein Alkoholverbot in seinem Bezirk aussprach. Aber: „Ich will nicht abwarten, bis eine Entwicklung einsetzt, die sich jetzt schon erahnen lässt. Deshalb trete ich für eine Alkoholverbotszone auf unserem Bahnhof ein“, fordert Georg Papai.
Wolfgang Seidl glaubt zwar, wie er zu „Alk-Info“ sagt, nicht unbedingt, dass es zu einer Verlagerung der Szene kommt, räumt aber ein, dass sich bereits weitere Hotspots (Bahnhof Wien-Mitte, Westbahnhof) abzeichnen. „Wenn das ärger wird, dann müsste es auch dort ein Alkoholverbot geben“, so Seidl.
Fotos: PID / Jobst (1), Thomas Frohnwieser (3) Grafik: SPÖ, FPÖ, Grüne und NEOS (1)