Ein ehemals obdachloser Trinker erzählt seine Geschichte:
„Mit dem Alkohol habe ich abgeschlossen!“
aufgezeichnet von Harald Frohnwieser
Wie es ist, ganz unten zu sein, weiß Rudolf Hoch, 44, aus eigener leidvoller Erfahrung. Jahrelanger Alkoholmissbrauch und Drogenkonsum nahmen ihm alles, was ihm wichtig war: Frau, Kind, Arbeit und Wohnung. Mit dem Resultat, dass der gelernte Zimmermann und Tischler viele Jahre lang auf der Straße dahinvegetieren musste. Erst als er den engagierten Leiter der Suchttherapie „Zukuntsschmiede“ in Pressbaum bei Wien, Christian Voggeneder, kennenlernte, änderte sich sein Leben. Heute ist Rudolf Hoch schon lange trocken und rührt auch keine Drogen mehr an. Doch der Weg zu sich selbst und somit zu einem zufriedenen Leben war nicht einfach. Für „Alk-Info“ berichtet Hoch über seine Vergangenheit. Lässt sein Leben noch einmal Revue passieren – offen, ungeschminkt und ehrlich. Und ist sich klar darüber, dass es ohne der Hilfestellung, die er von Voggeneder, dessen Gattin und dem gesamten Team der „Zukunftsschmiede“ erhielt, noch viel schwerer - wenn nicht gar unmöglich - gewesen wäre, sich aus diesem Sumpf wieder herauszuziehen.
Schon sein Start ins Leben stand unter keinem guten Stern…
„Als meine Mutter mit mir schwanger wurde, war sie erst 13 Jahre alt, mein Vater war 18. Aufgewachsen bin ich bei meinen Großeltern, aber die haben das, so glaube ich, nur wegen dem Geld, das sie für mich bekommen haben, gemacht. Bei denen habe ich gewohnt, bis ich sieben Jahre alt war, dann kam ich ins Heim, dann wieder zurück zu den Großeltern, und dann wieder ins Heim. So ging es einige Jahre hin und her. Mit 15 begann ich meine Lehre als Zimmermann und Tischler. Doch schon bald danach gab es einen fürchterlichen Schock. Meine Tante, die für mich wie eine Schwester war, hat sich umgebracht. Sie war der einzige Mensch, der sich immer um mich gekümmert hat.“
Alkohol getrunken hat er bereits als Lehrling, aber damals noch nicht im Übermaß und auch nur an den Wochenende. Das sollte sich freilich ändern, als das Vaterland rief.
„Beim Bundesheer habe ich dann das Saufen gelernt, und zwar so richtig. Da ging einfach die Post ab. Zuerst war es noch irgendwie moderat, aber dann hat sich ein Kamerad, mit dem ich sehr eng befreundet war, erschossen. Ab diesem Zeitpunkt ist es so richtig abgegangen.“
Nach dem Präsenzdienst arbeitete Rudolf Hoch wieder in seinem erlernten Beruf. Der Alkohol wurde nun sein ständiger Begleiter. Und ein paar Jahre später kamen die Drogen dazu.
„Gearbeitet habe ich damals sehr viel, auf den Baustellen oder auf Montage. Aber getrunken habe ich regelmäßig. Zum Glück keine harten Sachen, sondern ,nur' Bier, aber davon genug. Es waren schon bald 24 Dosen am Tag. Aber irgendwann ließ die euphorische Wirkung nach, und so begann ich, als ich so um die 30 Jahre alt war, Cannabis zu rauchen, etwas später kam dann Heroin dazu, das ich aber nicht gespritzt, sondern geschnupft habe. Kokain nahm ich nicht, weil es – im Gegensatz zum Heroin – einfach zu teuer für mich war.“
Der Abstieg war vorprogrammiert, Alkohol und Drogen forderten ihren Tribut. Auch seine Aggressionen uferten im Rausch oft aus.
