Die Erfolgsstory der Anonymen Alkoholiker
Ein Siegeszug rund um die Welt
von Harald Frohnwieser
Angefangen hat alles mit der Begegnung zweier Alkoholiker, die erkannten, dass der Zwang zu trinken nachlässt, wenn man sich offen über seine Krankheit unterhält. Das war 1935 in der Kleinstadt Akron im US-Bundesstaat Ohio. Mittlerweile gibt es die Anonymen Alkoholiker (AA) in ungefähr 185 Staaten dieser Erde.
Im Jahr 1935 hielt sich der seit Kurzem trocken gewordene Börsenmakler Bill W. Beruflich in der US-Kleinstadt Akron, Ohio, auf. Bill hatte Jahre zuvor schwer getrunken und seinen gut dotierten Job als Börsenmakler an der Wall Street in New York verloren. In einer Psychiatrie hatte er eine Vision, dass er nun sein Leben ohne den Alkohol meistern wird. Er besuchte die Treffen von Abstinenzler-Vereinigungen, die Erfüllung darin fand er allerdings nicht. 1935, wieder als Börsenmakler aktiv, musste er beruflich in die Kleinstadt Akron im US-Bundesstaat Ohio reisen. In seinem Hotel überkam ihn ein großer Suchtdruck. Doch bevor er sich an die Hotel-Bar setzte und sich einen Drink bestellte, fiel sein Blick auf einen Zettel, der in der Rezeption hängte und auf dem die Gottesdienste der örtlichen Kirchen verzeichnet waren. Kurz entschlossen rief Bill mehrere Pfarren an. Er wollte mit einem anderen Alkoholiker, dem es so wie ihm erging, sprechen. Bei einer Pfarre hatte er Glück, eine Sekretärin verwies ihn an den Chirurgen Dr. Bob S., der als hoffnungsloser Säufer galt. Die Sekretärin brachte die beiden Alkoholiker zusammen, und obwohl der Arzt zuvor sehr skeptisch war, sprachen die Männer stundenlang über ihre Krankheit. Die Erkenntnis daraus war, dass die Suchtdruck schwindet, wenn man sich ganz offen zu seinem Alkoholismus bekennt. In der Folge suchten sie nach weiteren Alkoholikern, die sich ihnen anschließen würden.
1938 gab es in Akron, in New York und in Cleveland jeweils eine Gruppe. Aus den vielen Gesprächen in den Meetings ergab sich das geistige Programm der AA mit seinen „Zwölf Schritten“ (siehe unten), die als Lebens- und Genesungsgrundlage dienen.
Zwei Millionen Mitglieder
In den weiteren Jahren entstanden in den USA und in anderen englischsprachigen Staaten weitere AA-Gruppen. Im November 1950 stirbt Dr. Bob an Krebs. Drei Jahre später fand im Hotel Leopold in München das erste AA-Meeting in Deutschland statt (siehe auch „Anonyme Alkoholiker in Deutschland“). In den 1960er Jahren gab es das erste Meeting in Wien.
Am 24. Jänner 1971 stirbt Bill W. In Miami Beach/Florida. Zum ersten Mal werden sein Name, seine Geschichte und sein Bild von den Medien weltweit veröffentlicht.
Mittlerweile gibt es im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich und Schweiz) mehr als 2000 AA-Gruppen. Weltweit zählt die Gemeinschaft der Anonymen Alkoholiker in rund 185 Ländern mehr als zwei Millionen Mitglieder.
Die Mitgliedschaft bei den AA ist kostenlos und, wie der Name schon sagt, anonym. Jede Gruppe erhält sich selbst durch freiwillige Spenden, die Miete der Räumlichkeiten (Pfarrsäle, Gemeindeämter etc.) wird von den Gruppen, die autonom sind, bezahlt. Spenden von außen, zum Beispiel von Firmen oder von Institutionen, werden nicht angenommen. In jeder Gruppe gibt es einen Meetingssprecher, der die Treffen leitet und meist ein Thema vorschlägt, wer sich zu Wort meldet, sagt: „Mein Name ist X, ich bin Alkoholiker“. Eine Diskussion findet nicht statt, es gibt auch keine guten Ratschläge. Jeder erzählt lediglich von sich, von seinen Erfahrungen mit dem Alkohol und mit seinem trockenen Leben. Es wird niemand ausgeschlossen, auch dann nicht, wenn jemand angetrunken in ein Meeting kommt.
Es gibt in den Gruppen freiwillige Dienste – vom Kaffeekochen bis hin zum Meetingssprecher, der ein Jahr lang trocken sein sollte. Es gibt auch offene Gruppen, die auch von Nichtalkoholikern (Angehörige, Freunde etc.) besucht werden können. Und es gibt in den diversen Psychiatrien und Suchtkrankenhäusern Informationsmeetings.