„Als ich 27 Jahre alt war, wurde ich Vater einer Tochter, aber meine Frau hat mich samt dem Kind schon bald wegen meiner Sauferei verlassen. Ich habe dann eine eigene Wohnung gehabt, doch die habe ich dann versoffen und ich zog in ein kleines Zimmer. Aber auch dafür konnte ich mir die Miete nicht mehr leisten, weil ich meinen Job wegen des Alkohols auch verlor. So pendelte ich immer wieder zwischen einem Leben auf der Straße und einem Zimmer, in dem ich kurz lebte, hin und her. Und dazwischen war ich immer wieder im Gefängnis aufgrund meiner Aggressionen. Ich war insgesamt acht Jahre in Haft wegen der Schlägereien. Ich hatte nie gelernt, meine Aggressionen in Griff zu bekommen, und durch den vielen Alkohol und den Drogen uferten die dann aus. Nach der Haft war ich dann wieder obdachlos.“
Zum Leben auf der Straße kamen unzählige Stürze, aber schwere Verletzungen blieben zum Glück aus.
„Einmal habe ich meinen Rausch mitten auf der Straße ausgeschlafen. Ein Wunder, dass mich damals kein Auto überfuhr. Ich war auch einmal bei einem Treffen der Anonymen Alkoholiker, aber das war nicht meins. Die sind mir ein bisschen wie eine Sekte vorgekommen, aber vielleicht war ich damals einfach noch nicht so weit, Hilfe zuzulassen. Und ich war auch mehrmals auf Entzug in einer Klinik, da hatte ich insgesamt zwei epileptische Anfälle. 2015 war ich wieder in einer Klinik in Niederösterreich, und zwar in Mauer. Zuvor war ich bei einem Arzt, weil es mir so dreckig ging. Der hat mich untersucht und danach zu mir gesagt, dass ich nicht mehr lange zu leben habe, wenn ich so weiter trinke. Das war zwar ein Schock, aber als ich aus der Praxis rausging, habe ich gleich wieder gesoffen. Zum Glück war ich am nächsten Tag so klar im Kopf, dass ich in die Klinik in Mauer gegangen bin.“
In der Klinik kam die große Wende. Rudolf Hoch lernte den Suchttherapeuten und Leiter der Therapieeinrichtung „Zukunftsschmiede“ kennen: Christian Voggeneder, der immer wieder nach Mauer kommt, um die Patienten zu einer Therapie zu animieren.
„In Mauer war ich vier Wochen lang, und der körperliche Entzug war ziemlich hart. Eines Tages schaute Herr Voggeneder bei mir vorbei und überredete mich, eine Therapie bei ihm zu machen. Die ,Zukunftsschmiede' kannte ich schon vom Namen her. Herr Voggeneder hat auch gleich zugesagt, dass er mich aufnimmt, aber als ich von Mauer entlassen wurde, musste ich noch kurz zurück auf die Straße, weil in der ,Zukunftsschmiede' kein Bett frei war. Als ich dann dort eincheckte nahm ich mir fix vor, dass ich etwas in meinem Leben ändern muss. Ich machte mir eine Liste mit 33 Punkten, die mir wichtig waren: Stabilität zu bekommen, mich selbst zu lieben lernen, meine Aggressionen unter Kontrolle zu bringen, den richtigen Umgang mit anderen Menschen zu erlernen und so weiter. Ich nahm mir vor, ein Jahr dort zu bleiben, geworden sind es dann zwei Jahre.“
Die Eingewöhnung und die Umstellung auf ein völlig neues Leben waren jedoch nicht leicht.
„Die erste Zeit war schon sehr schwer für mich, auch aufgrund meiner Aggressionen. Und am Anfang habe ich mich bei den Therapien immer irgendwie versteckt, das heißt, ich konnte fast nicht über mich sprechen. Ich habe an den Gesprächen kaum teilgenommen. Dazu kam, dass es mit dem Therapeuten, der mir zugewiesen wurde, nicht so richtig geklappt hat. Das habe ich dann aber irgendwann erkannt und habe es Herrn Voggeneder erzählt. Mein großes Glück war, dass ich dann ihn als Therapeuten bekommen habe, und ab diesem Zeitpunkt ist dann sehr viel weitergegangen. Ich konnte in vielen Gesprächen mit ihm mein ganzes Leben aufarbeiten, aber das war sehr anstrengend für mich und ich bin dabei oft durch die Hölle gegangen. Aber es war notwendig. Das Besondere an diesen Gesprächen war für mich, dass jemand für mich da war, der mir zuhörte, der mich verstand und nicht verurteilte.“
In der „Zukunftsschmiede“ hat Rudolf Hoch nebenbei auch gelernt, wieder eine sinnvolle Tagesstruktur zu bekommen.