Spiritualität
Das geistige Programm der AA ist ein spirituelles, aber unabhängig von jeder Konfession. Der Glaube an Gott – oder, wie es in der AA oft heißt „Höhere Macht“ - ist keine Voraussetzung für eine Zugehörigkeit, es kommt gelegentlich vor, dass Christen, Moslems, Juden und Agnostiker in einem Meeting sitzen. Jeder kann seine ureigene Spiritualität so sehen, wie er es will. Die völlige Freiheit, die bei den AA herrscht, dürfte wohl dafür mitverantwortlich sein, warum sie die erfolgreichste Selbsthilfegruppe der Welt ist. Das Programm der AA wird auch von Suchtexperten anerkannt. So sagte der Leiter des Anton-Proksch-Instituts von Kalksburg, Wien, Prof. Michael Musalek in einem „Alk-Info“-Gespräch, dass er keinen Unterschied in der Qualität seines Instituts und den Anonymen Alkoholikern sehe.
Ein Meeting dauert in der Regel 90 Minuten, es wird auf niemandem gewartet, daher beginnt es immer pünktlich und hört auch pünktlich auf. Der Meetingssprecher eröffnet das Meeting mit der Verlesung der Präambel:
Anonyme Alkoholiker sind eine Gemeinschaft von Männern und Frauen, die miteinander ihre Erfahrung, Kraft und Hoffnung teilen, um ihr gemeinsames Problem zu lösen und anderen zur Genesung vom Alkoholismus zu verhelfen. Die einzige Voraussetzung für die Zugehörigkeit ist der Wunsch, mit dem Trinken aufzuhören.
Die Gemeinschaft kennt keine Mitgliedsbeiträge oder Gebühren, sie erhält sich durch eigene Spenden.
Die Gemeinschaft AA ist mit keiner Sekte, Konfession, Partei, Organisation oder Institution verbunden; sie will sich weder an öffentlichen Debatten beteiligen, noch zu irgendwelchen Streitfragen Stellung nehmen.
Unser Hauptzweck ist, nüchtern zu bleiben und anderen Alkoholikern zur Nüchternheit zu verhelfen.
Am Ende des Meetings halten sich die Gruppenteilnehmer an den Händen und sprechen das Gelassenheitsgebet (stammt aus dem Mittelalter):
„Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann.
Den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Gelassenheit, das Eine vom Anderen zu unterscheiden.“
Die Zwölf Schritte sind Empfehlungen, niemand fragt danach, ob man sie auch einhält. Die einzelnen Schritte sind oft ein Themenvorschlag in den Meetings.
1.) Wir gaben zu, dass wir dem Alkohol gegenüber machtlos sind – und unser Leben nicht mehr meistern konnten.
2.) Wir kamen zu dem Glauben, dass eine Macht, größer als wir selbst, uns unsere geistige Gesundheit wiedergeben kann.
3.) Wir fassten den Entschluss, unseren Willen und unser Leben der Sorge Gottes – wie wir ihn verstanden – anzuvertrauen.
4.) Wir machten eine gründliche und furchtlose Inventur in unserem Inneren.
5.) Wir gaben Gott, uns selbst und einem anderen Menschen gegenüber unverhüllt unsere Fehler zu.
6.) Wir waren völlig bereit, all diese Charakterfehler von Gott beseitigen zu lassen.
7.) Demütig baten wir Ihn, unsere Mängel von uns zu nehmen.
8.) Wir machten eine Liste aller Personen, denen wir Schaden zugefügt hatten und wurden willig, ihn bei allen wiedergutzumachen.
9.) Wir machten bei diesen Menschen alles wieder gut – wo immer es möglich war, es sei denn, wir hätten dadurch sie oder andere verletzt.
10.) Wir setzten die Inventur bei uns fort, und wenn wir unrecht hatten, gaben wir es sofort zu.
11.) Wir suchten durch Gebet und Besinnung die bewusste Verbindung zu Gott – wie wir ihn verstanden – zu vertiefen. Wir baten Ihn nur, uns seinen Willen erkennbar werden zu lassen und uns die Kraft zu geben, ihn auszuführen.
12.) Nachdem wir durch diese Schritte ein spirituelles Erwachen erlebt hatten, versuchten wir, dies Botschaften an Alkoholiker weiterzugeben und unser tägliches Leben nach diesen Grundsätzen auszurichten.
Infos: www.anonyme-alkoholiker.at / www.anonyme-alkoholiker.de / www.anonyme-alkoholiker.ch
Weitere Infos über englischsprachige Meetings in Europa unter www.aa-europe.net/meetings.php
Fotos & Logo: Anonyme Alkoholiker (3)
Zum Thema: „Mein Name ist…“, „Komm‘ wieder, es wirkt!“ & „My Name Is Bill W.“