„Während dieser beiden Jahre habe ich aber noch mehr gelernt als meine Vergangenheit zu. Ich habe gelernt, wieder zu einer Struktur zu finden, morgens aufstehen, mein Zimmer sauber zu halten, regelmäßig essen, ein Mal am Tag Sport zu betreiben, basteln, Computer-Kurs, autogenes Training und so weiter. Das war enorm wichtig für mich, weil ich all das gar nicht mehr kannte.“
Auch nach seiner Entlassung haben sich Christian Voggeneder und seine Frau weiterhin um ihn gekümmert.
„Als ich 2017 dann entlassen wurde, hatte ich ja nach wie vor keine Wohnung. Aber die Voggenders haben mich nicht im Stich gelassen. Herr Voggeneder hat mich bei der Wohnungssuche aktiv unterstützt. Das ist in Wirklichkeit unbezahlbar für mich, denn sonst wäre ich wieder auf der Straße gelandet. Es ist wirklich so, wenn man sich ehrlich bemüht, dann wird man von ihm und seiner Frau nicht im Stich gelassen und man bekommt die volle Unterstützung.“
Rudolf Hoch hat noch viel vor: 80 Kilo abzunehmen und wieder ins Berufsleben einzusteigen.
„Leider hat sich eine Art Suchtverlagerung bei mir eingestellt, ich habe einfach zu viel gegessen, daher müssen jetzt 80 Kilo runter. Da ich das nicht alleine schaffe, unterziehe ich mich einer Magenoperation, wo mir ein Bypass gelegt wird, damit ich nicht mehr so viel essen kann. Wenn ich dann aus dem Spital entlassen werde, komme ich nochmals für drei Monate in die ,Zukunftsschmiede', um meine Esssucht endgültig los zu werden. Arbeiten ist momentan noch nicht möglich. In meinem erlernten Beruf kann ich aufgrund meines kaputten Rückens zwar nicht mehr zurück, aber ich möchte, sobald es geht, wieder ins Berufsleben einsteigen. Aber was genau ich dann machen werde, weiß ich noch nicht. Mit meiner Tochter habe ich nach all den vielen Jahren, in denen ich sie nicht gesehen habe, wieder Kontakt aufgenommen. Es ist für uns beide nicht leicht, aber ich möchte sehr gerne wieder eine ordentliche Beziehung zu ihr aufbauen.“
Sein Resümee?
„Natürlich haben mich anfangs viele Schuldgefühle geplagt, aber ich habe in der Therapie gelernt, mit meiner Vergangenheit zu leben und mit ihr umzugehen. Ich bin auch sehr stolz auf mich, was ich alles erreicht habe, aber es ist noch nicht alles so, wie es sein soll. Ich habe noch immer Probleme mit der Problembewältigung. Sobald ein Problem auftaucht, ziehe ich mich zurück. Das ist mein altes Verhalten und daran muss ich noch arbeiten. Zum Glück kann ich jederzeit in die ,Zukunftsschmiede' kommen und mit jemanden darüber reden. Wenn ich nicht weiter weiß, dann kann ich dort jederzeit anrufen. Man muss auch Hilfe annehmen, das habe ich hier auch gelernt. Ich habe auch zu Hause meine Tagesstruktur, ich putze die Wohnung, gehe einkaufen oder helfe meinem Nachbarn ein wenig. Nach dem Alkohol habe ich kein Verlangen mehr, mit dem habe ich abgeschlossen. Obwohl man nie weiß, was die Zukunft bringt.“
Zukunftsschmiede Voggeneder GmbH – Stationäre Psychotherapie
3021 Pressbaum, Rauchengern 8
Tel.: +43 (0)664/440 77 45 und +43 (0)664/338 52 74
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Web-Adresse: www.zukunftsschmiede.com
Foto: Harald Frohnwieser (1) Logo: Zukunftsschmiede Voggeneder (1)
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